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Lars Sundmäker, *1937

1943 MEHRMALS EINGEWIESEN PFLEGEANSTALT LÜNEBURG "KINDERFACHABTEILUNG", BEHANDELT BIS 29.12.1944
ERMORDET 3.1.1945


Gellertstraße 76
Bremen-Neustadt

Verlegedatum: 13.10.2020

Lars Sundmäker


Lars wurde 1937 in Bremen geboren. Im Alter von zwei Jahren erkrankte er an einer Hirnhautentzündung und war seitdem geistig behindert. Im März 1943 stellte Lars‘ Mutter - ihr Mann war zum Kriegsdienst eingezogen - beim Hauptgesundheitamt einen Antrag auf „Unterbringung des Kindes für die Kriegsdauer in einem geeigneten Heim“, da der „Aufenthalt im Bunker während des Fliegeralarms sehr mühsam“ sei.

Sehr bald wurde der Familie ein Platz in der Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt vermittelt. Am 11.5.1943 brachten seine Mutter und Großmutter den Jungen erstmals in die dortige „Kinderfachabteilung“. Zwischen 1940 und 1945 gab es mindestens 30 dieser Abteilungen, die im NS-Staat der „Kinder-Euthanasie“ und damit der Tötung von Kindern und Jugendlichen dienten, die körperlich oder geistig behindert waren.

In einem sehr direkten Brief wandte sich der in Italien stationierte Vater im Februar
1944 an den Anstaltsleiter. Bei einem Besuch in Lüneburg habe ihn und seine Frau die
„schlechte körperliche Verfassung“ des Sohnes beinahe umgeworfen: "Der arme Junge ist in der Zeit von wenigen Monaten derart zusammengefallen, dass wir die schlimmsten Befürchtungen hegen müssen. Ich bitte Sie daher, zumal Sie seinerzeit zu einer von mir gewünschten Rücksprache nicht anwesend waren, unumwunden zu erklären, wie Sie die weitere Lebensfähigkeit meines Jungen beurteilen. Würden Sie mir auch eine Erklärung darüber abgeben können, worauf der schnelle Verfall bzw. die Abzehrung des Lars
zurückzuführen ist? Seinerzeit haben wir ihn doch frisch und kräftig eingeliefert und die an-
deren Kinder dort befinden sich doch auch nicht in solch schlechter Verfassung. [...] Wäre
der Terrorkrieg nicht gekommen, hätten wir ihn nicht nach dort gebracht und auch dieses
sollte nur vorübergehender Art sein, bis wir wieder über ein eigenes Haus bzw. Wohnung
verfügen könnten."

In der Lüneburger Anstalt erkrankte Lars laut Krankenakte immer wieder an hohem Fie-
ber und hatte epileptische Anfälle. In einem Brief an den Vater schrieb der Leiter der
„Kinderfachabteilung“ Dr. Willi Baumert: „Bei der Schwere des Hirnleidens ist daher [...] nicht mehr mit einer Besserung zu rechnen, vielmehr kann er schon infolge der auftre-
tenden Anfälle plötzlich zum Tode kommen.“

In den Notizen der Krankenakte wurde Lars von Dr. Baumert als „bildungsunfähig“ eingestuft. Diese Einschätzung kam einem Todesurteil gleich. Lars starb nur wenige Tage vor seinem achten Geburtstag am 3.1.1945 in der Lüneburger „Kinderfachabteilung“. Die offizielle Todesursache lautete: „Grippe, Pleuritis“.

Gerda Engelbracht (2020)

Informationsquellen:
Engelbracht, Gerda: Medizinverbrechen an Bremer Kindern und Jugendlichen in der Zeit des Nationalsozialismus,
Frankfurt am Main 2014

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Euthanasie" / Zwangssterilisation
Glossarbeitrag "Heilanstalten"
Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover 155 Lüneburg Acc. 56_83 Nr. 405