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Glossar

"Heil- und Pflegeanstalten"

Hadamar
Ende 1940 wurde die Landesheilanstalt Hadamar umgebaut, um sie als Tötungsanstalt für die „T4-Aktion“ einzusetzen. Eine Gaskammer, ein Sezierraum und zwei Verbrennungsöfen wurden installiert sowie eine Busgarage errichtet. Zwischen Januar und August 1941 starben in der Hadamarer Gaskammer 10.122 Menschen. In der zweiten Mordphase übernahm die Anstalt erneut die Funktion einer Tötungsanstalt. Von August 1942 bis zum 26. März 1945 starben weitere 4.411 Menschen.

Die ersten Sammeltransporte in dieser zweiten Mordphase kamen am 13. und 14. August 1942 aus der Bremer Nervenklinik. Vor den insgesamt 126 Männern starben 114 in Hadamar, zehn Bremer Patienten überlebten das Kriegsende, das Schicksal eines Patienten ist ungeklärt.


Meseritz/Obrawalde
Die 1904 als vierte Irrenanstalt der Provinz Posen im heutigen Polen eröffnete Einrichtung wurde nach Beendigung der „Aktion T4“, in eine „Stätte systematischer Krankenmorde“ umorganisiert. Aus allen Teilen des Dritten Reiches (u.a. aus Berlin, Schleswig, Galkhausen, Bethel, Düsseldorf, Göttingen, Marsberg, Uchtspringe und Hamburg) wurden Patienten eingeliefert und nach ihrer Ankunft zunächst entsprechend ihrer Arbeitsfähigkeit selektiert. Gemordet wurde durch Injektionen oder orales Verabreichen von überdosierten Medikamenten. Bis zum Jahr 1945 starben in Meseritz/Obrawalde mindestens 18.000 Menschen.

Auch aus Bremen wurden nach der Bombardierung der Bremer Nervenklinik 307 Frauen und Männer am 9. Dezember 1943 in die ca. 600 km entfernt gelegene, ehemalige Heil- und Pflegeanstalt gebracht. 269 von ihnen starben dort, 28 überlebten das Kriegsende bzw. wurden entlassen. Das Schicksal von 10 ehemaligen Bremer PatientInnen ist ungeklärt.


Uchtspringe
1894 wurde die in der Altmark gelegene Landesheilanstalt Uchtspringe eröffnet. Seit 1940 diente die Einrichtung als „Zwischenanstalt“ der „Aktion T4“ für die Tötungsanstalten Brandenburg und Bernburg. Denn die Deportationen aus den „Ursprungsanstalten“ führten in der Regel nicht direkt in eines der Tötungszentren, sondern gingen über „Zwischenanstalten“ um die Angehörigen zu täuschen und die Spur der Kranken zu verwischen. Nach dem offiziellen „Euthanasie“-Stopp am 24. August 1941 gehörte Uchtspringe zu den Anstalten, in denen Ärzte und Pflegepersonal weiterhin töteten. Hinter der Fassade einer „normalen“ Anstaltsroutine wurden die kranken Menschen jetzt nicht mehr durch Gas, sondern mit Medikamenten, durch Morphiumspritzen, Nahrungsentzug oder Vernachlässigung ermordet.

Aus Bremen wurden am 28. August 1942 vierzig „Langzeitpatienten“ nach Uchtspringe verlegt, von denen bis Kriegsende 33 starben. Fünf Frauen deportierte man weiter nach Meseritz/Obrawalde. Auch sie überlebten die Verlegung in die Tötungsanstalt nicht.


Quellen / Weitere Informationen:
Engelbracht, Gerda, Das Haus Reddersen. Zur Geschichte der ersten bremischen Pflege und Erziehungsanstalt für geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche. Bremen 1995.

diess., Der tödliche Schatten der Psychiatrie. Die Bremer Nervenklinik 1933-1945, Bremen 1997.

diess., Von der Nervenklinik zum Zentralkrankenhaus Bremen-Ost. Bremer Psychiatriegeschichte 1945-1977, Bremen 2004.

diess., Barbara Johr, Mechthild Thülig, Achim Tischer, Museum, Mahnmal und Stolpersteine als Erinnerungsorte für Bremer „Euthanasie“-Opfer. In: Raimond Reiter (Hg.), Opfer der NS-Psychiatrie. Gedenken in Niedersachsen und Bremen, Marburg 2007, S. 179-203.

diess., Erinnerungsbuch für die Opfer der NS-Medizinverbrechen in Bremen, Bremen 2016. (Kleine Schriften des Staatsarchivs Bremen – Heft 53)

Marßolek, Inge, René Ott, Bremen im Dritten Reich. Anpassung – Widerstand – Verfolgung, Bremen 1986.

Verlegung nach Uchtspringe. In: Engelbracht, Gerda, Der tödliche Schatten der Psychiatrie. Die Bremer Nervenklinik 1933-1945, Bremen 1997, S. 129-131.

Kriemhild Synder, Die Landesheilanstalt Uchtspringe und ihre Verstrickung in nationalsozialistische Verbrechen. In: Hoffmann, Ute (Hg.), Psychiatrie des Todes. NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“ im Freistaat Anhalt und in der Provinz Sachsen, Magdeburg 2001. (http://www.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Elementbibliothek/Bibliothek_Stiftung_Gedenkstaetten/Bernburg/Psychiatrie_des_Todes_-_Teil_1.pdf)

Nitschke, Asmus. Die „Erbpolizei“ im Nationalsozialismus. Zur Alltagsgeschichte der Gesundheitsämter im Dritten Reich, Opladen/Wiesbaden 1999.

Schmacke, Norbert, Hans-Georg Güse, Zwangssterilisiert – Verleugnet – Vergessen. Zur Geschichte der nationalsozialistischen Rassenhygiene am Beispiel Bremens, Bremen 1984.

Tischer, Achim (Hg.), Brauchen wir ein Mahnmal? Zur Erinnerung an die Psychiatrie im Nationalsozialismus in Bremen, Bremen 2000

http://www.gedenkstaette-hadamar.de

Siehe auch Glossarbeitrag "Euthanasie"/Zwangssterilisation http://www.stolpersteine-bremen.de/glossar.php?id=2"


Gerda Engelbracht (2016)


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