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Biografie im Erinnerungsportal, kein Stolperstein vorhanden

Walter Ginsberg, *1911

1938 KZ Buchenwald, Schicksal unbekannt



Bremen-Mitte
ehemalige Straßenbezeichnung: Contrescarpe 93

Walter Ginsberg


Walter Ginsberg ist am 26.7.1911 in Bassum geboren worden. Seine Eltern waren Sally Ginsberg (geb. 1873 in Nenndorf, gest. 8.9.1938 in Bassum) und Martha Ginsberg, geb. Nachmann (geb. 1879 in Bassum, gest. im Ghetto Minsk). Sie haben 1904 ihre Ehe geschlossen und hatten drei Kinder: Anna (geb. 1905), Hermann (geb. 1907) und Walter. Wie sein Vater war auch Walter Viehhändler von Beruf. Sie wohnten in Bassum in der Bahnhofstraße 12. Ne­ben Haus und Garten in der Bahnhofstraße besaß Sally Ginsberg etliche Viehweiden. Die Familie galt als gut situiert.

In Bassum bestand im März 1938 nur noch eine kleine jüdische Gemeinde. Im Zuge der Novemberpogromnacht 1938 wurden drei Männer von ihnen – darunter Walter Ginsberg – verhaftet und im Polizeigefängnis in Hannover festgesetzt, anschließend wurden sie in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt. Seine Einlieferung wurde dort am 11.11.1938 registriert. Am 5.12. wurde er nach Bassum entlassen. Zuvor hatte seine Mutter ihm 25 RM Fahrgeld überwiesen, das Walter am Entlassungstag als erhalten quittierte. Eine weitere Überweisung von 25 RM traf zu spät am 10.12. in Buchenwald ein; das Geld wurde 1940 konfisziert.

Unmittelbar nach seiner Entlassung aus dem KZ beantragte er Anfang Dezember 1938 beim Finanzamt Syke eine Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Auswanderung in die USA. Auf Nachfrage teilte er der Devisenstelle mit: "Auf Ihr Schreiben vom 24.12.38 [sic!] teile ich Ihnen mit, daß ich 602,- Mk besitze. Ausländisches Vermögen besitze ich nicht. Schulden habe ich auch nicht. Waren habe ich nicht ausgeführt. Der Tag der Auswanderung ist unbestimmt. Ich habe die Angaben nach bestem Wissen gemacht. Hochachtend, Walter Israel Ginsberg." Eine Ausstellung einer Bescheinigung oder der Erhalt sind nicht dokumentiert.

Möglicherweise lebte er noch bis mindestens August 1939 mit seiner Mutter in Bassum zusammen, da diese in ihren Briefen an ihre emigrierte Tochter immer mit "wir" berichtet. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zog er nach Köln. Seine letzte bekannte Adresse dort war Lübecker Str. 22. Er besuchte seine Mutter für einige Tage zweimal in Bremen vor ihrer Deportation, im März 1940 und im Januar 1941. Damit verliert sich die Spur von Walter Ginsberg.

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges verließ Martha Ginsberg am 19.10.1939 Bassum und zog nach Bremen in die Kreuzstraße 43a. Ein Anlass könnte gewesen sein, dass ihr Sohn aus Bassum weggezogen war. Sie hatte geplant, mit ihrem Sohn Walter in die USA auszuwandern, welches einem Hinweis ihrer Tochter Anna zu entnehmen ist. Sie schrieb 1939 ihrer Tochter in den USA in Briefen vom Frühjahr 1939 bis zum April 1941 wie sie ihren umfangreichen Hausstand aufzuteilen gedenke. Was verkauft werden soll, was in die USA "mitgebracht" werden solle und was mit nach Bremen kommt. Noch am 10.10.1939 fragt sie an: "Soll ich meine Wäsche wohl jetzt packen u. nach dort schicken?" Im April 1941 berichtet sie: "Unsere Möbel sind fast alle verkauft." Eine Flucht aus Deutschland scheiterte aus nicht bekannten Gründen. Anzunehmen ist, dass sie kein Visum erhalten konnte.

Am 2.10.1941 musste sie die Wohnung in der Kreuzstraße aufgeben und wurde in das "Judenhaus" Contrescarpe 93 eingewiesen, das den Geschwistern Bromberger gehörte. Am 18.11.1941 wurde sie in das Ghetto Minsk deportiert. Dort wurde sie ermordet: Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbe­dingungen im Ghetto erlag, fiel sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die einen Höhepunkt in der Vernichtung des überwiegenden Teils der Bewohner des Sonderghet­tos am 28./29.7.1942 fanden.

Das Schicksal von Walter Ginsberg ließ sich bislang nicht aufklären. In den Kölner Deportations- und Emigrationslisten ist er nicht aufgeführt. Für seine Geschwister in den USA muss er als tot gegolten haben. In einem Erbschein zur Übertragund des Vermögens seiner Mutter im Widergutmachungsverfahren, ist er nicht aufgeführt.

Den Geschwistern Anna (1938) und Hermann (1923) gelang es, in die USA auszuwandern. Für Martha Ginsberg wurde in Bremen, Contrescarpe 93, ein Stolperstein verlegt.

Für Walter Ginsberg wird in Bremen kein Stolperstein verlegt, da er hier keinen festen Wohnsitz hatte. Mit der Veröffentlichung dieses Erinnerungstextes ist die Hoffnung verbunden, dass es irgendwo, irgendwann eine Recherche zu ihm gibt, die zu weiteren Informationen führen könnte.

Peter Christoffersen (2025)

Informationsquellen:
StA Bremen, Akte 4,54-E2298, 4,54-Rü 5263, Einwohnermeldekartei
Stadtarchiv Bassum, Einwohnermeldekartei
NLA Hannover 2004/025 Nr. 3422
Archives Arolsen
www.pogrome1938-niedersachsen.de/bassum/
Die Maus, Bremer Passagierlisten