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Konrad Riedel, *1892

verhaftet 1939 und 1944 wegen "Wehrkraftzeretzung" Zuchthaus Brandenburg-Görden
hingerichtet 12.6.1944


Goosestr. 37
Bremen-Gröpelingen

Konrad Riedel


Konrad Oswald Riedel wurde am 22.5.1892 in dem kleinen niederschlesischen Dorf Hohenposeritz, heute Pozarysko, geboren. Seine Eltern waren der Gast- und Landwirt Heinrich Riedel und Luise, geb. Antel. Er hatte drei Geschwister, wovon eine Stiefschwester Elfriede Kiesewetter später in Hamburg wohnte und mit ihm in Kontakt stand. Von 1899 an besuchte Riedel die Volksschule in Domanze, ging dann in eine „Fortbildungsschule“, arbeitete eineinhalb Jahre in Jauer und Schweidnitz als Laufbursche und erhielt eine Ausbildung in einer Schweidnitzer Maschinen- bzw. Sportartikelfabrik. Mit 18 ging er als Dreher zu den Vereinigten Uhrenfabriken in Freiburg/Schlesien. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde er bei Krupp in Essen als Dreher eingestellt, bis er 1915 eingezogen wurde. Während des Krieges kam er – nach eigenen Angaben – als Fußartillerist bis in die Türkei, in den Irak und nach Baku, wurde zweimal verwundet. Nach Kriegsende arbeitete Riedel wieder in seinem gelernten Beruf als Dreher in der o.g. Uhrenfabrik bis 1922, unterbrochen von seiner ersten Haft.

Konrad Riedel war bereits 1911 in Freiburg (Schlesien) in die SPD und die Freie Gewerkschaft eingetreten. 1919 ging er zur USPD, wurde zum örtlichen Vorsitzenden gewählt, war auch Betriebsrat, wechselte später zur KPD. Wegen seiner politischen Aktivitäten kam er wie viele USPD-Funktionäre von April bis Oktober 1921 in Breslau in Haft. Im Frühjahr 1922 gab es eine weitere große Fahndungsaktion gegen die Funktionäre der KPD, sodass Riedel im April 1922 flüchtete – aus Furcht, wieder verhaftet und streng bestraft zu werden.

In Berlin hoffte er drei Wochen vergeblich auf Unterstützung durch die KPD-Leitung. Verbittert darüber besorgte er sich falsche Papiere, die 200 RM kosteten, und gab sich fortan als Oskar Erich Werner Schmidt aus, geb. 23.9.1880 in Königsberg. Von 1922 bis 1932 arbeitete er bei verschiedenen Firmen in Hamburg, 1932 bis 1934 nur noch in Aushilfsstellungen, zeitweise war er arbeitslos. Danach erhielt er eine Stelle als Dreher bei den Deutschen Werken in Kiel. Als „Illegaler“ kam er 1935 auch nach Bremen und wurde bei der Deschimag (später AG „Weser“) als Eisendreher eingestellt – noch immer unter seinem falschen Namen. Sein Grundlohn belief sich auf 8,52 RM pro Tag. Er wohnte 1935 unter diesem Namen zunächst in der Nordstraße 265 (bei Wendt), dann bei Zierke in der Bogenstraße 39 und von Dezember 1935 bis August 1939 in der Goosestraße 37.

Riedels gefälschte Identität wurde entdeckt, als er 1939 in Haft genommen wurde. Seine Festnahme am 16.8.1939 beruhte auf einem Vorfall in einer Bremer Gastwirtschaft am 12. August und der Denunzierung durch einen zufällig in Riedels Stammkneipe vorbeikommenden Nationalsozialisten namens Keim. In dieser Kneipe (Hoffmann, Nordstraße 327) habe er „wehrkraftzersetzend“ geredet:

"Für Einrichtungen des Staates sei genug Geld da, aber die Arbeiter hätten nicht genug zum Fressen. Nur 25 % seien wirklich Nationalsozialisten, die übrigen 75 % würden vergewaltigt. Es sei widersinnig, dass die Regierung verlange, die Menschen sollten tüchtig vögeln und Kinder in die Welt setzen. Auf der anderen Seite schreibe die Presse vom Volk ohne Raum."

Riedel wurde denunziert und kam an drei verschiedenen Standorten in „Schutz-“ und Untersuchungshaft: Bremen, Hamburg und Berlin. Bei der Einlieferung ins Hamburger Untersuchungsgefängnis war angeordnet worden: „Streng trennen von allen politischen Gefangenen.“ Der Volksgerichtshof Berlin wollte das Verfahren offenbar im Zusammenhang mit dem Amnestiegesetz („Gnadenerlaß“) vom 9.11.1939 einstellen, die Bremer Justiz beharrte aber auf einem Verfahren und klagte Riedel an:

"[...] böswillige, gehässige, hetzerische und von niederer Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates und der NSDAP, über ihre Anordnungen und die von ihnen geschaffenen Einrichtungen gemacht zu haben, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben."

Weil der geständige Riedel im Prozess zu Protokoll gab, dass er betrunken gewesen sei und die Aussagen nüchtern so nicht gemacht hätte, wollte sich das Gericht gnädig zeigen, zumal er sich von der „internationalistischen Weltanschauung“ distanziert und Zeugen ihn als einen „anständigen“ Mann bezeichnet hatten. Am 8. 5.1940 wurde er – wegen staatsfeindlicher Äußerungen und Urkundenfälschung – nach dem „Heimtückegesetz“ zu acht Monaten Haft verurteilt. Im Zusammenhang mit dem Prozesses hatte man seine falsche Identität aufgedeckt: „Anmeldung unter Schmidt laut Brief der Geheimen Staatspolizei fälschlich. 25.8.1939“, heißt der Eintrag in der Meldekarte. Die Schutzund Untersuchungshaft wurde angerechnet, sodass Riedel glimpflich davon und nach der Urteilsverkündung auf freien Fuß kam.

Konrad Riedel, der seinen Vornamen mit C schrieb, blieb ledig, wohnte seit dem 21.6.1940 „auf Logis“ bei Albrecht für 5 RM in der Liegnitzstraße 44, dann in der Lindenhofstraße und anschließend wieder in der Liegnitzstraße. Seine letzte Wohnung befand sich in der Bremer Neustadt – seit dem 1.6.1943 bei Frau Luise Kottisch, Essener Straße 1. Er arbeitete nun bei der Firma Lembeck, Gröpelinger Heerstraße 159/163.

Riedel hatte im Prozess angegeben, dass er sich seit seiner Flucht nie wieder politisch betätigt, nicht an Demonstrationen und Versammlungen teilgenommen habe und auch nicht erneut mit politisch tätigen Leuten zusammengekommen sei. Auch von Seiten der Bewegung sei nie wieder jemand an ihn herangetreten. Dennoch kam er am 22.11.1943 wieder in Haft, weil er von einer „Volksgenossin“ denunziert wurde. Die überzeugte Nationalsozialistin Adele Bartels, Schwester eines befreundeten Genossen und Arbeitskollegen aus den Lembeck Motorenwerken, gab an, dass Riedel in ihrer Wohnung „staatsfeindliche Äußerungen“ gemacht habe: „…dass wir den Krieg wegen des Luftterrors nicht mehr lange aushalten könnten und dass wir in vier Wochen Frieden hätten, wenn der Führer nicht mehr da wäre.“ Hinsichtlich der alliierten Luftangriffe „hätten wir es nicht anders haben wollen, da wir es ebenso gemacht hätten“. In der Verhandlung am 5.4.1944, zu der Adele Bartels nicht erschien, bestätigte Riedel seine Äußerungen, nicht aber die, dass „Hitler sterben müsse, wenn Deutschland leben solle“, wie Bartels ausgesagt habe. Am 5.5.1944 wurde Konrad Riedel vom Volksgerichtshof Berlin wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und am 12.6.1944 in Brandenburg/Havel hingerichtet.

Franz Dwertmann (2019)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,89/5-5, 9S 9 -17-65/21
Wrobel, Hans: Strafjustiz und Totaler Krieg, Bremen 1991

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Politisch Verfolgte