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Leo Freudenberg, *1896

verhaftet 28.4.1936 KZ Esterwegen
tot 24.6.1936


Ostendorpstr. 20
Bremen-Mitte
ehemalige Straßenbezeichnung: Lerchenstr. 20

Leo Freudenberg

Leo Freudenberg

Leo Freudenberg wurde am 21.1.1896 in Ottersberg/Landkreis Verden geboren. Er war das neunte Kind von Emilie und Moses Freudenberg. Die Familie siedelte 1910 nach Bremen um. Seine Eltern betrieben im Bremer Stadtteil Woltmershausen eine Manufakturhandlung, die sich bei den Bürgern großer Belieb heit erfreute.

Am Ersten Weltkrieg nahm Leo Freudenberg als Soldat (Kanonier) teil und erhielt hierfür später als Auszeichnung das Ehrenkreuz für Frontkämpfer sowie das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse. In Bremen war er seit dem 20.12.1918 gemeldet. Hier heiratete er am 27.7.1923 Alice Dorothea Behrens, geboren 24.12.1903 in Kiel. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Rudolf, geboren am 16.5.1924, und Cläre, geboren am 1.2.1931. Die Familie wohnte seit 1928 in der Lerchenstraße 20 (heute Ostendorpstraße). Leo Freudenberg war Mitglied der Israelitischen Gemeinde Bremen. Leo Freudenberg wurde von seinem Neffen Wolfgang Brandenburger als großherziger und gütiger Mensch beschrieben, der unter der Intoleranz und der gesellschaftlichen Isolation durch den aufkeimenden Antisemitismus litt.

Im Bremer Adressbuch war er seit 1920 als Kaufmann im Lebensmittel- und Rohpro- duktengeschäft eingetragen sowie als Teilhaber des Geschäftsmannes Carl Grevecke gemeldet. Das Unternehmen Grevecke & Freudenberg ging bereits 1934 in Konkurs, vermutlich weil es wegen des jüdischen Teilhabers Freudenberg seit 1933 boykottiert wurde. Im Februar 1936 teilte die Polizeidirektion Bremen Leo Freudenberg mit, dass ihm der Handel mit Gegenständen des täglichen Lebens – insbesondere Lebensmitteln – mit sofortiger Wirkung offiziell untersagt sei. Schon zuvor hatte ihm der Getreideverband Oldenburg, in dem er als Agent verschiedener Großmühlen Mitglied war, nahegelegt, diesen Handelsbereich aufzugeben.

Am 28.4.1936 wurde er verhaftet. In einem Aktenvermerk der Gestapo vom März 1936 hieß es, er sei „ein Mensch, der das ihm als Juden eingeräumte Gastrecht missbraucht“ habe, so dass er „für die deutsche Volksgemeinschaft eine unmittelbare Gefahr“ bedeute. Er wurde im Gestapo-Gefängnis Ostertorwache in „Schutzhaft“ genommen und am 4.5.1936 in das Konzentrationslager Esterwegen/Emsland überstellt, wo er laut Zeugenaussagen schwer misshandelt wurde. Es gab keine Gerichtsverhandlung und kein Urteil. Es wurde nicht dokumentiert, welcher Vorwurf gegen ihn erhoben wurde.

Zeugenaussagen zweier Mithäftlinge über den Tod Leo Freudenbergs:

„Der Jude Freudenberg hatte sich geweigert, Geld für die Lagerkapelle (Musikkapelle) zu geben, er kam zu einem Latrinenkommando und weigerte sich die Schleiferei der SS mit- zumachen. Der Posten erstattete Meldung wegen Befehlsverweigerung, daraufhin bekam er 25 Stockhiebe und Dunkelarrest und verstarb. Dieser Fall erregte im Lager allgemeines Aufsehen. Nach einigen Tagen machte der Lagerkommandant bekannt, dass, wer nicht mit den Redereien über Freudenberg aufhört, 25 Stockhiebe bekommt; denn der Mann sei an Zuckerkrankheit gestorben.“ (Aussage des ehemaligen Häftlings Eduard Vogel vom 30.3.1951, in: LAV NRW Münster, Q 224, StA Hagen, 863, Bd.I).

„Es ist der Fall Freudenberg, wo ein Großkaufmann dieses Namens als Häftling im Lager Es- terwegen gezwungen werden sollte, über eine Wagendeichsel zu springen. Die Deichsel war 1m hoch und der Häftling Freudenberg konnte wegen seiner Körperkonstitution – er war klein und sehr dick – dies nicht bewältigen. Er bekam dafür wegen „Befehlsverweigerung“ 25 Stockhiebe zudiktiert und musste auch diese Strafe hinnehmen. Nach den Schlägen kam F. in den Bunker und wurde dort krummgeschlossen. (...) Es ist mir dann auch bekannt geworden, dass der Häftling F. in Folge der Krummschließung eine Verletzung am Bein davon getragen hat, die erhebliche Entzündungen hervorgerufen hat. (...) Diese Verletzungen sind, wie ich selbst durch Äußerungen des erwähnten Grassmuck (SS-Oberscharführer) (...) und Dingler, ebenfalls eines SS-Scharführers, erfahren habe, von Grassmuck operativ behandelt worden, obwohl Grassmuck keine ärztl. Vorkenntnisse besaß. Freudenberg ist auch gestorben. Ich hörte dann aus dem der beiden vorerwähnten SS-Leute, dass diese sich anscheinend gegen einen Vorwurf des Dr. Ostermaier (SS-Arzt) verteidigen wollten. Man hätte nicht beachtet, dass der Häftling zuckerkrank gewesen wäre.“ (Aussage der ehemaligen Häftlings Heinrich Schniedermann vom 27.11.1950, in: LAV NRW Münster, Q 224, StA Hagen, 863, Bd. I).

Im Alter von nur 40 Jahren starb Leo Freudenberg am 24.6.1936 im Krankenhaus Sögel, nachdem eine Sepsis von den SS-Ärzten im Lager nur laienhaft und ohne Rücksicht auf die Diabetes versorgt worden war. Seine Frau Alice wurde benachrichtigt, sie habe die Leiche auf eigene Kosten abholen zu lassen. Ihre Nachfragen zum Tod ihres Mannes und zu den Todesumständen blieben unbeantwortet. Seine Beisetzung erfolgte auf dem Jüdischen Friedhof in Bremen-Hastedt. Seiner Witwe Alice gelang 1938 mit den beiden Kindern Rudolf und Cläre die Auswanderung nach Australien, wo die Familie ihre Namen änderte. Die Vornamen der Kinder wurden in Robert und Shirley geändert, der Nachname Freudenberg in Freeden umgewandelt. Das Geschäft von Leo Freudenbergs Eltern entging in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 den Plünderungen, doch es wurden die Schaufenster eingeschlagen. Moses Freudenberg wurde verhaftet. Nach seiner Entlassung aus der Haft konnte er mit seiner Tochter nach England flüchten, wo er am 26.5.1945 verstarb. Seine Frau Emilie war bereits 1934 verstorben. Im ehemaligen Konzentrationslager Esterwegen wird des Schicksals von Leo Freudenberg in der dortigen Dauerausstellung gedacht.

Alexandra Thoese/Barbara Ebeling (2016)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E4773
Gedenkstätte Esterwegen/ Dauerausstellung
http://www.spurensuche-bremen.de/spur/moses-freudenberg

Abbildungsnachweis: Privatbesitz

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Haftstätten in Bremen
Glossarbeitrag "Schutzhaft"