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Selma Feldheim, geb. Rosenbaum, *1883

eingewiesen 21.9.1940 in die "Heilanstalt" Wunstorf
ermordet 27.9.1940 Landesanstalt Brandenburg


Bauhüttenstr. 8
Bremen-Gröpelingen

Selma Feldheim


Selma Feldheim wurde am 21.6.1883 in Lünen geboren. Sie war die Tochter von Abraham Rosenbaum und seiner Ehefrau Julie, geb. Levi. Sie heiratete am 14.6.1911 in Derne den Schlachter und Viehhändler Ernst Feldheim. Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Walter (geb. 1912 in Dortmund) und Marianne (geb. 1913 in Lüdinghausen). Die Ehe wurde 1939 geschieden.

Im Jahr 1937 erlitt Selma Feldheim einen Schlaganfall, der dazu führte, dass sie im Februar desselben Jahres in die Bremer Nervenklinik eingewiesen wurde. Ihr Ehemann schilderte im späteren Scheidungsprozess, dass keinerlei Verständigung mehr mit ihr möglich gewesen sei. Der Klinikdirektor Dr. Steinmeyer attestierte, dass „eine Wiederherstellung irgendeiner geistigen Gemeinschaft vollkommen ausgeschlossen erscheint“.

Als im Frühjahr 1940 die systematische Erfassung und im Sommer desselben Jahres die Aussonderung und Tötung aller jüdischen Patienten in den psychiatrischen Anstalten begann, war auch Selma Feldheim davon betroffen. Am 21.9.1940 wurde sie mit zwei weiteren jüdischen Patientinnen aus Bremen in die als Sammelanstalt fungierende Heilund Pflegeanstalt Wunstorf bei Hannover „verlegt“. Am 27.9. brachten Busse der „Gemeinnützigen Krankentransport GmbH“, eine Tarnorganisation der SS, 158 Patienten zum Wunstorfer Bahnhof, von wo aus es mit angeblich unbekanntem Ziel weiter ging.

Ihre Tochter Marianne berichtete später über ihre Bemühungen, ihre Mutter zu finden:

"Meine Mutter [wurde] ohne vorherige Benachrichtigung eines ihrer Angehörigen aus der Heil- und Pflegeanstalt Osterholz bei Bremen fortgebracht. Auf mein wiederholtes Befragen wurde mir mitgeteilt, sie wüßten auch nicht, wo sie wäre. Ich solle einmal in Wunstorf oder in Godesberg nachfragen. Als ich es dann zuerst in Wunstorf versuchte, wurde mir gesagt, meine Mutter wäre wohl dort gewesen, aber schon wieder fort und wohin, wüßten sie nicht. [...] Daraufhin bekam ich nach mehreren Wochen eine Mitteilung der Deutschen Transportgesellschaft in Berlin. Diese sandte mir die Sterbeurkunde meiner Mutter zu [...]."

Nach dieser „Sterbeurkunde“, ausgefertigt in Chelm/Post Lublin, soll Selma Feldheim am 11.2.1941 in der „Irrenanstalt Chelm“ „in der Wohnung“ an Ruhr gestorben sein. Ihr Geburtsdatum ist fehlerhaft aufgeführt. Die „Urkunde“ wurde von einem Standesbeamten namens Ruhr unterschrieben. Mit „Urkunden“ dieser Art wurde der Patientenmord verschleiert. Diese Schriftstücke waren in der T4-Zentrale in Berlin (siehe Glossar „Euthanasie“) ausgefertigt und per Kurier nach Lublin gebracht worden, um von dort an Angehörige und Behörden verschickt zu werden. Tatsächlich wurde Selma Feldheim von Wunstorf aus am 27.9.1940 in die Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel transportiert, wo sie vermutlich noch am selben Tag in der Gaskammer ermordet wurde.

Ihr früherer Ehemann Ernst Feldheim war vom 17.6.1938 bis zum 21.1.1939 im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert und war „zwecks Betreibung seiner Auswanderung“ entlassen worden. Im April 1939 heiratete er Bertha Ahron. Er flüchtete nach Belgien, wurde dort 1940 verhaftet und kam nach Frankreich in das Lager Saint-Cyprien. Es gelang ihm zu fliehen und zu seiner Familie nach Brüssel zurückzukehren. Er wurde jedoch 1942 erneut verhaftet und im Sammellager Mechelen inhaftiert. Von dort kam er am 17.1.1943 in das Vernichtungslager Auschwitz. Sein Todestag ist nicht bekannt.

Ihr Sohn Walter konnte 1939 nach Schweden flüchten. Ihre Tochter Marianne hatte in Dörverden einen Nichtjuden geheiratet und musste dort längere Zeit versteckt – zeitweise in einem Erdbunker – leben.

Peter Christoffersen (2019)

Informationsquellen:
Archiv Klinikum Bremen-Ost, Krankenakte
StA Bremen 4,54-E4106, Einwohnermeldekartei
Engelbracht, Gerda: Der tödliche Schatten der Psychiatrie, Bremen1997
www.stiftung-bg.de (Gedenkstätte Brandenburg/Havel für die Opfer der Euthanasie-Morde)

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Euthanasie" / Zwangssterilisation
Glossarbeitrag "Heilanstalten"