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Ladislaus Rosik, *1886

VERHAFTET / VERURTEILT 1944 "FEINDBEGÜNSTIGUNG", ZUCHTHAUS BRANDENBURG, HINGERICHTET 27.11.1944


Wilhelm-Wolters-Straße 73
Bremen-Hemelingen

Verlegedatum: 30.09.2021

Ladislaus Rosik


Ladislaus (genannt Walter) Rosik wurde am 11.6.1886 in Ostrowo im Warthegau (damals preußisch, heute polnisch) geboren, nicht weit von der Großstadt Posen/Posznan entfernt. Seine Eltern waren der Eisenbahner Peter Rosik und Maria, geb. Wordnicziak. Er war das zweite von drei Kindern. Nach dem Tod des Vaters zog die Mutter nach Stendal, wo Walter auch die Schule besuchte und das Handwerk des Kunststeinfacharbeiters erlernte. Über Salzwedel kam er 1910 nach Bremen. Er arbeitete 1912/13 als polnischer Dolmetscher beim Norddeutschen Lloyd, leistete von 1914 bis 1918 seinen Militär- und Kriegsdienst.

Rosik arbeitete danach nicht nur in seinem gelernten Beruf als Terrazzoleger in verschiedenen Bremer Firmen (war Mitglied des Bau-Gewerkschaftsbundes). Während des Zweiten Weltkrieges war er auch als Gefängnis-Hilfsaufseher tätig und fand schließlich Arbeit als Wachmann bei den Focke-Wulf-Werken/Weser-Flugzeugbau – zunächst in Oslebshausen, dann in Hastedt.

Rosik war in dritter Ehe verheiratet mit Maria Carolina, geboren 1903 als Tochter von Johanna Lindemann. Sie heirateten 1932 und bekamen noch zwei Kinder (Ruth, geboren 1932, und Siegfried, geboren 1935). Als kinderreiche Familie konnte sie 1935 ein Haus der Siedlungsgemeinschaft „Neuland“ in der Wilhelm-Wolters-Straße 73 beziehen. Rosiks Ehefrau starb am 26.2.1944, seine verwitwete Tochter führte danach den Haushalt dort.

Die Staatsanwaltschaft erhob am 12.8.1944 Anklage gegen Walter Rosik, am 25.9.1944 verurteilte ihn der Volksgerichtshof in Berlin zum Tode. Er wurde beschuldigt, als Werkschutzmann bei den Focke-Wulf-Werken polnische Zwangsarbeiter im Frühjahr 1944 zum Abhören polnischsprachiger Sendungen des englischen Rundfunks veranlasst zu haben. Außerdem habe er „unter schwerer Beschimpfung des Führers üble Hetzparolen im Lager der polnischen Arbeiter verbreitet“ und sei somit als „Propagandist unserer Feinde“ aufgetreten, was als „Feindbegünstigung“ mit dem Tod und dem Verlust der Ehrenrechte für immer bestraft werden müsse. „Das von Rosik benutzte Rundfunkgerät wird eingezogen“, heißt es im Urteil abschließend.

Die polnischen Arbeiter wohnten in einem Lagergebäude im Quintschlag 99. Aufgrund seiner polnischen Sprachkenntnisse hatte Rosik zu ihnen leicht Zugang gefunden. Er besuchte sie in ihrer Unterkunft und lud einige zu sich nach Hause ein, wo man u.a. auch zusammen Radio hörte, „Feindsender“. Rosiks Kontakte und seine kritische Haltung waren dem Vorarbeiter bekannt, der ihn ermahnte und schließlich der Gestapo Bericht erstattete. Am 26. Mai wurde Rosik durch SS-Oberscharführer Kerginski festgenommen, sein Haus – ohne Ergebnis – durchsucht. Am 30. Mai führte Kerginski ein Verhör durch, am 1. Juni erfolgten Gegenüberstellungen mit den polnischen Arbeitern. Trotz teilweise freundschaftlicher Beziehungen bestätigten sie die Vorwürfe. Rosik verteidigte sich damit, dass er im Rahmen seiner Aufgaben als Wachschutzmann die Zuverlässigkeit der Polen habe prüfen müssen. In seinem Schlussbericht vom 15.6.1944 bezeichnete Kerginski Rosik als nicht glaubwürdig und kam zu dem Schluss, dass es sich bei Rosik „um einen ganz üblen gemeinen Verbrecher schlimmster Sorte handele, den die ganze Schärfe des Gesetzes treffen“ müsse.

Rosik wurde nach seiner vorläufigen Festnahme („Schutzhaft“) zunächst ins Gefangenenhaus Ostertorwache eingeliefert. Dort besuchte ihn sein Sohn Georg während eines Wehrmachtsurlaubs und versuchte bei der Gestapo vergeblich, die Freilassung seines Vaters zu bewirken. Stattdessen erhielt er die Auskunft: „Jetzt ist Ihr Vater politisch sehr unsicher, Sie müssen sich auf das Schlimmste vorbereiten.“ Tatsächlich wird Rosik in Untersuchungshaft genommen (Gefangenenbuch Nr. 275 44/45, Zelle 84), und am 14.9. vom Vorsitzenden des 1. Senats des Volksgerichtshofs die sofortige Überführung (Einzeltransport) in die Untersuchungshaftanstalt Berlin-Moabit angeordnet. Die Hauptverhandlung findet am 25.9.1944 statt. In der Urteilsbegründung (ausgefertigt am 7.10.44) wird Rosik bezeichnet als „überaus gefährlicher Feindpropagandist. Bei einem solchen Hetzer und Reichsfeind kam zur Sühne der schweren Schuld und um der Sicherheit unseres Reiches Willen allein die Todesstrafe in Betracht“.

In den Listen des Zuchthauses Brandenburg-Görden findet sich Rosiks Name mit dem Vermerk, dass er am Freitag, 6.10.1944, um 11.15 Uhr aus Berlin-Moabit überstellt worden sei. Das Gefangenenbuch registriert ihn unter der Nummer 2285/44. Rosik beginnt nun einen verzweifelten Kampf um sein Leben. Er reicht mehrere Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein, die alle zurückgewiesen werden, u.a. weil sie „nicht die gesetzlich vorgeschriebene Form“ einhielten. Rosik schreibt nun Gnadengesuche. Der Hinweis, dass die vier Söhne „im Felde stehen“ oder unmündige Kinder versorgt werden müssten, dass er seine Schuld bekenne und „um Gnade und Erbarmen“ bitte, erweicht die Richter ebenso wenig wie das Gnadengesuch der Tochter: „Wir Kinder können uns nicht vorstellen, dass unser Vater sich so vergangen haben soll, dass dieses nur mit dem Tode gesühnt werden kann.“ Am 14.11. heißt es in einem erneuten Gnadengesuch Rosiks: „Ich bitte dich, mein Führer sei mir gnädig, erbarme dich meiner und vergib mir meine Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern und führe uns nicht in Versuchung […] Führer, ich glaube an dich, Führer ich hoffe auf dich […].“

Am 27.11.1944 wird Rosik um 11 Uhr mitgeteilt, dass er um 12.30 Uhr hingerichtet werde. Das Protokoll der Hinrichtung vermerkt, dass der „Verurteilte sich während der Verkündigung ruhig und gefaßt“ verhalten habe. Die Hinrichtungsliste des Zuchthauses Brandenburg führt Rosik unter der „Lfd.Nr.8324/Rgstr.Nr.3118“ und nennt als Todeszeitpunkt 13.18 Uhr. Die Gemeinde Brandenburg gab an, dass seine sterblichen Überreste im Grab B 33-3 beim Städtischen Krematorium beigesetzt worden seien.

In den Verfahren zur Entschädigung verweigerten die Behörden den Angehörigen den Status als politisch Verfolgter, da Rosik seine Tat erst zu einem Zeitpunkt begangen habe, als das Dritte Reich schon am Zusammenbrechen gewesen sei. Außerdem habe er nur aus persönlichen Motiven gehandelt, da er sich als Polnischstämmiger nur aus Sympathie mit den polnischen Zwangsarbeitern engagiert habe und somit kein politischer Kämpfer und Überzeugungstäter gewesen sei, zumal sein persönlicher Lebenswandel („sein ganzes bisheriges Vorleben“) „mit ausschlaggebend gewesen sei für seine Aburteilung“. Selbst dem Entschädigungsantrag, für das konfiszierte Radio (Saba 521 WL Nr. 1256 E), das Rosik nachweislich beim Elektrogeschäft Wienken 1935 in der Wilhelm-Wolters-Straße für 395 RM erworben hatte, wurde nicht stattgegeben.

Franz Dwertmann (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E4115; Einwohnermeldekartei
Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde R/3018/3727
ITS Arolsen Archives
Ansorg, Leonore: Politische Häftlinge im nationalsozialistischen Strafvollzug: Das Zuchthaus Brandenburg-Görden, Brandenburg 2015
Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten – Datenbank

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Politisch Verfolgte