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Bernhard Rauch, *1911

IM WIDERSTAND / KPD, VERHAFTET / VERURTEILT 1942 "HOCHVERRAT UND FEINDBEGÜNSTIGUNG", ZUCHTHAUS BRANDENBURG, ERMORDET 20.1.1944


Alter Postweg 211
Bremen-Hemelingen

Verlegedatum: 30.09.2021

Bernhard Rauch


Bernhard Arnold Rauch wurde am 8.7.1911 in Bremen geboren und evangelisch getauft. Seine Eltern waren Heinrich Rauch, Jahrgang 1889, und Maria, geb. Wedlich, Jahrgang 1893. Vom
6. bis zum 14. Lebensjahr besuchte er die Volksschule in Bremen-Hastedt und erlernte danach den Beruf eines Drehers und Tischlers. 1936/37 arbeitete er als Kranführer und Brückenbauer, von 1937 bis 1942 als Dreher bei den Lloyd Dynamo-Werken in Bremen-Hastedt, Osterdeich 250. Im Akkord konnte er dort 65 Reichsmark/Woche verdienen.

Am 21.10.1933 heiratete Bernhard Rauch Sophie Adele Meyer, geboren am 15.1.1911 in Hemelingen. Deren Eltern waren Heinrich Meyer und Meta, geb. Gerdes. Sophie und Bernhard Rauch bekamen drei Kinder: Heinz (geb. 1935), Günter (geb. 1937), Ingrid (geb. 1943). Von 1933 bis 1935 wohnte die Familie in der Inselstraße in Hastedt und ab 1935 am Alten Postweg 211 im Haus von Bernhard Rauchs Eltern. Bernhards Vater Heinrich hatte es dafür ausgebaut. Als sie am Kriegsende ausgebombt wurden, zog Sophie Rauch mit den Kindern in die Feldstraße.

In den Entschädigungsakten heißt es, Bernhard Rauch sei in der KPD organisiert gewesen. Er war kein Funktionär, sondern habe sich im KPD-Jungsturm, im Roten Kampfbund und im Sportverein „Roter Sport Sparta“ als Jugendleiter Fußball sowie im Arbeiter-Gesangverein als Kassierer betätigt. Frühere Bekannte und Genossen sagten aus, er habe eine „gute antifaschistische Haltung“ gehabt und sich nach 1933 rege an der illegalen Arbeit beteiligt.

Am 16.10.1942 wurde Bernhard Rauch verhaftet. Über seine Denunzierung und Verhaftung gibt es unterschiedliche Darstellungen. In den Entschädigungsverhandlungen sagten Rauchs Ehefrau und weitere Zeugen aus, dass er sich eine Woche zuvor mit drei anderen namentlich genannten Männern in der Gastwirtschaft Käse (Poststraße 40, heute Ahlringstraße) aufgehalten und ein Flugblatt gezeigt habe, das von einem englischen Flugzeug abgeworfen worden sei. Er habe das Flugblatt auch einem holländischen Arbeiter ausgehändigt. Die Gestapo sei von einem der drei Männer informiert worden. Der Gestapo-Beamte Liedke aus der nicht weit entfernten Zeppelinstraße habe Rauch verhaftet.

Aus den Prozessakten des Volksgerichtshofes ergibt sich ein anderer Ablauf: Danach hat Rauch das schon im September gefundene Flugblatt in der Gastwirtschaft Heere (Alter Postweg 173) dem niederländischen Staatsbürger Johannes Meeuwsen gegeben, der es wiederum in einer Gruppe von anderen Niederländern in der Gastwirtschaft Käse und im Betrieb verbreitet habe, bis der Polier es entdeckte. Meeuwsen, der Rauch nicht persönlich kannte, ihn aber in der Wirtschaft Käse häufiger gesehen hatte, identifizierte diesen schließlich im Rahmen der peniblen Recherchearbeit des „Kriminal-Ass.-Anw.“ Leker. In dessen Befragungen wurde Rauchs „deutschfeindliche“ Gesinnung bezeugt, was schließlich zu seiner Verurteilung zum Tode „wegen landesverräterischer Feindbegünstigung in Verbindung mit Vorbereitung zum Hochverrat“ führte.

Rauch wurde in das Gefangenenhaus Ostertorwache gebracht und blieb bis Dezember 1942 in Bremer Haft, bevor man ihn ins Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit (Gef.Buch 4601/42) überstellte. Von dort kam er im Januar 1943 in das Strafgefängnis Plötzensee („Haus III, 5/218“). Am 8.1.1943 wurde sein Fall vor dem 2. Senat des Volksgerichtshofes verhandelt. Die Begründung für das Todesurteil war, dass er „mit ausländischen Arbeitern diskutiert und das III. Reich und den Krieg angegriffen“ habe. Gleichzeitig wurde Johannes Meeuwsen zum Tode verurteilt.

Vom Zuchthaus Plötzensee wurde Rauch am 24.9.1943 (21 Uhr) ins Zuchthaus Brandenburg/Görden verlegt. Dort saß auch der spätere DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker von 1937 bis 1945 ein – ebenso wie der spätere DDR-Regimekritiker Robert Havemann von 1943 bis 1945. Über 2.000 Männer wurden in Brandenburg-Görden zwischen 1940 und 1945 hingerichtet.

Sophie Rauch besuchte ihren Mann mehrere Male in Berlin und durfte ihn jeweils 10 Minuten sehen. Sie berichtet, dass er von Rheumatismus, Unterernährung, Strapazen und Misshandlungen gekennzeichnet gewesen war, obwohl er vor der Haft kerngesund gewesen sei. Sie beantragte am 1.2.1943 mit Erfolg seine Begnadigung. Die im September 1943 gewährte Reduzierung der Strafe auf 10 Jahre Zuchthaus wurde nicht wirksam: Rauch starb schon am 20.1.1944, lt. Gerichtsakte an „Knochen-Tuberkulose“. Als Todeszeit wird neun Uhr morgens angegeben. Die Hinrichtungsopfer – wie auch Rauch – wurden im Städtischen Krematorium, das sich im Stadtzentrum von Brandenburg befand, eingeäschert, die sterblichen Überreste auf dem Friedhof Marienberg ganz in der Nähe beigesetzt. Die Einäscherungskosten von 240 Reichsmark wurden Sophie Rauch von der Strafanstalt Brandenburg in Rechnung gestellt.

Nach dem Krieg musste sie um die Anerkennung ihres Mannes als politisch Verfolgter – also auch um Unterstützung und Entschädigungen kämpfen: Dabei musste sie sich mit Vorwürfen über ihr familiäres Leben auseinandersetzen – so war sie während der Haft ihres Mannes von Nazi-Nachbarn angefeindet, sogar angespuckt worden. Sie starb 1999.

Franz Dwertmann (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E391; Einwohnermeldekartei
Ansorg, Leonore: Politische Häftlinge im nationalsozialistischen Strafvollzug: Das Zuchthaus Brandenburg-Görden, Brandenburg 2015
Gedenkstätten Brandenburg an der Havel/Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
Datenbank ITS Arolsen Archives;
Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde R/3017/5698

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Politisch Verfolgte