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Robert Stampa (Robert Dorsay), *1904

VERHAFTET 1943/„WEHRKRAFTZERSETZUNG“/VERURTEILT 8.10.1943
HINGERICHTET 29.10.1943, BERLIN-PLÖTZENSEE


Wulwesstraße 15
Bremen-Mitte

Robert Stampa (Robert Dorsay)

Robert Stampa (Robert Dorsay)
geb. 16.8.1904

Paul Ferdinand Theodor Robert Stampa wurde in Bremen geboren. Er blieb der einzige Sohn des Opernsängers Paul und der Sopranistin Dora Stampa, geborene Weiss. Das Schauspielerehepaar Stampa war in der Gastspielzeit 1904(05 am Tivolitheater in Bremen engagiert und wohnte in der Wulwesstraße 15. Dora Weiss trug den Künstlernamen Dorsay, den ihr Sohn später übernahm.

Nach dem Engagement in Bremen zog das Ehepaar Stampa-Dorsay über Kissingen nach Würzburg. 1912 trennte sich das Paar. Dora Dorsay ging 1916 als Sängerin nach Wien. Paul heiratete im Mai 1918 in Halle eine Helene Alke aus Hattorf im Kreis Osterode im Harz.

Robert Stampa selbst stand Ende der 1920er-Jahre erstmals auf der Bühne. Am Theater am Gärtnerplatz in München trat er als 1928 als Sänger und Balletttänzer auf. Ab 1934 gehörte er zum Ensemble des Berliner „Kabaretts der Komiker“ am Kurfürstendamm und wirkte in vielen Filmen mit, u.a. mit Gustaf Grundgens, Zarah Leander, Theo Lingen, Margit Symo (Mutter der Tatortschauspielerin Eva Mattes) oder Anny Ondra.

Robert Dorsay, wie er sich nun nannte, versuchte, sich mit dem Regime zu arrangieren; so trat er am 1.8.1932 der NSDAP bei. Andererseits blieb er auf komödiantischer Distanz und äußerte sich auch in der Öffentlichkeit gegenüber Freunden mit Hitlerwitzen und -imitationen. Am 1.9.1933 wurde er wegen rückständiger Beitragszahlungen aus der Partei ausgeschlossen. Dorsay selbst war der Partei trotz des Werbens von Reichskulturkammer-Geschäftsführer Hans Hinkel nicht wieder beigetreten. Dennoch konnte er bis Anfang der 40er Jahre auftreten und war ordnungsgemäß in der Reichskulturkammer gemeldet. Gleichwohl sollte Dorsays Haltung berufliche Konsequenzen haben, denn ab 1939 wurden seine Filmengagements eingestellt.

So sah er sich gezwungen, 1942 mit seiner Ehefrau, der Schauspielerin Louise Mentges, die er am 25. April 1939 geheiratet hatte, im Rahmen der KdF-Truppenbetreuung in Deutschland, Frankreich und Belgien aufzutreten.

Im Juni 1942 wurde Robert Dorsay zur Wehrmacht eingezogen; er leistete Dienst in einer Kraftfahrerkompanie in Osterode in Ostpreußen. Ende Mai 1942 beantragte Robert Dorsay für die Aufführung des Stückes Das Schustermädel Arbeitsurlaub. Dieser Antrag wurde am 15.1.1943 endgültig abschlägig beschieden. Dorsay hatte sich in der Vergangenheit wiederholt negativ gegenüber Kollegen und Kolleginnen zu seiner Wehrmachtszeit geäußert: "Die Schweine haben mich als Soldat eingezogen, aber ich bin Schauspieler und kein Soldat." Als er nun keine Hoffnung hatte, wieder in seinem Beruf zu arbeiten, wandte er sich in einem langen, ironischen Brief an seinen Freund Eddy Haase in Berlin, in dem er u.a. schrieb: "Wann ist endlich Schluss mit dieser Idiotie. Idiotie. Anders kann man es schon gar nicht bezeichnen... Nun sind schon 14 Tage vergangen, wo ich hier wieder diese Scheiße mitmachen muß. (...) Eigentlich ärgere ich mich darüber, daß ich unserem geliebten Führer beim Endkampf nicht helfen kann, zu dumm. Ich hätte so gern mein Leben eingesetzt für die herrliche Idee der NSDAP. (...) Die ganze Angelegenheit wird immer lächerlicher.“

Sobald er den Brief beendet habe, schrieb er, mache er sich „eine schöne Stulle mit Adolf-Hitler-Gedächtnis- Crem (Kunsthonig)“ und lege sich „ins Bettchen, denke an schöne Stunden in Berlin und lasse (...) einen kräftigen Kommisbrotforz fliegen und scheiße auf die ganze Monarchie.“

Der Brief wurde "von der Post aus irgendeinem technischen Grunde geöffnet" (Tagebucheintrag J. Goebbels vom 29.10.1943); es ist denkbar, dass der Brief wegen des fehlenden Absenders aufgefallen war; wahrscheinlicher erscheint laut der Aussage von Louise Dorsay aus dem Jahr 1978, dass Dorsays gesamte Korrespondenz gezielt kontrolliert wurde. Robert Dorsay wurde am 8.6.1943 in Osterode verhaftet; gegen ihn wurde Anklage wegen Wehrkraftzersetzung § 5 Kriegssonderstrafrechtsverordnung erhoben. Robert Dorsay wurde zunächst zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, die er im Zuchthaus Tegel verbüßte.

Reichspropagandaminister Goebbels verlangte allerdings eine harte Bestrafung. Das Urteil wurde vom Chef des Oberkommando der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Keitel aufgehoben. In einem neuen Verfahren wurde Robert Dorsay am 8.10.1943 zum Tode verurteilt, eine Begnadigung wurde abgelehnt, und so wurde Robert Dorsay am 29.10.1943 in Berlin-Plötzensee durch das Fallbeil hingerichtet.

"Das am 8.10.43 ergangene Todesurteil ist nach Bestätigung am 29.10.43 vollstreckt worden. Todesanzeigen oder Nachrufe in Zeitungen, Zeitschriften und dergl. sind verboten", so die knappe, bürokratische Nachricht, die Dorsays Frau Louise noch am selben Tag überreicht bekam. Das Parteiorgan der NSDAP, der Völkische Beobachter, berichtete im November 1943 über die "Hinrichtung eines Verräters".
Verfasser: Michael Berthold (2018)

Informationsquellen:
Stampa, Volkrat, Robert Dorsay - Es ging um sein Leben, Bremen 2016
Der Mann, der wegen eines Witzes sterben musste, in: https://www.stern.de/politik/deutschland/robert-dorsay--der-mann--der-wegen-eines-witzes-sterben-musste-8197556.html; letzter Zugriff: 28.8.2018
Denn, Thomas, Ein Brief wurde ihm zum Verhängnis, in: https://www.weser-kurier.de/bremen/stadtteile/stadtteile-bremen-west_artikel,-Ein-Brief-wurde-ihm-zum-Verhaengnis-_arid,1538337.html; letzter Zugriff: 28.8.2018
Häfermann, Anna, Wenn ist endlich Schluss mit dieser Idiotie", in: www.bremen-history.de, Zugriff: 30.3.2017
Jüllig, Carola, Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KDF), in: Deutsches Historisches Museum, Berlin 2015; https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ns-organisationen/kraft-durch-freude.html, letzter Zugriff 28.8.2018
Kopp, Roland, Dr., Das Kriegsgerichtsverfahren gegen Robert Dorsay im Jahr 1943, in: Stampa, Volkrat, a.a.O.

Abbildungsnachweis: Landesarchiv Baden-Württemberg Abt. Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 016253a Bild 1