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Anna Grünberg, geb. Bienheim, *1897

DEPORTIERT 1941 GHETTO MINSK
ERMORDET


Rüdesheimer Straße 21
Bremen-Neustadt

Verlegedatum: 09.10.2023


Rüdesheimer Straße 21 - Weitere Stolpersteine:


Anna Grünberg

Anna Grünberg

Familienbiografie Grünberg

Wolff Grünberg entstammt einer weitverzweigten Vieh- und Produktenhändlerfamilie, die ursprünglich in Ostfriesland beheimatet war. Der Zweig der Familie, dem er entstammt – die Nachfahren aus der zweiten Ehe seines Großvaters Hartog Hirsch Abraham Grünberg mit Marianne Neumark – war im Produktenhandel tätig und kam Ende des 19. Jahrhunderts aus der emsländischen Kleinstadt Weener nach Bremen. Die drei Brüder Joseph, Nathan und Adolf siedelten sich mit ihren Wohn- und Geschäftshäusern in der Neustadt an und brachten es hier zu Wohlstand und gesellschaftlichem Ansehen.

Wolff Joseph Grünbergs Eltern Joseph und Goldine, geb. Wallheimer, zogen 1889 nach Bremen. Wie seine ältere Schwester Marianne (geb. 1887) ist Wolff Joseph Grünberg 1888 noch in Weener geboren worden, seine Geschwister Elsa (geb. 1889), Adolf (geb. 1898) und Hermann (geb. 1900) kamen dann in Bremen zur Welt, wie auch zwei weitere Geschwister, die noch im Kindesalter starben.

Die Familie lebte zunächst in Walle, um 1900 dann in der Neustadt in der Großen Johannisstraße 210. Joseph Grünberg erwarb 1904 ein Wohn- und Geschäftshaus in der Großen Johannisstraße 85/87. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich schon auf den Handel mit Flaschen und Altglas spezialisiert. Seine drei Söhne stiegen in den väterlichen Betrieb ein und übernahmen diesen nach dem Tod des Vaters im Jahre 1919 zu gleichen Anteilen. Die OHG „Flaschen und Produkthandel Joseph Grünberg“ wurde 1927 um zusätzliche Lagerfläche an der Industriestraße 39 am südlichen Rand der Neustadt erweitert und 1930 an den Neustadtswall 27c verlegt. Der Betrieb der drei Grünberg-Brüder wurde im Februar 1939 „arisiert“.

Am 12.10.1920 hatte Wolff Joseph Grünberg die 23-jährige Anna Bienheim geheiratet, die Tochter eines Kolonialwarenhändlers aus dem kleinen Ort Duingen in der Nähe von Hildesheim. Anna wurde am 12.5.1897 dort als ältestes Kind von Martin und Hulda Bienheim, geb. Grunsfeld, geboren und wuchs mit drei jüngeren Brüdern auf. Über ihre Ausbildung und eventuelle Berufstätigkeit ist nichts in Erfahrung zu bringen.

Die junge Braut zog zu ihrem Mann in ein Einfamilienhaus in der Rüdesheimer Straße 21, welches dieser kurz vor der Heirat erworben hatte. Dort wuchs auch das einzige Kind des Paares, die am 6.9.1921 geborene Tochter Eva, auf. In der unmittelbaren Nachbarschaft wohnten ihre nächsten Verwandten väterlicherseits: die Großmutter, Tanten, Onkel und Großonkel, Cousins und Cousinen, sie alle waren in der Vorderen Neustadt zu Hause: in der Rüdesheimer Straße 37, der Wiesbadener Straße 30, der Isarstraße 33, der Biebricher Straße 7, der Großen Johannisstraße 85/87 und der Langemarckstraße 149.

Nach ihrer Schulzeit machte Eva Grünberg eine Ausbildung zur Säuglingspflegerin. Anna Grünberg engagierte sich, wie auch andere Mitglieder der Familie Grünberg, in der Jüdischen Gemeinde: sie war im Vorstand des Israeltischen Frauenvereins, einer Organisation der Israelitischen Gemeinde Bremen, und außerdem Mitglied im Verwaltungsausschuss des Jüdischen Altersheimes an der Gröpelinger Heerstraße.

Im September 1939 nahmen die Grünbergs Annas Mutter Hulda Bienheim bei sich auf, ein halbes Jahr später fanden auch Annas Tante Henny Knurr und deren Schwager Lippmann Knurr, die von den Nationalsozialisten aus ihrer Heimatstadt Aurich vertrieben worden waren, in der Rüdesheimer Straße 21 Zuflucht.

Anna, Wolff Joseph und Eva Grünberg wurden am 18.11.1941 ins Ghetto Minsk deportiert, im selben Transport befanden sich auch Wolff Josephs Schwestern Marianne und Elsa Grünberg, sein Neffe Herrmann Grünberg sowie sein Neffe Hugo Grünberg und seine Nichte Frida Cohen mit ihren Familien.

Henny und Lippmann Knurr, die mit der Deportation der jungen Familie ihre Bleibe und Versorgung verloren hatten, mussten im Januar 1942 in das zu diesem Zeitpunkt bereits völlig überfüllte Jüdische Altersheim an der Gröpelinger Heerstraße 167 ziehen, wo Lippmann Knurr zwei Monate später verstarb. Henny Knurr wurde, wie auch Wolff Josephs Mutter Goldine Grünberg, im Juli 1942 von Bremen aus ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Anna Grünbergs Mutter Hulda Bienheim, die schon im Mai 1940 in ein Altersheim in Hannover verzogen war, wurde von dort aus im Dezember 1941 ins Ghetto Riga verschleppt. Keiner der Deportierten überlebte.

Christine Nitsche-Gleim (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen Einwohnermeldekartei, Akten 4,54 -E 4769, 4,54-Ra 39, Ra 52
Markreich, Max: Geschichte der Juden in Bremen und Umgebung, Bremen 2003
Renemann, Kornelia: Jüdische Produktenhändler in Bremen, in: Christoffersen, Peter/Johr, Barbara (Hrsg.): Stolpersteine in Bremen, Neustadt, Bremen 2020, S.54-67

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk