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Hertha Mendel, *1902

FLUCHT 1934 BELGIEN, INTERNIERT MECHELEN, DEPORTIERT 1944,
ERMORDET IN AUSCHWITZ


Franziusstraße 8
Bremen-Schwachhausen

Verlegedatum: 14.06.2022


Franziusstraße 8 - Weitere Stolpersteine:


Hertha Mendel

Hertha Mendel
Die Familie Mendel ließ sich um 1830 in Ovenstädt (Petershagen / Kreis Minden-Lübbecke) nieder. Der Nachfahre Hermann Mendel und seine Frau Rosalie (geborene Rothenberg) bekamen vier Kinder (Erich geb.1897, Erna geb. 1899, Alwin geb. 1901). Hertha war die jüngste, geboren am 9.10.1902. Nach dem frühen Tod seiner Frau 1905 heiratete Hermann Mendel ein zweites Mal. Dieser Ehe entsprangen drei Jungen (Herbert geb. 1908, Werner geb. 1910, Gerhard geb. 1914). Die große Familie lebte in Ovenstädt Nr. 58. Hermann Mendel führte erfolgreich ein Manufakturwarengeschäft. Um die Felder hinter dem Haus kümmerte sich die Familie.

Hertha Mendel verließ ihren Heimatort, kam am 6.2.1924 nach Bremen und fand eine Stelle als Haushaltshilfe bei der Familie Assenheimer in der Franziusstraße 8. Die Bindung zwischen Hertha Mendel und der Familie Assenheimer war so eng, dass man zehn Jahre später bei der Emigration aus Deutschland zusammenblieb. Am 11.10.1934 flüchtete Hertha Mendel mit ihrer Arbeitgeberin Rosette Assenheimer und deren 34-jährigen Sohn Adolf nach Antwerpen. Dort baute der älteste Sohn des Hauses sich seit Mai 1934 eine neue Existenz auf. Rosette Assenheimer starb 1935.

Bei den Brüdern Assenheimer trafen nach und nach viele aus der weitverzweigten Familie ein. In der Hoffnung die Älteren und Schwächeren unter ihnen sicher unterzubringen, mietete man mit Kriegsbeginn 1939 ein Haus in Nieuwpoort. Hertha Mendel ging mit dorthin und kümmerte sich um Adolf Assenheimer, von dem es hieß, er sei in der Entwicklung zurückgeblieben.

Nachdem Adolf Assenheimer zusammen mit seinem Bruder und anderen männlichen Familienmitgliedern im Mai 1940 von den deutschen Besatzern verhaftet und nach Südfrankreich deportiert wurde, verliert sich zunächst Hertha Mendels Spur. Es ist nicht auszuschließen, dass sie sich, zusammen mit den Frauen der Familie, zu Fuß auf die Flucht nach Frankreich begab, die mit Blick auf das brennende Dünkirchen scheiterte und dann mit ihnen nach Antwerpen zurückkehrte. Über Hertha Mendel wird noch heute in der Familie warm gesprochen, sie wurde mehr als Familienmitglied, denn als Angestellte gesehen.

Nachdem Adolf Assenheimer im Oktober 1940 zurück in Belgien war, kümmerte sich Hertha Mendel erneut um ihn. Die Familie erinnert sich an die Verhaftung von Adolf Assenheimer und Hertha Mendel im Sommer 1942. Wohin sie gebracht wurden ist nicht bekannt. Am 6.3.1944 wurden sie im Sammel- und Durchgangslager Mechelen registriert. Von dort wurden von Juli 1942 bis September 1944 Juden, Sinti und Roma aus Belgien in deutsche Vernichtungslager deportiert. Mit dem Transport XXIV am 4.4.1944 wurden Hertha Mendel und Adolf Assenheimer in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.

Herthas Halbbruder Werner war im gleichen Transport. Ihr Halbbruder Erich, der ebenfalls in Antwerpen lebte, wurde 1942 in Auschwitz ermordet. Von den sieben Geschwistern überlebten nur vier. Hertha Mendels Eltern wurden 1942 nach Theresienstadt und von dort nach Treblinka verschleppt und ermordet. Für sie gibt es seit 2011 Stolpersteine in Ovenstädt.

Verfasserin:
Kornelia Renemann (2022)

Informationsquellen:
Persönliche und schriftliche Erzählungen der Familie Assenheimer
https://beeldbank.kazernedossin.eu
www.books.google.de (Belgisch staatsblad 1953)
www.geni.com
www.ovenstaedt.de
https://yvng.yadvashem.org/: Transportliste v. 4.4.1944 Mechelen-Auschwitz

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Malines / Mechelen