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Therese Schragenheim, geb. Markreich, *1883

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Sielwall 10
Bremen-Östliche Vorstadt


Sielwall 10 - Weitere Stolpersteine:


Therese Schragenheim


Familienbiografie
Elias Schragenheim
Therese Schragenheim, geb. Markreich

Elias Schragenheim wurde am 3.4.1876 in Bremen als Sohn von Moses Schragenheim (geb. 16.5.1859 in Verden) und dessen Ehefrau Therese Spanier (geb. 1848) geboren. Er hatte einen Bruder, Samuel. Die Familie war sehr fromm und lebte nach altjüdischer Tradition.

Moses Schragenheim wohnte seit 1873 in Bremen, um hier eine Filiale der Getreidefirma Schragenheim und Söhne mit Hauptsitz in Verden aufzubauen. Der Geschäftsverlauf unterlag jedoch den extremen Schwankungen der Getreidepreise an der Produktenbörse, da Anleger Spekulationsgewinne zu erzielen suchten. Aufgrund hoher Verluste musste die Firma aufgegeben werden. Moses Schragenheim begann daraufhin einen Handel mit Baumaterialien, und es gelang ihm, im Laufe der Jahre ein gutgehendes Geschäft aufzubauen. Außerdem kaufte er eine ganze Reihe von Grundstücken, so auch den Lagerplatz für Firmenmaterial mit Gleis- und Schiffsanschluss in Bremen-Woltmershausen. Ein Teilhaber trat in die Firma ein, die 1924 in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt wurde und seitdem unter „Schragenheim & Weitendorf“ firmierte.

Schragenheims Sohn Elias hatte nach Besuch der Volksschule, Abschluss am Alten Gymnasium in Bremen und Examen (Bauingenieur) begonnen, als Mitinhaber in der Firma Schragenheim & Weitendorf zu arbeiten; der entsprechende Eintrag in das Handelsregister erfolgte am 8.4.1921. Nach dem Tod von Moses Schragenheim am 7.5.1926 war dessen Ehefrau Therese zwar Erbin, aber Elias Schragenheim führte die Firma als Geschäftsführer gemeinsam mit dem Sozius Hugo Weitendorf weiter. Die Firma war angesehen und erfolgreich. Sie residierte im Haus Kreftingstraße 1, das sein Vater erbauen ließ. Im Haus befanden sich neben den Büroräumen der Firma Räumlichkeiten für werktägliche Gottesdienste sowie zwei Privatwohnungen.

Am 9.4.1904 heirateten Elias Schragenheim und Therese Markreich (geboren 17.5.1883 in Weener/Ostfriesland). Ihre Wohnanschrift lautete ab März 1915 Hemelinger Straße 10a. Das Ehepaar wohnte in der Zeit vom 31.1.1934 bis zum 4.6.1935 in dem familieneigenen Haus Kreftingstraße 1, zog dann aber in eine Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung am Sielwall 10 um. Die beiden waren sehr wohlhabend und gesellschaftlich sehr angesehen.

Ihre Ehe blieb kinderlos, doch kümmerten sie sich sehr um ihren Neffen Ernst Schragenheim (geb. 23.8.1912 in Chiahuahua/Mexiko). Dessen Vater Samuel hatte Medizin studiert und praktizierte u.a. in Mexiko, von wo aus er sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs freiwillig zum Kriegsdienst nach Deutschland meldete. Er starb im Dezember 1918 im Militärlazarett Heidelberg an Malaria. Samuel Schragenheims Ehefrau Henny Goldschmidt (geb. 1888) kam aus Geisa an der Rhön; sie entzog sich 1942 der bevorstehenden Deportation durch Selbstmord.Therese Schragenheim - die Mutter von Elias und Samuel - verstarb am 23.12.1933; ihr Erbe ging an Elias und Ernst Schragenheim.

Elias Schragenheim und insbesondere seine Frau waren sehr aktiv in der Israelitischen Gemeinde Bremen. Er war in der Moses-Schragenheim-Stiftung (Krankenpflege) und als Vorsitzender der Zionistischen Vereinigung für Deutschland, Ortsgruppe Bremen, tätig. Sie gehörte dem Vorstand des Israelitischen Frauenvereins an und kümmerte sich intensiv um die Kranken und Bedürftigen in der Gemeinde. Außerdem beteiligte sie sich als Verwaltungsrätin ehrenamtlich am Aufbau und Betrieb des Jüdischen Altersheims in der Gröpelinger Heerstraße 167. In einer Würdigung durch den ehemaligen Gemeinderabbiner Dr. Felix Aber wurde ihr bescheinigt: „Sie lebte als aufrechte Jüdin, als hilfsbereite Frau und als treugesinnte Bürgerin von Bremen.“

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und dem Boykott jüdischer Geschäfte gingen die Gewinne der Firma „Schragenheim und Weitendorf“ stark zurück. Am 19.2.1934 schied Elias Schragenheim als Teilhaber aus; alleiniger Geschäftsführer blieb Hugo Weitendorf. Die gemeinsam geführte Firma erlosch laut Handelsregistereintrag am 28.3.1934; Elias Schragenheim wurde als Liquidator eingesetzt. Auf der Einwohnermeldekarte wurde sein Beruf (ohne Datumszusatz) mit Privatmann eingetragen. Nach Kriegsende klagte sein früherer Teilhaber wegen Geschäftsschädigung auf Schadenersatz, weil er Elias Schragenheim als Angestellten mit einem Monatslohn von 300 RM bis zum 31.12.1938 weiterbeschäftigt habe. Potentielle Kunden hätten geargwöhnt, es handele sich um eine „verkappte Judenfirma“. Der Umsatz sei um 50 Prozent zurückgegangen. Die Entschädigungsakten enthalten zu dieser Behauptung keine weiteren Unterlagen. Das Ergebnis einer Klage ist unbekannt.

Im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurde Elias Schragenheim verhaftet, die Wohnung am Sielwall 10 geplündert. Das Grundstück Kreftingstraße 1 wurde am 5.12.1938, das Grundstück in Woltmershausen am 23.12.1938 „arisiert“.

Das Ehepaar musste seine Wohnung aufgeben und am 26.8.1941 in das „Judenhaus“ Kohlhökerstraße 6 umziehen. Obwohl die Abgaben für eine Auswanderung bereits geleistet worden waren, kam diese nicht zustande. Der Grund dafür ist nicht bekannt. Der Neffe Ernst Schragenheim, dem 1935 die Auswanderung nach Palästina gelungen war, hat möglicherweise versucht, ein Visum für Tante und Onkel zu erhalten. Es ist außerdem belegt, dass sich Max Markreich, der Bruder von Therese Schragenheim, um ein Kuba- und/oder ein USA-Visum für seine Schwester bzw. seinen Schwager bemüht hatte. Ein ausführlicher Briefwechsel zwischen den Geschwistern von 1938 (dem Jahr der Auswanderung von Max Markreich) bis zur Deportation von Therese Schragenheim diente diesem später als historisches Material für die von ihm verfasste „Geschichte der Juden in Bremen und Umgebung“. Möglicherweise kamen die Visa zu spät in Bremen an.

Elias und Therese Schragenheim wurden am 18.11.1941 in das Ghetto Minsk deportiert. Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die im Juli 1942 begannen. Vier Tage vor ihrer Deportation - am 14.11.1941 - hatte die Oberfinanzdirektion Bremen 14.600 RM vom Sperrkonto der Schragenheims freigegeben „für Anschaffungen zum Zwecke der Evakuierung“. Dieser Betrag wurde dann wahrscheinlich verwendet, um bedürftigen, zur Deportation vorgesehenen Juden die pauschal genehmigte Mitnahme von RM 150 zu ermöglichen. Die von der Israelitischen Gemeinde Bremen für den Transport in das Ghetto Minsk gekauften Gemeinschaftsgüter wie Ausrüstungen für eine Schusterwerkstatt und eine Zahnarztpraxis konnten damit finanziert werden. Diese Ausrüstungsgegenstände kamen im Ghetto Minsk jedoch niemals an.

Barbara Ebeling (2016)

Informationsquellen:
Handelsregisterakte, Amtliche Bekanntmachungen 1934
StA Bremen 4,54-E4154, 4,54-E4808, 4,54-Rü 5645, 4,54-Ra 507, 4,54-Ra 507/24, 4,75/5 Handelsregister betr. GmbH Schragenheim & Weitendorf, Einwohnermeldekartei

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag "Judenhäuser"