Sie befinden sich hier | Kapitelüberschrift  Stolpersteine Biografie
Schriftgroesse verkleinern Schriftgroesse normal Schriftgroesse vergrössern
Diese Seite ausdrucken

Johann Heere, *1905

ZEUGE JEHOVAS, KRIEGSDIENST VERWEIGERT, VERHAFTET 1940, NERVENKLINIK 1941, VERURTEILT 1941, ZUCHTHAUS BRANDENBURG, HINGERICHTET 19.7.1941


Hahnenstraße 37
Bremen-Hemelingen

Verlegedatum: 30.09.2021

Johann Heere


Johann Heere wurde am 23.2.1905 in Hemelingen geboren. Seine Eltern waren Thomas
und Anna Heere. Er arbeitete als Kraftfahrer bei Borgward in Hemelingen. Am 14.6.1930
heiratete er die am 6.6.1908 geborene Dora Harms. Das Paar bekam drei Kinder: Marga-
rete (1930), Werner (1931) und Horst (1939).

Ab 1934 hatte Johann Heere begonnen, sich für die Zeugen Jehovas zu interessieren. Er
wurde nachdenklicher, verschlossener und fiel auch bei Borgward durch ein „verschro-
benes Wesen“ auf. Im Laufe des Jahres 1940 erhielt Johann Heere drei Einberufungsbe-
scheide, denen er allesamt nicht Folge leistete. So wurde er vom 17.12.1940 bis Januar
1941 im Gefangenenhaus Ostertorwache inhaftiert. Da es in seiner Familie zu psychi-
schen Erkrankungen gekommen war, untersuchte Dr. Rogal, Arzt beim Hauptgesund-
heitsamt Bremen, Johann Heere und überwies ihn zur weiteren Untersuchung in die
Nervenklinik Ellen (Januar bis April 1941). Die dortige Diagnose stellte „keinerlei Hinweis
auf das Bestehen einer geistigen Störung“ fest und hielt ihn für voll zurechnungsfähig.

Als der Fall an das Militärgericht abgegeben werden sollte, wandte sich der dortige
Untersuchungsrichter in einem Telefonat an Frau Wenke, die Sekretärin des Ellener
Direktors, mit der Bitte, „als Frau [...] auf H. einzuwirken, dass er seine Kriegsdienstver-
weigerung zurückzöge [da ja] Frau und Kinder schutzlos zurückbleiben würden“. Frau
Wenkes Bemühungen blieben allerdings ohne Erfolg. Heere betonte, dass der Schöpfer
sein Führer, er selbst kein Mörder sei, und auch keiner werden wolle. „Die Pflicht gegen
meinen Herrgott steht mir höher wie die Pflicht gegen die Familie.“ Johann Heere wurde
in Untersuchungshaft genommen und nach Berlin-Moabit überwiesen, zum Tode verur-
teilt und am 19.7.1941 durch Erschießen hingerichtet.

Die juristische Klärung des Wiedergutmachungsantrages der Ehefrau zog sich von 1950
bis 1955 hin. In diesem Verfahren wurden zahlreiche hochrangige Juristen und Militärs
als Zeugen herangezogen. Diese stellten heraus, dass Kriegsdienstverweigerung in vie-
len Ländern strafbar sei, und dass Johann Heere selbst nach dem Todesurteil noch die
Möglichkeit gehabt hätte, „Dienst ohne Waffe“, z.B. im Sanitätsdienst, zu leisten. Das Ge-
richt schloss sich dieser Argumentation an und sah keine Verfolgung durch den Staat;
das strafwürdige Verhalten Heeres sei allein seinem Glauben geschuldet und der sei hier
nicht verfolgt worden. Erst das Landgericht Bremen erkannte 1995 Johann Heere als
Verfolgten des NS-Regimes an und billigte seiner Frau Entschädigungsansprüche zu.

Michael Berthold (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E 1307; Einwohnermeldekarte