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Wolfgang Wille, *1900

Eingewiesen 1928 Bremer Nervenklinik, "verlegt" 9.12.1943 Heilanstalt Meseritz
Ermordet 13.3.1944


Knochenhauerstraße 41/42
Bremen-Mitte

Verlegedatum: 30.09.2014

Wolfgang Wille

geb. 11.02.1900 in Göttingen

Wolfgang Wille kam mit 20 Jahren erstmals als Patient in die Bremer Nervenklinik. Nach dem Tod des Vaters, einem Ereignis von wenigen Monaten zuvor, habe er aus dem väterlichen Geschäft („Bremer Cigaretten-Centrale Ernst Weiß“) Zigaretten entwendet und auf eigene Rechnung verkauft sowie eingetriebene Außenstände für sich behalten. Er wurde daraufhin auf seinen "Geisteszustand" untersucht. Im Krankenblatt wird ihm die Diagnose „Psychopathie“ gegeben.

Acht Jahre später (1928) wurde er erneut aufgenommen und blieb. Durch Lachen, Kopfschütteln und Händereiben sei er immer wieder auf der Straße auffällig geworden. Eine Schwester von Wolfgang Wille berichtete, dass er nach zwei Jahren Tätigkeit als Krankenwärter außerhalb Bremens wieder zurückgekehrt war und anfänglich mit Zigaretten und Schokolade gehandelt habe. Dann sei er nur noch zu Hause bei der Mutter gewesen, habe meist im Bett gelegen und gelesen – Bücher, die die Schwester, ihm besorgt habe. 1929 wurde er entmündigt und 1934 wurde „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ an ihm eine Sterilisation vorgenommen. Er arbeitete meist in der Kartoffelschälerei, kapselte sich von seinen Mitpatienten ab.

Nach der Bombardierung der Bremer Nervenklinik im November 1943 mit erheblichen Schäden wurde eine Gruppe von mehr als dreihundert Patienten zusammengestellt, die als nicht nützlich für die Aufräumarbeiten angesehen wurden. In einem Sonderzug (Dritte-Klasse-Wagen der Reichsbahn, z.T. ohne Heizung), der am 9. Dezember 1943 in Bremen losfuhr, kamen sie nach achtzehnstündiger Fahrt in der "Heil- und Pflegeanstalt" Meseritz Obrawalde (60km östlich von Frankfurt/Oder) an. In dieser Anstalt wurden seit den vierziger Jahren Patienten, die aus ganz Deutschland kamen, mit Spritzen, durch Nahrungsentzug oder durch ausbleibende Pflege umgebracht. Von den Patienten aus Bremen waren dies 266 Menschen.

Wolfgang Wille gehörte zu ihnen. Am 13. März 1944 war er tot. "Lungenfellentzündung" ist als pro-forma-Todesursache angegeben. Er wurde 44 Jahre alt.

Verfasser:
Wolfgang Smitmans (2014)

Informationsquellen:
Archiv Klinikum Bremen-Ost, Krankengeschichte Wolfgang Wille
Gerda Engelbracht, Der tödliche Schatten der Psychiatrie,Bremen 1997
Ernst Klee, „Euthanasie“ im Dritten Reich, Frankfurt/M 2010

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Euthanasie" / Zwangssterilisation
Glossarbeitrag "Heilanstalten"