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Hermann Böse, *1870

verhaftet 1942 Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel
tot 17.7.1943 an Haftfolgen


Besselstr. 21
Bremen-Östliche Vorstadt

Hermann Böse

Hermann Böse

Hermann Böse, geboren am 4.5.1870 in Hemelingen, entstammte einer Lehrerfamilie aus der Nähe von Verden. Er wuchs unter acht Kindern auf. Der Vater Johann (1843 - 1896) war Hauptlehrer im damals noch preußischen Hemelingen. Die Mutter Anna Marie war eine geborene Brinkmann (1840 -1899).

Von 1887 bis 1890 besuchte Hermann Böse das Lehrerseminar in Bederkesa; sein Interesse galt insbesondere der Musik. Nach dem Examen folgte eine Ausbildung zum Taubstummenlehrer in Stade. Ab 1892 lehrte er an Taubstummenanstalten in Osnabrück, Hildesheim und ab 1897 in Bremen. Am 2.6.1900 heiratete er Margarethe („Gretchen“) Schierloh (23.3.1879 - 27.8.1971). Aus der Verbindung stammten die Söhne Hans und Detlev.

Die öffentliche Wirkung von Hermann Böse bestand gleichermaßen in musisch-kulturellen Aktivitäten wie im politischen Engagement. Am 1.4.1907 ging er als Lehrer an das Realgymnasium, wo er 1924 in die gehobene Gesanglehrerstelle befördert wurde (heute Hermann-Böse-Gymnasium). Während 26 Jahren hat er an dieser Schule „in ausgezeichneter Weise dem Gedanken einer umfassenden Musikerziehung gedient“.

1894 begann sein „Weg zum Sozialismus, der ihm schließlich Sinn und Aufgabe seines ganzen Lebens wurde“. Im gleichen Jahr trat er in die SPD ein und wirkte ab etwa 1900 in der Arbeiterbildungsbewegung. Er sah wesentliche Bildungsmöglichkeiten durch die Musik. So gründete er Anfang 1905 den Arbeitergesangverein „Bremen“, den er bis 1926 als Dirigent leitete. Im Lauf der Zeit kamen ein Frauen- und ein Kinderchor hinzu. Während des Ersten Weltkriegs (1914-1918) trat Hermann Böse aus der SPD aus, weil er den Krieg ablehnte und daran mitarbeiten wollte, auf andere Weise an gesellschaftlichen Veränderungen mitzuwirken. 1918 trat er in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ein und arbeitete als stellvertretender Vorsitzender im „Ausschuss für Bildungswesen“ des Arbeiter- und Soldatenrates.

Die Ehepaare Böse und (Heinrich) Vogeler aus Worpswede wurden gute Freunde; sie teilten nicht nur die Interessen für Kunst, sondern sie verband auch die kommunistische Überzeugung. Während der Räteherrschaft in Bremen vom November 1918 bis Februar 1919 leitete Hermann Böse das Volkskommissariat für Schul- und Bildungswesen und engagierte sich für die Mitbestimmung von Schülern. Als Spitzenkandidat der KPD zog er am 9.3.1919 in die Bremische Nationalversammlung ein, stellte aber 1920 „wegen Meinungsdifferenzen“ seine parteipolitischen Aktivitäten ein. Im selben Jahr begann er wieder im Schuldienst zu arbeiten, nachdem er den Eid auf die Reichsverfassung abgelegt hatte. 1924 zog er in die Besselstraße 21.

Hermann Böse war nicht nur ein glänzender Organisator, sondern durch unorthodoxen Unterricht und intensive Betreuung vermochte er auch seine Schüler zu begeistern. Er war nicht nur Lehrer und Dirigent, sondern gab selbst Klavier- und Orgelkonzerte, betätigte sich als Liederdichter und Komponist. Von besonderer Tragweite erwies sich das von Böse herausgegebene Liederbuch „Das Volkslied. Für Heim und Wanderung“. Im Ersten Weltkrieg hatte es die Oberste Heeresleitung in 20 000 Exemplaren in den Schützengräben verteilen lassen. 1923 reichte die 2. Auflage im Arbeiterjugend-Verlag Berlin an die 55. bis 74. Tausend heran. Im Mittelpunkt der Liedersammlung steht das romantische, volkstümliche Lied, wie es auch von der Jugendmusikbewegung gesun- gen wurde. In ihm wird von Jugend und Liebe, Natur und Wandern, Handwerkern und Jägern gesungen, auch Balladen, Heiteres, Scherz und Spott. Nicht von ungefähr wird die Sammlung eröffnet mit einem Lied von Friedrich Silcher:„Ach du klarblauer Himmel, und wie schön bist du heut! Möcht ans Herz gleich dich drücken vor Jubel und Freud...“. Aber enthalten ist auch, und das macht das Besondere an Böses Liedersammlung aus, ein Kapitel mit Arbeiter- und Freiheitsliedern: u.a. eine deutsche Version der Marseillaise (Auf, Freunde, lasst das Lied erklingen, das Frühlingslied der neuen Zeit!); Brüder zur Sonne, zur Freiheit; Die Gedanken sind frei; diverse Freiheitslieder, auch die Internationale (Wacht auf, Verdammte dieser Erde).

Böse bekannte sich grundsätzlich zu einem sozialistischen Radikalismus und nach 1918 zum Kommunismus. Aber er hat „sein Lehramt niemals in solchem Sinn missbraucht“, wie sein ehemaliger Schulleiter 1935 ausführte. Er war „ein stiller Mann, dessen Güte und menschliche Haltung in gleicher Weise wie seine verdienstvolle Leistung amtlicherseits oft gerühmt wurden. Er war der Romantiker unter seinen Bremer Gesinnungsgenossen ...“.

In den Jahren von 1919 bis 1933 musste er wegen seiner angegriffenen Gesundheit häufiger monatelang den Schulunterricht aussetzen. Aus einem Schreiben vom 23.3.1933 an den Schulleiter geht hervor, dass er aus gesundheitlichen Gründen weder den Schulunterricht noch seine Tätigkeit als Leiter des Schulchores bzw. -orchesters fortsetzen konnte. So wurde er in den Ruhestand versetzt.

1933 wurde der – inzwischen der KPD nahe stehende – Arbeitergesangverein aufgelöst. Hermann Böse, dessen Lehrerpension wegen seiner KPD-Mitgliedschaft erheblich gekürzt worden war, musste seinen Lebensunterhalt durch privaten Musikunterricht verdienen.

1942 trat eine kommunistische Widerstandsgruppe aus Hamburg in Kontakt zu Böse. Die Gruppe wurde zerschlagen und Böse am 24.11.1942 von der Gestapo verhaftet. Er wurde in das Polizeigefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel eingeliefert. Diese Strafanstalt war im September 1933 als KZ eingerichtet und 1936 in „Polizeigefängnis“ umbenannt worden, im allgemeinen Sprachgebrauch wurde sie weiterhin „Kola-Fu“ genannt (abgekürzt aus: Konzentrationslager Fuhlsbüttel). Im „Kola-Fu“ herrschte ein Regime des Terrors. Willkürliche Misshandlungen und Schikanen waren alltäglich. Innerhalb kürzester Zeit wurde es zu einem Inbegriff für Grauen, Leiden und Sterben. Bis zur Befreiung im Mai 1945 kamen über 250 Frauen und Männer ums Leben – sie starben an den Folgen der Misshandlungen, wurden ermordet oder in den Tod getrieben. Es war eine der berüchtigten Terrorstätten im nationalsozialistischen Deutschland. In das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel eingeliefert zu werden, bedeutete intendierten Mord.

Hermann Böse dürfte körperlich schwer misshandelt worden sein und muss unglaublich gelitten haben. Er war schwer herzkrank, aber, wie sein Hausarzt nach Kriegsende an Eides statt versicherte, „er hätte, wenn er nicht in Haft gekommen wäre, seines Herzens wegen noch viele Jahre leben können.“ Wegen völliger Entkräftigung und Krankheit wurde er vorzeitig, d. h. bevor er vor Gericht gestellt werden konnte, auf Empfehlung des Anstaltsarztes nach Hause entlassen. Drei Tage später, am 17.7.1943, war er tot. Er starb in Bremen an den Folgen der Haft.

Am 17.5.1947 wurde auf Antrag der kommunistischen Fraktion der Bürgerschaft die an der Schule vorbeiführende Kaiser-Friedrich-Straße in Hermann-Böse-Straße umbenannt. Seit 2005 trägt die Schule offiziell den Namen Hermann-Böse-Gymnasium. Am 7.6.2012 wurde ihm vor „seiner“ Schule ein Stolperstein gesetzt.

Karlheinz Koke/Barbara Ebeling/Günter Kleinen (2016)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E 382; PA 4.1/4 - 97

Abbildungsnachweis: Staatsarchiv Bremen

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Politisch Verfolgte