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Ernestine Rosenblum, geb. Felczer, *1896

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Thedinghauser Str. 46
Bremen-Neustadt


Thedinghauser Str. 46 - Weitere Stolpersteine:


Ernestine Rosenblum

Ernestine Rosenblum

Familienbiografie
Heinrich Rosenblum
Ernestine Rosenblum, geb. Felczer
Irmgard Rosenblum
Toni Rosenblum

Heinrich (Chaim) Rosenblum wurde am 9.7.1892 in Chrzanow/ Galizien geboren. Er war der älteste Sohn des Buchbinders Berek (Bernhard) Rosenblum und seiner Ehefrau Temer, geb. Schudmak (geb.1869), die seit 1901 in Bremen lebten. Zur Familie gehörten sieben Kinder, die alle im Haus Schnoor 3 aufwuchsen.

Heinrich Rosenblum arbeitete nach Abschluss der Schule als Glasergehilfe in der Firma Franz Hoyer, Westerstraße. 1912 richtete sein Vater u.a. für Heinrich ein Einbürgerungsgesuch an die Freie Hansestadt Bremen, denn er wünschte, „dass seine Söhne ihrer Militärpflicht in Deutschland genügen“. 1913 wurde Heinrich zum Militär eingezogen und nahm dann am Ersten Weltkrieg (1914-1918) teil, zuletzt als Sanitätsunteroffizier. Ihm wurden das Eiserne Kreuz und das Bremische Hanseatenkreuz verliehen. Da er sich als deutscher Patriot verstand, wurde er nach Kriegsende Mitglied im „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“.

Am 16.4.1920 heiratete er die Bremerin Ernestine Felczer (geb. 14.2.1896), Tochter von Saul David Felczer und Rosalie Rachela Richter. Das Ehepaar Rosenblum hatte vier Kinder: Senta (geb. 1921), Bernhard (geb. 1922), Irmgard (geb. 1928) und Toni (geb. 1937). 1924 erwarb die Familie ein Wohnhaus mit großem Lagerplatz in der Thedinghauser Straße 46, wo Heinrich Rosenblum einen Handel mit Papier, Lumpen, Knochen und unedlen Metallen aufnahm und eine Metallgroßhandlung betrieb. Im Betrieb beschäftigte er mehrere Arbeiter und im Haushalt ein Hausmädchen. Er lebte „ein bescheidenes ehrenwertes Leben und zog seine Familie mit Fleiß und Ergebung auf“ – so der seinerzeitige Rabbiner Dr. Felix Aber.

Nach der Machtübernahme 1933 durch die Nationalsozialisten und im Zuge der Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte, Firmen und Unternehmen verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Familie. Auf der Immobilie Thedinghauser Straße 46 lasteten hohe Schulden; mehrfach drohte die Zwangsversteigerung. Angesichts dieser Entwicklung reiste die gesamte Familie Rosenblum am 7.11.1938 nach Hamburg, um Visa für eine Auswanderung in die USA zu beantragen.

In der Reichspogromnacht wurde Heinrich Rosenblum in seinem Haus um vier Uhr morgens ermordet – von den SA-Männern und Brüdern Wilhelm und Ernst Behring. Sie verlangten seinen Personalausweis. Als er sich umdrehte, um diesen wieder wegzulegen, schoss ihm Wilhelm Behring in den Hinterkopf. Nach der Tat liefen die Behring-Brüder in ihre Dienststelle in der Neustadt (Isarstraße 1) zurück. Das Haus der Familie Rosenblum wurde weder demoliert noch geplündert. Die Witwe Ernestine Rosenblum flüchtete am nächsten Morgen in das Konsulat von Uruguay – aber weder dort noch in der Nachbarschaft half man ihr in ihrer Notlage.

Zwei Tage nach der Ermordung wurde die Leiche ihres Ehemannes gemeinsam mit der Leiche der ebenfalls in der Neustadt erschossenen Selma Zwienicki (siehe Biografie in diesem Band) auf einem Lastwagen zum jüdischen Friedhof in Hastedt gebracht. Der damals 15-jährige Martin Bialystock (siehe Biografie im Band Mitte dieser Reihe) und ein gleichaltriger Junge mussten die Gräber ausheben, die Leichen hineinlegen und ohne jegliche Zeremonie die Gräber wieder zuschütten.

Heinrich Rosenblums Sohn Bernhard, von Beruf Metallmechaniker, wurde im Zuge der Reichspogromnacht verhaftet, musste die Nacht in einer der Sammelstellen verbringen und frühmorgens durch die Stadt zum Zuchthaus Oslebshausen marschieren wie weitere über 170 jüdische Männer. Er wurde wie alle anderen am nächsten Tag in das KZ Sachsenhausen deportiert. Durch die brutale Behandlung im Konzentrationslager erlitt er schwere gesundheitliche Schäden. Nach mehreren Wochen wurde er entlassen, nachdem seine Mutter die für ihn erforderlichen Auswanderungspapiere vorlegen konnte. Ende Dezember 1938 wanderte er in die USA aus, wohin seiner Schwester Senta bereits am 23.11.1938 die Flucht gelungen war. Ernestine Rosenblum sah sich nach den dramatischen Ereignissen psychisch außerstande, die Auswanderung auch noch für sich und die beiden jüngeren Töchter zu regeln. Sie wurde mit ihren Töchtern Irmgard und Toni – vierzehn und fünf Jahre alt – am 18.11.1942 in das Ghetto Minsk deportiert und ermordet. Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.

Barbara Ebeling (2020)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E3954, 4,54-Ra376, 4,54-Ra377, 4,54-Ra6058, 4,54-Ra6059, 4,54-E10006, 4,54-E11882, Einwohnermeldekartei; Rübsam, Rolf: Sie lebten unter uns, Bremen 1988; Lührs, Wilhelm u.a.: „Reichskristallnacht“ in Bremen, Bremen 1988; DENKORTE-Initiative-Neustadt: Spurensuche Bremen 1933-1945, Bremen 2018

Abbildungsnachweis: Staatsarchiv Bremen

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Novemberpogrom
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag Minsk