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Alfred Stöckmann, *1908

eingewiesen 13.8.1942 in die "Heilanstalt" Hadamar
ermordet 14.12.1942


Hamburger Str. 236
Bremen-Östliche Vorstadt

Alfred Stöckmann

geb. 7.3.1908

Alfred Stöckmann wurde in Bremen mit einer geistigen Behinderung geboren. Er besuchte die „Hilfsschule“ und lebte bis zum Tod des Vaters in dessen Haushalt. Mit 29 Jahren hatte ihn das Bremer Erbgesundheitsgericht auf Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zur zwangsweisen Unfruchtbarmachung verurteilt.

Am 25.11.1941 brachte ihn einer seiner Brüder, der sich auch in der Folgezeit um sein Wohlergehen kümmerte, zu Fuß in die Bremer Nervenklinik. Als Aufnahmegrund gab dieser an, dass „zu Hause die nötige Aufsicht“ für den behinderten Bruder fehle. In der Klinik arbeitete der körperlich gesunde junge Mann in der Feldkolonne und der Kartoffelschä- lerei. Am 14.8.1942 wurde Alfred Stöckmann zusammen mit 125 anderen Patienten aus der Bremer Nervenklinik in die Landesheilanstalt Hadamar gebracht. Kurz zuvor hatte sein Bruder die Verlegung noch verhindern wollen. Doch ohne Erfolg: „Leider ist es nicht gelungen, Ihren Bruder noch hier zu halten“, schrieb ihm Anstaltsleiter Kaldewey,„Die Fahrkarten sind schon beschafft, die Listen schon ausgefüllt“.

Um seinem Bruder das Leben in der weit entfernten hessischen Anstalt zu erleichtern, schickte er ihm mehrere Päckchen und bat den Oberpfleger Heinrich Ruoff, der nach Auskunft der Hadamarer Anstalt für die Abteilung, auf der Alfred Stöckmann lebte, zuständig war,„die Pakete in Empfang [zu] nehmen und den Inhalt tageweise an meinen Bruder ab[- zu]geben, damit er von einigen Patienten nicht über’s Ohr gehauen wird, wie wir es hier in der Anstalt erlebt haben. Denn Alfred gibt alles, wenn er gefragt wird, ohne weiteres ab, denkt sich aber nichts dabei. Darum möchte ich Ihre Hilfe in Anspruch nehmen und hoffe, daß Sie es nicht ablehnen werden.“ Vor dem Hintergrund, dass Heinrich Ruoff zusammen mit einem Kollegen und dem Verwaltungsleiter der Anstalt Hadamar im Oktober 1945 wegen zigfachen Mordes zum Tode verurteilt wurde, ist nicht davon auszugehen, dass der Inhalt der Päckchen jemals bei Alfred Stöckmann angekommen ist.

Einen Monat nachdem sein Bruder ihm das Päckchen nach Hadamar geschickt hatte, war Alfred Stöckmann tot. Der bis August 1942 gesunde Mann starb genau vier Monate nach seiner Aufnahme laut Krankenblatteintrag an „Marasmus“ (hochgradige Abmagerung infolge Unterernährung). Auf Anfrage teilte Anstaltsleiter Wahlmann dem Bruder in einem weitgehend standardisierten Anschreiben mit, dass der „Verstorbene [...] ohne Todeskampf ruhig eingeschlafen [sei]. Besondere Wünsche [habe] er nicht mehr geäussert.“

Verfasserin: Gerda Engelbracht (2016)

Informationsquellen:
Archive des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Außenstelle Hadamar, Krankenakte Alfred Stöckmann
Zur Verurteilung von Heinrich Ruoff: www.gedenkstaette-hadamar.de/webcom/show_article.php/_c-616/_lkm-613/i.html

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Heilanstalten"