Biografie im Erinnerungsportal, kein Stolperstein vorhanden
Ella Auerbach, geb. Stein, *1885
1941 deportiert Ghetto Minsk, Ermordet
Gröpelinger Heerstraße 167
Bremen-Gröpelingen
Ella Auerbach
Familienbiographie
Ella Auerbach
Walter Auerbach
Ella Stein wurde 14.4.1885 in Nieheim/Kreis Höxter als Tochter von Bernhard Stein und dessen Frau Klara (geb. Katz) geboren. Sie hatte vier Geschwister: Sally (1881-1900); Helene, verh. van der Berg (geb.1883); Julius (geb. 1886); Rosa (1890-1912).
Am 17.4.1912 heiratete Ella Stein in Stadtoldendorf Julius Auerbach aus Telgte/Westfalen (geb. 1881). Sie entstammten beide einer jüdischen Familie. Das Ehepaar hatte drei Kinder, die in Essen zur Welt kamen: Walter (geb. 18.2.1913), Rudolf (geb. 6.9.1919) und Gisela, (geb. 1923, sie lebte nur sieben Tage).
Walter absolvierte nach dem Besuch der jüdischen Volks-und Mittelschule eine Lehre in der Herrenkleiderfabrik Cohen in Essen. Anschließend war er als Verkäufer in der Firma Gustav Blum GmbH in der Zeit von 1929 bis 1938 ununterbrochen beschäftigt. Von Rudolf ist nur bekannt, dass er seine Lehre als Schaufensterdekorateur begann und diese nicht beenden konnte.
Am 16.11.1936 wurde die Ehe der Auerbachs geschieden. Die Söhne lebten weiterhin bei der Mutter in der Kastanienallee in Essen. Der Vater wohnte nur einige Häuser entfernt, wo er einen kleinen Laden betrieb.
In der Reichspogromnacht im November 1938 hielten sich Walter und seine Mutter nach der Räumung ihrer Wohnung zunächst versteckt. Sohn Rudolf befand sich zu dieser Zeit in der Hachscharah-Ausbildung in Groß-Breesen.
Am 24.12.1938 zog Ella Auerbach für einige Monate mit ihrem Sohn Walter von Essen nach Emden, in die Graf-Ulrich-Straße 17, wo ihre Schwester Helene mit ihrem Mann Moritz van der Berg lebte. Die van der Bergs betrieben ihre Auswanderung nach Israel seit 1935. Seit 1934 lebte ihre Tochter Rosa im Kibbuz Ghirat Brenner in Israel. Nach dem Verlust ihrer Kohlenhandlung gelang auch den van der Bergs die Emigration am 15.2.1939 in das Kibbuz in Israel, in dem die Tochter lebte.
Ella Auerbach war ab dem 1.9.1939 in Bremen in der Buxtehuder Straße 11 gemeldet, in unmittelbarer Nähe des 1933 angemieteten, später erworbenen Nebengebäudes des Jüdischen Altersheims. Sie hatte dort eine Stelle als Küchenhilfe/Köchin antreten können. Ab dem 1.2.1940 siedelte sie in das Hauptgebäude des Altersheims in der Gröpelinger Heerstraße 167 um.
Walter Auerbach bewarb sich vermutlich im Herbst 1938 zu einer Hachscharah-Ausbildung auf dem Lehrgut Groß-Breesen (Oberschlesien). Diese nichtzionistische Lehrstätte, die seit 1936 bestand, war für jugendliche Erwachsene zur Erstausbildung im Bereich Landwirtschaft und Gärtnerei gedacht, die sich auf eine Auswanderung nach Übersee vorbereiteten. Da sein Bruder aber zu jenem Zeitpunkt stellungslos war, arrangierte Walter es, dass Rudolf an seiner Stelle nach Groß-Breesen gehen konnte.
Die Suche nach einem geeigneten Auswanderungsland wurde für die jungen Breesener durch das Novemberpogrom 1938 jäh unterbrochen, Groß-Breesen verwüstet. Alle männlichen Auszubildenden ab 18 Jahren wurden zusammen mit dem Leiter des Lehrguts, Curt Bondy, im KZ Buchenwald inhaftiert. So auch Rudolf Auerbach, der vom 12.11.-4.12.1938 als „Aktionsjude“ in dem für die Novemberpogrom-Häftlinge eigens eingerichtetem provisorischen Sonderlager des KZs interniert war. Ein Dokument mit seiner Häftlingsnummer 27.709 über sein hinterlegtes Taschengeld von 35 DM weist auf seine Entlassung am 4.12.1938 hin. Er musste zuvor zustimmen, sein Eigentum an das deutsche Reich abzutreten, nicht über seine Erfahrungen im KZ Buchenwald zu sprechen und zur Auswanderung bereit zu sein. Vermutlich kam Rudolf nach der Entlassung aus dem KZ Buchenwald mit einer größeren Gruppe der Groß-Breesener in das Joodse Werkdorp Nieuwesluis (Wieringen) unter.
Unter mühevollem Einsatz versuchten Curt Bondy (überwiegend in Deutschland) und der ehemalige Groß-Breesener Werner T. Angress (überwiegend in den Niederlanden) Ausreisemöglichkeiten für die Jugendlichen zu finden, was in den meisten Fällen gelang. Anfang Juni (das genaue Datum ist nicht bekannt) wurde Rudolf mit Hilfe jüdischer Hilfsorganisationen mit drei weiteren Groß-Breesenern eine Passage nach Colombo/Ceylon ermöglicht. 15 weitere Breesener verließen Rotterdam mit der SS Slamat am 11.6.1939 Richtung Australien. Am 1.7. trafen sie in Colombo und am 19.7. in Sydney/Australien ein, darunter auch Rudi (so sein Name in der Gruppe).
Werner T. Angress institutionalisierte schon früh den Versand von Rundbriefen (über 50 Jahre) der ehemaligen Groß-Breesener, die über alle Kontinente verstreut waren, und trug damit zum Zusammenhalt der Gruppe bei. Daraus ist auch zu entnehmen, dass Rudolf zunächst auf einer Farm arbeitete. Später war er in Sydney als Lagerist tätig, heiratete und nahm die britische Staatsbürgerschaft an. Rudolf starb 2003 in Sydney mit 84 Jahren. In New South Wales gibt es einen Grabstein von ihm.
Walter, der in seinem Beruf im Oktober 1938 entlassen wurde, hielt sich, nach dem Verzicht auf die Ausbildungsstelle in Groß-Breesen zugunsten des jüngeren Bruders, vom 2.8.-6.12.1939 zunächst auf der landwirtschaftlichen Hachschara-Ausbildungsstätte Gut Gehringshof bei Hattenhof in Osthessen auf. Er soll zu Beginn des Kriegsausbruchs kurz vor der Ausreise nach Palästina gewesen sein. Sein Gepäck habe sich bereits im Freihafen von Triest befunden. Im Dezember 1939 wechselte er auf das jüdische Umschulungslager Landwerk Steckelsdorf (Brandenburg). Dieses galt anfangs als die erste Hachschara-Einrichtung in Brandenburg für gärtnerische und landwirtschaftliche Berufe unter jüdischer Trägerschaft. Ab 1939 wurde sie vom Reichssicherheitshauptamtes Berlin zum Arbeitslager umfunktioniert.
Vom 19.8.-22.8.1940 war Walter drei Tage in Bremen gemeldet. Vermutlich besuchte er in diesem Zeitraum seine Mutter. Danach siedelte er in das Lehrgut Paderborn, Grüner Weg 86, um. Zu diesem Zeitpunkt war auch diese ehemalige Hachschara-Einrichtung ein Arbeitslager, und zwar für Straßenreinigung und Müllentfernung. Vom 1.8.-14.11.1941 befand er sich im Einsatzlager Bielefelder Schlosshof. Die Männer dieses Zwangsarbeitslagers waren kolonnenweise bei Straßen-, Tief- und Gleisbauarbeiten der Firma Nebelung und Sohn eingesetzt.
Ella Auerbach erhielt um den 11.11.1941 den Bescheid zur Deportation nach Minsk. Es ist anzunehmen, dass Mutter und Sohn bei der "Umsiedlung in den Osten" zusammen bleiben wollten. So kam Walter am 14.11. nach Bremen zurück und hat sich vermutlich auf die Deportationsliste setzen lassen.
Eine letzte Nachricht von Walter, kurz vor der Deportation geschrieben, erreichte seinen Bruder Rudolf in Australien über das Deutsche Rote Kreuz am 3.12.1941: “Sorge Dich nicht, wenn wir länger nicht schreiben, wir sind gesund. Mutter und ich bleiben zusammen.“
Am 18.11.1941 wurden Ella und Walter Auerbach in das Ghetto Minsk deportiert und dort ermordet. Wann und unter welchen Umständen sie zu Tode kamen, ist nicht dokumentiert. An das Schicksal von Ella und Walter Auerbach wird auf einer Stele am Jüdischen Altersheim erinnert.
Der Bruder von Ella, Julius Stein, der mit seiner Familie ab 1898 in Stadtoldendorf lebte und sich erfolglos um eine Ausreise nach Palästina und die USA bemüht hatte, wurde mit seiner Frau am 25.3.1942 in das Ghetto Warschau deportiert und dort oder in Treblinka ermordet. Seine Tochter kam am 15.3.1941 in das Ghetto Riga und wurde dort ermordet. In Stadtoldendorf erinnern Stolpersteine an die Familie.
Der Vater von Walter und Rudolf, Julius Auerbach, wurde am 27.10.1941 von Düsseldorf aus in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz) deportiert, wo er am 5.12.1941 ermordet wurde.
Für Helene und Moritz van der Berg sowie ihrer Tochter Rosa wurden Stolpersteine in Emden verlegt.
Petra Nothaft (2025)
Informationsquellen:
StA Bremen Akten 4,54-E11503; 4,54-E11967, Einwohnermeldekartei
Nitsche-Gleim, Christine: Das Jüdische Altersheim in Gröpelingen, in: Christoffersen, P./Johr, B. (Hrsg.): Stolpersteine in Bremen, Findorff/Walle/Gröpelingen, Bremen 2019
Briefauskunft Archiv Buchenwald (5/2025)
Arolsen Archives
Angress, T. Werner: Generation zwischen Furcht und Hoffnung: Jüdische Jugend im 3. Reich
in: Christians, Hans: Hamburger Beiträge zur Sozial-und Zeitgeschichte, 1985, Dokument 40
Angress, Erwin: Im Arbeitslager am grünen Weg in Paderborn, Bielefeld 1990
Matsdorf, Wolfgang: No time to grow, the story of the Groß-Breesener in Australia, Jerusalem 1973
Cramer, Ernst: Erinnerungen an Buchenwald, in: Gericht und Gerechtigkeit, Dachauer Hefte 13, Hrsg. W. Benz, Dachau 1997
Jüdisches Leben in Stadtoldendorf, jens-m.std.jimdofree.com
Jüdisches Auswanderungslehrgut Groß-Breesen, Leo-Baeck-Institut New York, (jdischesausb002f005)
www.spurenimvest.de
www. Hachschara.juedische-geschichte-online.net
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk