Glossar
KZ Neuengamme und Bremer Außenlager
Zur Ausbeutung der Arbeitskraft von Häftlingen gründete die SS 1936 die "Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH". Diese erwarb im Herbst 1938 eine stillgelegte Ziegelei am Rande Hamburgs, in Neuengamme. Das Gelände hatte eine Größe von 50 ha und war für den Abbau von Ton geeignet. Die Ziegelei wurde zunächst als Außenlager des KZ Sachsenhausen betrieben und von Häftlingen betriebsfertig gemacht. Ab Frühjahr 1940 wurde Neuengamme als eigenständiges KZ geführt.
Die Gründung des KZ war eng mit den Plänen der Hamburger NSDAP-Parteiführung verknüpft, Hamburg als "Tor zur Welt" zu einer "Visitenkarte des Nationalsozialismus" baulich umzugestalten. Dafür benötigte man schätzungsweise jährlich 20-40 Millionen Klinkersteine.
Im Verlauf des Krieges kamen mehr als Hunderttausend Menschen aus allen besetzten Ländern Europas als KZ-Häftlinge nach Neuengamme. Insgesamt waren nach gegenwärtigen Erkenntnissen über 80.000 Männer und mehr als 13.000 Frauen mit einer Häftlingsnummer registriert; weitere 5.900 Menschen wurden in den Lagerbüchern gar nicht oder gesondert erfasst. Unter den ca. 9.200 deutschen Häftlingen stellten die als "Kriminelle" eingestuften die Mehrheit; neben den "politischen Schutzhaftgefangenen" gab es noch einige hundert Homosexuelle, gleichviel Sinti und Roma sowie 200 Zeugen Jehovas. Das KZ diente weiter der Staatspolizeileitstelle Hamburg als Hinrichtungsstätte für ungefähr 1.400 Personen. 1942 wurden 448 russische Kriegsgefangene mit Zyklon B vergast. Mehrfach wurden im KZ medizinische Experimente an Häftlingen durchgeführt. In diesem Zusammenhang stand die Ermordung von 20 jüdischen Kindern im Alter von fünf bis zwölf Jahren am 20.4.1945 ("Die Kinder vom Bullenhuser Damm").
Die Häftlinge hatten Schwerstarbeit unter erbärmlichsten Bedingungen im Klinkerwerk, in den Tongruben und später für die Kriegswirtschaft zu leisten. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren mörderisch; Mangelernährung, Überbelegung, katastrophale hygienische Verhältnisse und Misshandlungen führten Ende 1944 zu einer mtl. Todesrate von über 2.500 Menschen. Noch kurz vor Kriegsende starben über 16.000 Häftlinge auf Todesmärschen und -transporten, in Sterbelagern und bei dem Bombardement von KZ-Schiffen. Insgesamt kamen mindestens 42.900 Menschen im Stammlager Neuengamme, in den Außenlagern oder im Zuge der Lagerräumungen ums Leben. Zusätzlich sind mehrere tausend Häftlinge nach ihrem Abtransport aus dem KZ Neuengamme in anderen Konzentrationslagern oder nach Kriegsende an den Folgen der KZ-Haft gestorben.
1946 fand in Hamburg ein Prozess vor einem brit. Militärgericht gegen die Lagerleitung statt. Elf der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Unter ihnen der letzte Lagerkommandant Max Pauly.
Das KZ Neuengamme hatte 86 Außenlager, neun davon in Bremen:
Bremen-Huckelriede (Hindenburg-Kaserne)
Nach den schweren Bombenangriffen im Juni 1942 wurden auf Wunsch von Stadt und Gauleitung 750 männliche Häftlinge, überwiegend osteuropäischer Herkunft, für Aufräumarbeiten nach Bremen abgeordnet (SS-Baubrigade II). Sie wurden in den Stallgebäuden der Hindenburg-Kaserne an der Boßdorfstraße untergebracht. Die Anzahl der Häftlinge wurde im Laufe der Zeit reduziert, im Feburar1944 waren noch 346 Häftlinge an 28 Schadstellen in der Stadt eingesetzt, ab April 1944 wurden alle Häftlinge wieder in das Hauptlager nach Hamburg verlegt. 168 Häftlinge starben im Lager. Sie wurden auf dem Osterholzer Friedhof bestattet.
Ab Anfang August 1944 wurde das Kasernengelände erneut für die Unterbringung von KZ-Häftlingen genutzt. Ca. 500 jüdische Frauen aus Ungarn und 300 aus Polen waren zuvor im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zur Arbeit ausgewählt und in zwei Gruppen nach Bremen transportiert worden. Sie wurden in den Pferdeställen der Kaserne untergebracht und zu Aufräumungsarbeiten in der Stadt eingesetzt. Am 26. September 1944 wurde die Kaserne bei einem Bombenangriff getroffen. Dabei starben zwei Frauen, alle anderen blieben verschont, da sie sich im Arbeitseinsatz befanden. Die Häftlinge wurden noch am gleichen Tag in das Lager Bremen-Obernheide verlegt.
Bremen Blumenthal
Auf der Bahrsplate, einer großen Freifläche in Bremen-Blumenthal direkt an der Weser, bestand ein Außenlager in der Zeit von September 1944 bis April 1945. Dort waren ca. 900 Häftlinge inhaftiert (überwiegend Belgier, Polen, Russen, Franzosen und Ukrainer). Zwei Kommandos arbeiteten auf der Werft Deschimag AG (Krupp-Konzern) in Gröpelingen und Blumenthal. 123 Menschen kamen im Lager zu Tode.
Bremen-Farge
Im Herbst 1943 wurde in der Rekumer Feldmark das vierte Außenlager des Konzentrationslagers zur Unterstützung des U-Boot-Bunkerbaus "Valentin" errichtet. Mit über 3.000 Häftlingen, schwerpunktmäßig aus Frankreich, Sowjetunion, Polen und Griechenland kommend, wurde es zum drittgrößten Kommando. Auf der Baustelle arbeiteten täglich etwa 10.000 Personen. Den KZ-Häftlingen wurden die schlimmsten Arbeiten zugeteilt: Zementsäcke tragen, Mischmaschinen füllen, Eisen- und Stahlträger transportieren. Das Lager lag ca. 4 km von der Baustelle entfernt. Die Häftlinge waren in einem unterirdischen Treibstofftank der Marine untergebracht. Die Namen von 553 Todesopfern sind bekannt, die Gesamtzahl lag vermutlich um einiges höher.
Bremen-Gröpelingen
Das Lager Schützenhof wurde Weihnachten 1944 für die Häftlinge des Außenlagers Bremen-Blumenthal, die zuvor täglich per Schiff zu ihrer Arbeitsstelle auf dem Werftgelände der Deschimag AG Weser in Gröpelingen gebracht wurden, eingerichtet. Die größte Gruppe waren ca. 400 aus Ungarn deportierte Juden. Zeitweise waren bis zu 1.000 Häftlinge dort untergebracht. Die Häftlinge wurden anfangs ausschließlich zur Herstellung von U-Boot-Teilen und zum Bau des U-Boot-Bunkers „Hornisse“ eingesetzt. Später kamen Aufräumungs- und Trümmerbeseitigungsarbeiten im Bremer Stadtgebiet hinzu. Aufgrund der schlechten Verhältnisse im Lager starben während des dreimonatigen Bestehens mindestens 268 Häftlinge.
Bremen-Neuenland
Das Lager befand sich in der Nähe des Flughafens und bestand von Mitte August bis Ende November 1944. Dem Kommando gehörten 900 Männern an, in der Mehrzahl französische und sowjetische Häftlinge. Sie waren hauptsächlich bei der Überbunkerung eines Baudocks der Großwerft Deschimag AG, dem U-Boot-Bunker „Hornisse“, eingesetzt .
Bremen-Obernheide
Das Lager befand sich außerhalb der Stadtgrenzen Bremens in der Gemeinde Stuhr. Es diente zuvor in- und ausländischen Bauarbeitern aus Bremen und zeitweise französischen Kriegsgefangenen als Unterkunft. Von Ende September 1944 bis Anfang April 1945 wurde es zu einem Frauenaußenlager von Neuengamme, nachdem das Lager in der Hindenburg-Kaserne bei einem Luftangriff vollständig zerstört worden war. Die 500 ungarischen und 300 polnischen Jüdinnen wurden dorthin verlegt. Sie waren weiterhin zur Beseitigung von Bombenschäden im Stadtgebiet und beim Bau von Behelfsunterkünften eingesetzt. Mindestens zehn Frauen überlebten die Arbeitseinsätze nicht.
Bremen-Osterort
Aufgrund der zahlreichen Luftangriff auf die Stadt wurde das Außenlager Bremen-Neuenland Ende November 1944 geräumt und das gesamte Kommando in das Außenlager Bremen-Osterort überstellt (ehemaliges Kriegsgefangenenlager). Das neue Lager befand sich auf dem Gelände der Norddeutsche Hütte A.G. (Krupp-Konzern). Die Mehrzahl der 1.000 Häftlinge wurde weiterhin beim Bau des U Boot-Bunkers „Hornisse“ eingesetzt. Nach einem Bombentreffer auf die Hütte wurde das Lager am 6.4.1945 geräumt. Mindestens 120 Menschen überlebten die Lagerzeit nicht.
Bremen-Sebaldsbrück
Am 25. August 1944 errichtete die SS in Bremen ein Außenlager für 1.000 Männer für den Zwangsarbeitereinsatz bei den Borgward-Werken. Es bestand vor allem aus polnischen und russischen Männern. Die Häftlinge waren in eine der oberen Etagen eines alten Fabrikgebäudes auf dem Konzerngelände in Sebaldsbrück untergebracht. Mitte November 1944 wurde das Lager aber wieder geräumt, da das Unterkunftsgebäude durch einen Luftangriff schwer beschädigt worden war. Insgesamt stellten Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge mehr als 40 Prozent der 8.000 Beschäftigten in den Borgward-Werken.
Bremen-Uphusen
Auf Vorschlag des Senators für das Bauwesen der Stadt Bremen genehmigte die SS im Oktober 1944 die Errichtung eines Zweiglagers des Außenlagers Bremen-Obernheide in Uphusen. Die meisten der seit dem 7. Februar 1945 in Uphusen untergebrachten 100 ungarischen Jüdinnen waren zur Herstellung von Fertigteilen für den Bau von Behelfsheimen eingesetzt. Bereits am 4. April 1945 ließ die SS das Lager wieder räumen.
Quellen / Weitere Informationen:
Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors, Band 5, Seite 315 ff., München 2007
Hermann Kaienburg, Das Konzentrationslager Neuengamme 1938-1945, Bonn 1997
Lilly Kertesz, Von den Falmmen verzehrt, Bremen 1999
Hartmut Müller, Die Frauen von Obernheide, Bremen 1988
www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de
www.kinder-vom-bullenhuser-damm.de
www.denkort-bunker-valentin.de (hier: Marc Buggeln, Der Bau des U-Boots-Bunker "Valentin", der Einsatz von Zwangsarbeitern und die Beteiligung der Bevölkerung)
www.wikipedia.de (hier: KZ Bahrsplate)
Peter Christoffersen (2012)