Richard Anders, *1910
eingewiesen 14.8.1942 in die "Heilanstalt" Hadamar
ermordet 23.10.1942
Bersestr. 15
Bremen-Gröpelingen
Richard Anders
Richard AndersBersestraße 15
Am 12.9.1910 kam Richard Anders als Sohn des Schlossers Heinrich Anders und seiner Ehefrau Martha, geb. Müller, in Wilhelmsburg bei Hamburg zur Welt. Als man seinen Vater während des Ersten Weltkriegs zum Kriegsdienst einzog, wurde Richard zur Großmutter nach Bremen geschickt, während seine beiden Schwestern bei der Mutter blieben.
In Bremen ging Richard zunächst zur Volksschule, später zur Hilfsschule. Im Alter von 13 Jahren erlitt er beim Sturz vom Dach einen Schädelbasisbruch und war danach mehrere Tage bewusstlos. Nach der Schulentlassung arbeitete er auf der Werft, wurde aber nach einem Arbeitsunfall entlassen. Es folgten kurze Beschäftigungen als Schuhmacher, in einer Dosenfabrik und bei einem Bauern. Bemühungen des Vaters, ihn „mit Hilfe des Wohlfahrtsamtes in einer Anstalt unterzubringen“, wurden zurückgewiesen. Später berichtete der Vater, sein Sohn sei daraufhin beim Arbeitsdienst untergekommen und habe „sich dort völlig verändert“. Er sei von den „Kollegen stark gereizt“ und schließlich nach einem Wutanfall direkt in das evangelische Diakonissenhaus in Bremen eingewiesen worden.
Wegen „schwerer Depression mit Suicidgedanken“ überwies man den 24-Jährigen im September 1934 schließlich direkt in die Bremer Nervenklinik. Hier stellte ein Oberarzt die Diagnose „angeborener Schwachsinn und Schizophrenie“ und fertigte umgehend einen Antrag auf Unfruchtbarmachung aus. Nur zwei Monate nach seiner Aufnahme wurde das Erbgesundheitsgerichtsverfahren durchgeführt, und Mitte Dezember 1934 erfolgte die Zwangssterilisation des jungen Mannes in der Chirurgischen Klinik in der Bremer St.-Jürgen-Straße. In die Nervenklinik zurückverlegt, zog sich der 24-Jährige völlig in seine eigene Welt zurück, lebte in ständiger Todesangst und verließ kaum das Bett. Regelmäßig bekam er Besuch von seiner Großmutter, sehr selten von den Eltern. In den folgenden Jahren bemühten sich die Angehörigen hin und wieder erfolglos um die Entlassung des jungen Mannes.
In seiner Krankenakte findet sich die Durchschrift eines im September 1940 ausgefüllten Meldebogens. Die Meldebögen dienten in der ersten Phase des Krankenmordes dazu, diejenigen auszuwählen, die in einer der sechs Gasmordanstalten getötet werden sollten. Die im Meldebogen aufgeführten Angaben weisen darauf hin, dass der junge Mann als „nutzlose Existenz“ und damit von den Bremer Ärzten in die Gruppe der zu Tötenden eingeordnet wurde. Dementsprechend war im Meldebogen vermerkt: Es gelänge nicht, „ihn zur Arbeit heranzuziehen“, er sei „zeitweise sehr erregt“ und „unzugänglich“. Er sei als im „Endzustand“ anzusehen.
Am 14.8.1942 brachte man Richard Anders zusammen mit 125 anderen Patienten aus der Bremer Nervenklinik in die Anstalt Hadamar, wo er nur zwei Monate später am 23.10.1942 im Alter von 32 Jahren ermordet wurde.
Der Brief, den seine Eltern an den Direktor der Landesheilanstalt Hadamar richteten, nachdem sie vom Tod ihres Sohnes erfahren hatten, gehört zu den wenigen Dokumenten, in denen Angehörige ihre Empörung offen zum Ausdruck brachten. Zwischen den Zeilen tritt ihr Argwohn an einer natürlichen Todesursache deutlich hervor:
"Am 4. Nov. erhielten wir Ihre äußerst kurze Mitteilung, dass unser Sohn Richard […] in Ihrer Anstalt verstorben ist und dass die Beisetzung auf dem Anstaltsfriedhof bereits stattgefunden hat. Zunächst möchten wir Ihnen darauf erwidern, dass uns Ihre überaus formelle Mitteilung befremdet hat und dass die mehr als herzlose Art des Stils Ihres Schreibens empörend ist. Alsdann wünschen wir unbedingt die Todesursache unseres Sohnes von Ihnen zu erfahren. Und dann bitten wir vor allen Dingen um Auskunft, mit welchem Recht Sie unseren Sohn auf Ihrem Anstaltsfriedhof beigesetzt haben, ohne uns überhaupt vorher Kenntnis von seinem Tode gegeben zu haben."
Gerda Engelbracht (2019)
Informationsquellen:
Archiv Landeswohlfahrtsverband Hessen K 12 Nr. 2825, Krankenakte Richard Anders
StA Bremen Akte des Erbgesundheitsgerichts
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Euthanasie" / Zwangssterilisation
Glossarbeitrag "Heilanstalten"