Dr. Friedrich Martens, *1880
ARBEITSERZIEHUNGSLAGER FARGE / LENNE 9.10.1944-16.12.1944
Überlebt
Am Wall 164
Bremen-Mitte
Verlegedatum: 03.03.2014
Am Wall 164 - Weitere Stolpersteine:
Friedrich Martens
Familienbiografie
Dr. Friedrich Martens
Bianca Martens, geb. Singer
Bianca Singer, jüdischen Glaubens, war seit 1906 mit dem Zahnarzt Dr. med. dent. Friedrich Martens verheiratet. Sie war am 19.3.1882 in Cottbus und er am 22.6.1880 in Verden geboren worden. Das Ehepaar hatte zwei Töchter: Ilse (1904-2001) und Anneliese (Daten unbekannt). Friedrich Martens war seit 1905 in Bremen als Zahnarzt tätig. Wohnung und Praxis waren Am Wall 164.
Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme begannen die Repressionen gegen das Ehepaar. Die zunehmenden Einschränkungen für die jüdische Bevölkerung wirkten sich auch im Tagesablauf in der Zahnarztpraxis aus. Bianca Martens durfte das Sprechzimmer ihres Mannes während der Sprechstunden nicht mehr betreten, sie durfte den Patienten nicht die Tür öffnen. Da ihr Ehemann als „jüdisch versippt“ galt, wurde er Opfer der Boykottmaßnahmen gegen jüdische Mediziner, was zu wirtschaftlichen Einbußen führte. Es kam zu regelmäßigen Belästigungen durch die Gestapo. Der Tochter Anneliese wurde für eine beabsichtigte Heirat ein Ehefähigkeitszeugnis verweigert, der Tochter Ilse das staatliche Examen als Diakonissin aberkannt.
In Bremen wurden die Boykottaufrufe vom Amt für Volksgesundheit herausgegeben. Dies war eine der NSDAP angegliederte Organisation und mit der örtlichen Umsetzung der NS-Rassenlehre und Erbbiologie beauftragt. Sein Leiter war der Chirurg Dr. Karl Schubert, der bis 1934 seine Praxis Am Wall 149 hatte. Aus dem Rundschreiben vom 20.8.1935: „Wenn ich heute an die gesamte deutsche Volksgemeinschaft Bremens und seiner Umgebung die Aufforderung ergehen lasse: ‚Der jüdische Arzt nur für Juden, aber nie für die deutschen Volksgenossen!‘, so tue ich das aus dem einzigen Wunsche heraus, die Volksgenossen vor Schaden zu behüten, der ihnen und der Volksgemeinschaft zugefügt wird, wenn sie mit ihrer Gesundheitspflege einen Arzt betreuen, der nicht ihren Blutes und damit bar jeden völkischen Willens ist.“ Am 3.11.1935 konkretisierte er in einem weiteren Rundschreiben diesen Aufruf, in dem er die Namen der jüdischen und jüdisch verheirateten Ärzte, Zahnärzte und Dentisten aufführte; darunter auch Dr. Martens. „Wer beim Juden kauft, sich vom jüdischen Rechtsanwalt betreuen und vom jüdischen Arzt behandeln läßt, ist ein Verräter an Volk und Vaterland.“
Am 9.10.1944 wurde Dr. Friedrich Martens verhaftet und in das Arbeitserziehungslager Farge eingewiesen. Am 17. Oktober kam er in das Lager Lenne und blieb dort bis zum 16.12.1944. Nach seiner Verhaftung beschlagnahmte die Gestapo Teile der Wohnung und verlangte deren Räumung. Bianca Martens hielt dem Druck nicht mehr stand und nahm sich am 19.10.1944 mit einer Überdosis Veronal das Leben. Sie verstarb im St.-Joseph-Stift und wurde auf dem Riensberger Friedhof beigesetzt.
Bei Friedrich Martens führten die ungewohnten schweren Erdarbeiten im Lager, bei schlechtem Wetter, teilweise im Wasser stehend, zu bleibenden Gesundheitsschäden. Der spätere Senator Wilhelm Nolting-Hauff berichtete in seinen Erinnerungen, dass nach dem Tode Bianca Martens die Häftlinge eines Abends im Lager anzutreten hatten. Der Lagerkommandant rief Friedrich Martens hervor und erklärte „feierlich“, „...dass er sich freue, den ‚Herrn Doktor‘, den er bisher nur mit dem Nachnamen angeredet hatte, als nunmehr unbelasteten deutschen Volksgenossen begrüßen und ihm den roten Streifen abnehmen zu können...“ (roter Streifen = Häftlingskennzeichnung).
Dr. Martens führte seine Zahnarztpraxis nach dem Krieg bis 1960 fort; er verstarb 1961.
Peter Christoffersen (2015)
Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E524, Einwohnermeldekartei, Sterbebuch 1944, 4,60/5-7082 (Nr. 4805)
Nolting-Hauff, Wilhelm: „Imis“ - Chronik einer Verbannung, Bremen 1946
AK Lebensgeschichten, Schicksale Bremer Christen jüdischer Abstammung nach 1933, in: Hospitium Ecclesiae, Band 23, Bremen 2009 (2.A.), S. 90/91
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Arbeitserziehungslager
Glossarbeitrag Rassengesetzgebung
Glossarbeitrag Haftstätten in Bremen

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