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Henriette Löwenhardt, geb. Philipps, *1879

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Donaustr. 59
Bremen-Neustadt


Donaustr. 59 - Weitere Stolpersteine:


Henriette Löwenhardt


Familienbiografie
Max Löwenhardt
Henriette Löwenhardt, geb. Philipps

Max Löwenhardt kam am 16.6.1876 in Oberhemer/Kreis Iserlohn zur Welt. Seine Eltern waren Levy Löwenhardt (Jg. 1840) und Pauline Löwenhardt, geborene Lennhoff (Jg. 1847). Er hatte acht Brüder und drei Schwestern. In seinem Heimatort besuchte er die Volks- und Realschule. 1901 heiratete er in Sterkrade (Dinslaken) die dort geborene Henriette Philipps, Tochter von Sander und Johanna Philipps, geborene Jakobi. Nach der Hochzeit lebte das Ehepaar in Oberhemer.

Max Löwenhardt war Rohrzieher. Henriette Löwenhardt inserierte 1902 in der örtlichen Zeitung und bot Handarbeitsunterricht an. Um diese Zeit gab es offenbar ein Ereignis, in dessen Folge alle Löwenhardts Oberhemer verließen, Max und Henriette als letzte. Was damals geschah, konnte bis heute nicht geklärt werden. Max und Henriette Löwenhardt gingen zunächst nach Essen, wo1904 ihr Sohn Leo geboren wurde. Als 1908 der zweite Sohn Julius zur Welt kam, lebten sie bereits in Duisburg. Ab 1913 wohnten sie in Bremen in der Donaustraße 65.

Max Löwenhardt verdiente den Lebensunterhalt als Expedient. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Unter-offizier in einem Reserve-Infanterie-Regiment in Russland. Er wurde zweimal verwundet und mit dem Eisernen Kreuz für seinen Verdienst um das Vaterland geehrt. 1921 verließ die Familie Bremen und lebte für einige Zeit in Sterkrade. 1927 kehrte sie endgültig nach Bremen zurück. In der Donaustraße kannten sie sich aus und erwarben dort das Haus Nummer 59. Max Löwenhardt war bei der Firma Heymann & Neumann in der Obernstraße als Chefexpedient beschäftigt, eines der größten und bekanntesten jüdischen Warenhäuser in Bremen. Er wechselte 1932 zum neu gegründeten Kaufhaus Karstadt und wurde Leiter der Versandabteilung. Bereits im Mai 1933 verlor Max Löwenhardt seine Stellung bei Karstadt. Er war da 57 Jahre alt, im Juli1936 ging er sechzigjährig in Rente. Um ein Zubrot zur Rente zu verdienen, verdingte er sich bis 1938 als Lagerist.

Henriette Löwenhardt erlebte Diskriminierung und Ausgrenzung. In einem Laden „an der Ecke“ musste sie warten, bis alle anderen Kunden bedient waren, bevor sie einkaufen durfte. Eine Nachbarin fand dies unsinnig und bot an, Einkäufe für sie zu erledigen. Als der hilfsbereiten Nachbarin Denunziation drohte, musste diese ihre Hilfe allerdings aufgeben. Selbst bei nachbarschaftlicher Unterhaltung auf der Straße fühlte Henriette Löwenhardt sich beobachtet und brach das Gespräch ab, um dem Gesprächspartner Schwierigkeiten zu ersparen.

Nachbarn rieten ihnen auszuwandern, doch eine Flucht ins Ausland konnten sie sich nicht vorstellen: „Wir sind alt, wohin sollen wir noch gehen? Hier ist unser Zuhause und wir haben niemandem etwas getan. Es wird schon nichts passieren.“ Im Dezember 1938 mussten sie ihr Haus zwangsweise verkaufen, es wurde „arisiert“. Sie durften aber weiterhin darin wohnen.

In der Nacht des 17.11.1941 wurden sie „evakuiert“. Die Nachbarn fanden am nächsten Morgen die Möbel der Familie auf dem Bürgersteig vor. Am 18.11.1941 wurden Max und Henriette Löwenhardt von Bremen aus in das Ghetto Minsk deportiert und ermordet – wie auch Sohn Leo mit Ehefrau und Kindern (siehe Biografie in diesem Band). Nur Sohn Julius konnte sich retten. Er war 1932 nach Mühlheim gegangen und von dort aus nach Palästina ausgewandert, wo er den Namen Jacoov Yev Ariman angenommen hatte. Von Max Löwenhardts acht Brüdern wurden sechs in Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet. Einem der Brüder gelang die Emigration wie auch einer der drei Schwestern.

Edith Laudowicz/Kornelia Renemann (2020)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10241, 4,54-E10242, Einwohnermeldekartei
Abramjuk, Peter: Eine Straße im Fluss der Zeit, 100 Jahre Donaustraße, 1906 - 2006, Bremen 2006 Löwenhardt Foundation: Eine alte Hemersche Familie, 2014 auf: www.loewenhardtfoundation.org

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag Minsk