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Heymann Simche, *1878

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Karl-Peters-Str. 35
Bremen-Walle
ehemalige Straßenbezeichnung: Gerhard-Rohlfs-Str. 35


Karl-Peters-Str. 35 - Weitere Stolpersteine:


Heymann Simche


Familienbiografie
Heymann Simche
Frieda Simche, geb. Holz
Johanna Simche
Richard Simche

Heymann Simche wurde am 16.5.1878 als Sohn von Ruben Simche und Pauline Chaim in der damals preußischen Stadt Znin (bei Posen) geboren. Er hatte einen Bruder Moritz (geb. 1870) und eine Schwester Johanna (geb. 1875). Heymann Simche absolvierte seinen Militärdienst in Bromberg und wurde sofort nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges eingezogen, 1917 wurde er verwundet.

Nach 1919 fiel seine Heimatstadt an Polen, und er musste gemeinsam mit seiner Familie zwangsweise Znin verlassen. In Znin hatte er am 16.7.1914 Frieda Holz (geb. 26.2.1878 in Miloslaw, Kreis Wreschen) geheiratet, und dort wurde am 26.9.1919 ihr Sohn Richard Leon geboren. Seit 1922 war Familie Simche in Bremen, Gerhard-Rohlfs-Straße 35 (heute Karl-Peters-Straße 35) gemeldet. Bei ihnen lebte Heymann Simches ledige Schwester Johanna.

Heymann Simche betrieb im Haus eine Schneiderei und einen Konfektionsbetrieb. Seine Frau arbeitete im Geschäft mit, seine Schwester führte den Haushalt. Das Geschäft fand zunächst regen Zuspruch. Ab 1932 durfte Heymann Simche sogar als Schneidermeister fungieren, weil er den örtlichen Behörden glaubwürdig versichern konnte, dass ihm sein Meisterbrief auf der Flucht aus Polen abhanden gekommen war. Durch die Boykottmaßnahmen der Nationalsozialisten gestaltete sich das Leben der Familie Simche zunehmend schwer. Sohn Richard konnte seine kaufmännische Lehre nicht beenden, und der Konfektionsbetrieb musste am 19.12.1936 eingestellt werden. In der Reichspogromnacht 9./10.11.1938 wurden „die Schaufensterscheiben zertrümmert, die Nähmaschinen lagen draußen, die Stoffballen zerschnitten, zertreten, auseinander gewühlt, das Straßenlicht zerschossen“, wie später Nachbarn berichteten. Richard Simche wurde verhaftet, in das Zuchthaus Oslebshausen gebracht und von dort in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Am 3.1.1939 kehrte er nach Hause zurück.

Zum 29.12.1938 musste Heymann Simche schließlich auch das einzige ihm verbliebene Gewerbe Schneiderei abmelden. Am 19.1.1939 fand er den Mut, sich an den Bremer Senat zu wenden mit der Bitte, wenigstens für seine Glaubensgenossen seinen Beruf weiter ausüben zu dürfen. Sein Gesuch wurde wenige Tage später unter Hinweis auf die Rechtslage abgelehnt.

Die Familie versuchte Deutschland zu verlassen, doch dies gelang ihr nicht. Am 15.4.1940 wandte sich Heymann an das Bremer Gewerbeamt; am 9.5.1940 wurde ihm genehmigt, Schneidertätigkeiten für die jüdische Kleiderkammer und die jüdischen Glaubensgenossen auszuführen. Zu dem Zeitpunkt konnten Juden weder Reichskleiderkarten noch Bezugsscheine für Spinnstoffe bekommen, so dass sie auf gebrauchte bzw. geänderte Kleidung angewiesen waren.

Am 18.11.1941 wurden Heymann, Frieda, Richard und Johanna Simche in das Ghetto Minsk deportiert und ermordet. Sofern sie nicht den Entbehrungen im Ghetto erlagen, wurden sie Opfer einer der Massenmordaktionen, die Ende Juli 1942 begannen.

Barbara Ebeling (2019)

Informationsquellen:
StA Bremen Senatsakte 3-J5 (163), Einwohnermeldekartei
Bruss, Regina: Die Bremer Juden unter dem Nationalsozialismus, Bremen 1983
Eckler-von Gleich, Cecilie/Kühne, Rosie: Juden in Walle, Bremen 1990
www.genealogie.netz.de

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk