Kurt Elvers, *1919
verhaftet 1944 wegen "Wehrkraftzersetzung"
hingerichtet 20.2.1945 in Hamburg-Höltigbaum
Am Wandrahm 23
Bremen-Mitte
Kurt Elvers

Kurt Elvers wurde am 24.9.1919 in Hamburg geboren. Er besuchte vier Jahre eine Privatschule, danach die Oberrealschule in Eimsbüttel bis zur Untertertia. Die Familie wohnte zu diesem Zeitpunkt im Schulweg 40. Später zogen sie in die Osterstraße 26. Es folgte eine vierjährige Schlosserlehre bei dem Bauschlosser Oskar Goldsteiner in Hamburg. Kurt Elvers wollte die Bauschlosserei seines Vaters übernehmen. Ostern 1939 schloss er die Gesellenprüfung ab. Am 29.8.1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Bis Februar 1941 war Elvers in der Normandie stationiert, wurde anschließend nach Polen verlegt und nahm am Überfall auf die Sowjetunion teil. Am 17.10.1941 wurde er durch einen Querschläger am Oberarm verwundet und kam im Januar 1942 nach Bremen. Bis Januar 1943 erkrankt, nahm er hier an einem Wettbewerb für Freizeitgestaltung teil, bei dem er den 1. Preis gewann. Durch die Vermittlung seiner Kompanie erreichte er es, zur Nordischen Kunsthochschule (NKH) in Bremen vermittelt zu werden, wo er im Mai 1944 ein Kunststudium aufnahm.
Die NKH war die einzige Kunsthochschulgründung im Nationalsozialismus. Sie sollte „schöpfend aus dem Urgrunde deutsch-nordischen Volkstums, mitarbeiten am Aufbau arteigener Kultur im Sinne Adolf Hitlers“ (Gründungsdirektor Fritz Macksensen), wie es in einer offiziellen Broschüre hieß. In einer Broschüre, die jedem Studenten überreicht wurde, und die u. a. den Lehrplan enthielt, war ein Eingangszitat des Bildungssenators Richard von Hoff zu lesen: „Je vollkommener nordische Wesensart im Kunsthandwerk Gestalt findet, um so bedeutungsvoller wird die Kunst für die Erziehung des deutschen Menschen.“ In seiner Eröffnungsrede zur NKH am 9. 4.1934 im Rathaus ließ er an den rassischen Zielen, die mit der NKH verknüpft waren, keinen Zweifel. Grundsätzlich sah von Hoff in der NKH etwas „Neues“ und „Einzigartiges“. Es sei mit der Gründung „zum ersten Male in der Geschichte der Kunst der Nordische Gedanke bewusst und ausgesprochen zum Leitgedanken einer Kunsthochschule gemacht“ worden. Die anderen Kunsthochschulen und Akademien hätten zwar auch ihre Verdienste und Erfolge, aber der neue Gründungsgedanke der NKH sei in ihnen nicht vertreten: die Rassenlehre.
Langjähriger Direktor war der Münchener Porträtmaler Carl Horn (1874-1945), seit 1933 NSDAP-Mitglied. Ursprünglich nur als Professor für Malerei geplant, ersetzte er 1935 den Gründungsdirektor Fritz Macksensen (1866-1953). Der Wechsel markierte auch eine ns-kunstideologische Richtungsänderung: der norddeutsche/nordische Expressionismus fiel in der NSDAP (zur Überraschung und zum Entsetzen vieler überzeugter Nationalsozialisten und Expressionisten wie z. B. Emil Nolde) in Ungnade (in ähnlicher Form scheint das auch eine Studentengruppe um Adam Amend (NSDAP seit 1929) und Karl Kothe (NSDAP nachgewiesen 1931-1933) betroffen zu haben. Ihre Vertreter wurden ersetzt durch Personen, die Gewähr boten, die neue ns-ideologisch-begründete Kunstrichtung zu vertreten. Hierzu gehört Horn ohne Zweifel.
Er war der nationalsozialistischen Elite familienmäßig verbunden, da eine seiner Stieftöchter die Ehefrau des Stellvertreters des Führers, Rudolf Hess, war. Und ihm war nach dem Machtantritt Adolf Hitlers eine besondere Ehre zu Teil geworden, wie er in seinem Lebenslauf berichtet: „Im Frühjahr 1933 wurde mir die Auszeichnung zu Teil, als erster Maler ein Porträt des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler nach dem Leben zu malen“. Dieses Porträt befand sich schon in Bremen, bevor Horn in die Hansestadt übersiedelte. Im Sommer 1933 in München ausgestellt (und von der Kritik nur mäßig bedacht), kaufte es der Bremer Kaffeehändler Ludwig Roselius und brachte es in seine Heimatstadt (wo es im Sportheim für Gesundheit und Leistung in der Martinistraße einen wenig prominenten Aufhängungsort fand und vermutlich bei einem Bombenangriff zerstört wurde).
Von den 517 Studenten, über die eine Personalakte existiert (wobei zu beachten ist, dass die Gesamtzahl der Studierenden höher lag), waren 51 % Frauen. Ihr Anteil erhöhte sich während der Kriegsjahre erheblich. Im Sommersemester 1943 waren 67, im Wintersemester 1943/44 insgesamt 43 und im Sommersemester, als Kurt Elvers an den NKH war, 64 Studenten eingeschrieben. Neben den ‚regulären‘ Studenten gab es darüber hinaus Studenten, die den Status eines „Hospitanten“ (z.T. über 10% aller Studenten) innehatten, oder auf Grund von Sonderbestimmungen ein Studium an der NKH aufnehmen konnten. Hierzu gehörte z. B. Amalia Blume (geb. 4.9.1921), deren Familie als so genannte Spanienflüchtlinge nach Hitler-Deutschland zurückkehrten, weil sie Repressalien durch die republikanischen Truppen befürchten mussten (der Vater war Mitglied der NSDAP und kehrte mit der Legion Condor nach Spanien zurück, wo er starb. Ein Cousin von Amalia Blume, Joaquín Blume, wurde in den 1950er Jahren ein in Spanien sehr bekannter Turner).
Kurt Elvers gehörte zu einer weiteren Sondergruppe, den Wehrmachtsangehörigen, die an der NKH studierten. Von den Professoren der Nordischen Kunsthochschule wurde er als „talentiert“ und „besonders eifrig“ eingestuft. Mehrfach äußerte der junge Soldat den Wunsch, nicht mehr an die Front zurückzukehren, sondern stattdessen sein Kunststudium beenden zu wollen. Im Kreis der Kommilitonen scheint er ebenfalls als „Talent“ angesehen worden zu sein, galt aber auch als kritisch gegenüber dem NS-Regime. Der Kameradschaftsführer des Studentenbundes, Werner Marx (geb. 20.12.1916), erzählte dem stellvertretenden Studentenführer Johann Düdden von Meldungen von Mitstudenten, Elvers würde „unvorsichtige Reden“ halten und damit „Unruhe“ stiften. So habe er gesagt, dass er nicht „gewillt“ sei, „ noch einmal ins Feld zu gehen und seine Haut zu Markte zu tragen“. Selber hatte Marx solche Äußerungen zwar nicht gehört, er wollte sie dennoch weitertragen, denn „die Sache hätte Kreise gezogen. Sie sei in der ganzen Schule bekannt, und es herrsche eine gewisse Unruhe, da Elvers nicht nur in der Klasse seine Äußerungen macht, sondern auch seinen Kolleginnen gegenüber in der Eisenbahn und in den Straßen, so dass die Öffentlichkeit aufmerksam wurde und wusste, dass es sich hierbei um einen Schüler der Kunsthochschule handelt.“ Anfang Juli 1944 habe Elvers ihm, Marx, im Treppenhaus der Kunsthochschule erzählt, „dass er keine Lust habe, den Heldentod zu sterben.“ Außerdem hätten zwei Studentinnen der Kunsthochschule, Sonja Schütte (geb. 16.8.1924) und Maria H. (geb. 16.5.1926), ihm mitgeteilt, „dass sie mit Elvers nicht mehr zusammenarbeiten könnten, weil er ihnen wegen ihrer nationalsozialistischen Einstellung Vorhaltungen gemacht hätte und dabei geäußert habe, dass sie später mit anderen gehängt würden.“ Eine weitere Studentin, die frühere Jungmädelführerin und von Mitstudenten als „fanatische Nationalsozialistin“ bezeichnete Hella Gronau (verh. Böhmer, geb. 26.8.1924), sagte nach 1945 in einem Entnazifizierungsverfahren: „Ich hatte keine Sympathie für Elvers wegen seiner hetzerischen und zynischen Art, wie er Kritik an dem Nationalsozialismus und an der Kriegsführung übte. Ich war als Deutsche darüber empört, dass in einer Zeit, als die letzten Kräfte der Nation eingesetzt wurden, in heimtückischer Weise gegen die Kriegsführung gehetzt und dadurch die Siegesmöglichkeit gefährdet wurde. Ich gebe zu, dass ich damals die Äußerung gemacht habe, dass man Elvers eigentlich anzeigen müsse.“
Als Elvers im Sommer 1944 von dem Attentat der Offiziere um Stauffenberg auf Hitler erfuhr, soll er sich gegenüber einigen Mitstudenten (Erika Tillery, geb. 25.9.1924), Hella Gronau und Kurt S. (geb.19.6.1926) mit den Worten geäußert haben: „Schade, dass es nicht geklappt hat. Sonst hätten wir jetzt Frieden“ (in anderen Versionen, „dass es schade sei, dass das Attentat nicht geglückt sei, dadurch würden viele Menschenleben erspart“ oder dass „es schade [sei], dass der 20. Juli1944 vorübergegangen wäre, sonst hätten wir Frieden“). Als Elvers‘ Äußerungen bekannt wurden, denunzierte ihn einer seiner Kommilitonen, Gerhard Barnstorf (geb. 21.11.1919), bei der Gestapo.
In der Hauptverhandlung vom 30.10.1944 vor einem Kriegsgericht in Verden wurde er zum Tode verurteilt. Verzweifelte Versuche des Vaters, eine Begnadigung zu erreichen, scheiterten. Auch Interventionen einiger Professoren erreichten keine Änderung des Urteils. Am 20.2.1945 wurde Kurt Elvers in Hamburg auf dem Truppenübungsplatz Höltigbaum erschossen und zunächst auf dem Kriegsgräberfeld auf dem Ohlsdorfer Friedhof beerdigt. Sein Vater veranlasste jedoch ein halbes Jahr nach Kriegsende am 16.1.1946 die Umbettung in ein Privatgrab auf dem Ohlsdorfer Friedhof.
Der Vater hatte nach 1945 mehrfach versucht, die Schuldigen an dem Tod seines Sohnes zur Rechenschaft zu ziehen. In einem umfangreichen Entnazifizierungsverfahren in Bremen gegen den Hauptdenunzianten Gerhard Barnstorf wurde dieser zunächst zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt. Die Strafe musste er jedoch nie antreten. Alle anderen Mitbeteiligten an der Denunziation blieben unbehelligt. Ermittlungsverfahren, die der Vater nach dem Spruch der Bremer Spruchkammer anstrebte, wurden von der Bremer Staatsanwaltschaft ebenfalls eingestellt. Zur Begründung formulierte der Oberstaatsanwalt 1960 abschließend: „Man kann es deshalb nicht als ungewöhnlich bezeichnen, dass der Verurteilte [gemeint ist Kurt Elvers, d. A.] im Sinne der damaligen scharfen Maßstäbe, die an die Erhaltung der Manneszucht gestellt wurden, in vollem Maße für schuldig befunden wurde; denn mangels Vorliegens der schriftlichen Urteilsgründe muss ja davon ausgegangen werden, dass das Kriegsgericht sich mit dem Gesamtverhalten des damaligen Angeklagten Elvers bereits befasst hat. Diese damals angewandten harten – uns heute fremd gewordenen – Maßstäbe lassen sich aber, um einen Sammelbegriff zu gebrauchen, durch die Kriegsnotwendigkeiten – wie man dieses damals sah – rechtfertigen und können nicht ohne weiteres rechtsfremden oder rechtsfeindlichen Zwecken der Strafzumessung gleichgesetzt werden. Danach sind weitere Ermittlungen nicht erforderlich.“
Nachdem die Eltern ebenfalls gestorben und weitere Angehörige nicht bekannt sind, droht die Grabstätte auf dem Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf eingeebnet zu werden. Aufgrund verschiedener Initiativen (Hamburg: Willi-Bredel-Gesellschaft, Geschwister-Scholl-Stiftung; Bremen: Erinnern für die Zukunft e.V.) konnte das Gedenken an Kurt Elvers in Hamburg und Bremen gesichert werden: Außer einem Stolperstein in Hamburg in der Osterstraße 26 wurde im Februar 2011 in Bremen Am Wandrahm 23 ein weiterer Stolperstein verlegt. Auf dem Ehrenfeld der Geschwister-Scholl-Stiftung des Friedhofs in Hamburg-Ohlsdorf erinnert seit September 2012 ein Gedenkstein an Kurt Elvers. Im April 2015 wird in Hamburg ein Kurt-Elvers-Weg eingeweiht.
Hans Hesse (2015)
Quellen :
Staatsarchiv Bremen, 4,66 – I., 367–370 (umfangreiche Entnazifizierungsakte des als Denunziant verurteilten Gerhard Barnstorf )
Hesse, Hans: Bis zur Narbe – Eine Erzählung, Bremen 2011 (Hrsg. von Hochschule für Künste Bremen)
ders.: Die Nordische Hochschule für bildende Kunst soll, schöpfend aus dem Urgrunde deutsch-nordischen Volkstums, mitarbeiten am Aufbau arteigener Kultur im Sinne Adolf Hitlers“ – Skizzen zur Geschichte der Nordischen Kunsthochschule (NKH), in: Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte, Nr. 23/24, 2009, S. 85–104
ders.: Kurt Elvers, in: Lohmeyer, Susanne: Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg-Hoheluft-West. Biographische Spurensuche, Bd. 1, Hamburg 2013, S. 172

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