Sie befinden sich hier | Kapitelüberschrift  Stolpersteine Biografie
Schriftgroesse verkleinern Schriftgroesse normal Schriftgroesse vergrössern
Diese Seite ausdrucken

Helmut Strathmann, *1912

deportiert 1942 KZ Mauthausen
tot 12.6.1943


Katrepelerstr. 57
Bremen-Findorff

Helmut Strathmann


Helmut Strathmann wurde am 6.4.1912 in Bremen als Sohn von Friedrich Strathmann und seiner Ehefrau Caroline, geb. Leimbach, als eines von sieben Geschwistern geboren. Bis zu seinem zehnten Lebensjahr wuchs er bei seinen Eltern auf. Nach dem Tod der Mutter wurde er 1922 in ein Waisenhaus gegeben. Mit elf Jahren kam er zu einem Bauern in Pflege. In der Schule hatte er Lernschwierigkeiten. Nach der Schulentlassung zog er zu seinem Vater. Dieser trank und betätigte sich als Zuhälter. Abends – wenn der Vater das Zimmer für Freier benötigte – wurde der Sohn weggeschickt. Nach seinen Aussagen hatte ihn sein Vater vergewaltigt.

Bereits in der Kindheit soll Helmut durch rasierte Augenbrauen und das Spielen mit Puppen aufgefallen sein. Eine Bäckerlehre musste er abbrechen, da er den Anforderungen körperlich nicht gewachsen war. Anschließend hatte er mehrere Botenstellen und arbeitete als Buffetbursche bzw. als Hausdiener im Gastwirtschaftsgewerbe. Bis zu seinem 21. Lebensjahr unterstand er der Aufsicht durch das Jugendamt. Er besuchte die Zusammenkünfte der Gesellschaft für Menschenrechte, einem homosexuellen Freundschaftsbund, im Bremer Hotel Germania, An der Weide.

Bereits im Alter von 17 oder 18 Jahren hatte er mit Männern sexuell verkehrt. Wegen seiner homosexuellen Veranlagung stand Strathmann insgesamt fünfmal vor Gericht. 1932 wurde er zur Zahlung von 100 RM oder alternativ zwei Monaten Haft verurteilt. Er „war geschminkt, hatte rasierte Augenbrauen und gestand seine aufs gleiche Geschlecht gerichtete Anlage ohne weiteres ein. [... es] wurde festgestellt, dass er als männlicher Prostituierter gegen Bezahlung Unzucht trieb und seinen Anschluss am sog. schwulen Strich suchte“. In den Jahren 1936, 1939, 1940 und 1941 saß er insgesamt 31 Monate im Gefängnis, „immer wegen schwuteller Onanie“, wie es in einem Polizeibericht heißt. Dafür wurde er viermal wegen Vergehens gegen § 175 StGB und einmal – am 25.5.1941 – wegen Vergehens gegen §175a StGB von Bremer Gerichten verurteilt (siehe Glossar Homosexuelle).

Im letztgenannten Gerichtsverfahren galt Strathmann als „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher“. Er hatte kurze Zeit nach seiner Strafverbüßung in der Straßenbahn Kontakt zu einem 15-Jährigen aufgenommen, der ihm in eine Parkanlage folgte und sich dort mit ihm sexuell betätigte. Dafür erhielt dieser von Strathmann drei Reichsmark. Anschließend zeigte der Jugendliche Strathmann bei der Polizei an. Der gerichtsmedizinische Gutachter hielt dem Angeklagten zugute, dass er „[...] aus einer offenbar schwer psychopathischen Familie [stamme]. Die Psychopathie sei bei dem Angeklagten so erheblich, dass die Fähigkeit, nach besserer Einsicht zu handeln, zur Zeit der Tat erheblich vermindert gewesen sei“.

Weiter heißt es in dem Urteil:

"Der Eindruck des Krankhaften hat sich durch das Verhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung in starkem Masse verstärkt. [...] Von der Verhängung eines Ehrverlustes hat die Strafkammer abgesehen, weil der Angeklagte auch durch die von ihm nicht verschuldeten äußeren und inneren Umstände zu seinen strafbaren Handlungen gekommen ist und kommt und weil er sich sonst im Leben tadellos geführt hat. Sein Arbeitgeber hat ihm ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Dagegen erfordert, [...], die öffentliche Sicherheit, sobald der Angeklagte seine Strafe verbüßt hat, die Sicherheitsverwahrung. [...] Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Entmannung des Angeklagten günstig wirken könnte."

Aufgrund eines Gespräches mit dem medizinischen Gutachter entschloss Strathmann sich zur Durchführung einer „freiwilligen Entmannung“. Am 19.2.1942 genehmigte der Hamburger Gesundheitssenator Dr. med. Friedrich Ofterdinger das Verfahren, da „Str. ein weicher, willensschwacher, triebhafter Homosexueller [sei]“. Am 18.6.1942 traf Strathmann aus dem Gefängnis im Zentrallazarett des Hamburger Untersuchungsgefängnisses für den operativen Eingriff ein. Da der zuständige Arzt für einen längeren Zeitraum erkrankt war, wurde er ins Zuchthaus Fuhlsbüttel eingeliefert. Wegen der langen Wartezeit infolge der Erkrankung des Chirurgen und wegen der großen Anzahl der geplanten Kastrationen wurde erwogen, Strathmann im Hafenkrankenhaus „entmannen“ zu lassen.

Am 5.12.1942 wurde er ins Konzentrationslager Mauthausen überstellt. Laut Aufzeichnungen des dortigen SS-Standortarztes verstarb Strathmann am 12.6.1943 im Krankenlager des KZ Mauthausen angeblich an „Kreislaufschwäche mit Wassersucht vor Durchführung der Entmannung“.

Der Stolperstein zur Erinnerung an Helmuth Strathmann liegt vor dem Haus Katrepeler Straße 57, seinem Wohnsitz vor seiner letzten Verhaftung im Februar 1941. Er war hier bei seiner Schwester untergekommen.

Peter Christoffersen/Bernhard Rosenkranz (2019)

Informationsquellen:
StA Hamburg 242-4 Kriminalbiologische Sammelstelle, 1011
StA Hamburg 242-1 (II) Gefängnisverwaltung II, Abl. 10 Nr. 412 (Gefangenenpersonalakte)
www.hamburg-auf-anderen-wegen.de
StA Bremen Einwohnermeldekartei

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Verfolgung Homosexueller