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Ludwig Weiss, *1881

verhaftet 10.11.1938 KZ Sachsenhausen
tot 14.11.1938


Brahmsstr. 3
Bremen-Schwachhausen


Brahmsstr. 3 - Weitere Stolpersteine:


Ludwig Weiss

geb. 8.2.1881 in Sulmiesice (Sulmierschütz), Posen

Ludwig Weiss besuchte die Schule in Sulmierschütz und absolvierte eine kaufmännische Lehre. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte er ein Schuhgeschäft in Bremerhaven. Seine spätere Ehefrau Rosa, geb. Bornstein, geb. 26.1.1884 in Brätz/ Kreis Tirschtiegel war in dem Bremerhavener Kaufhaus Schocken angestellt. Nach der Heirat siedelte das Paar am 26.9.1911 nach Varel (Amt Varel, ab 1933: Kreis Friesland) über, in der Annahme, in der norddeutschen Kleinstadt günstige Voraussetzungen für eine Existenzgründung zu finden. In der Vareler Zeitung "Der Gemeinnützige“ vom 13.9.1911 erschien folgende Anzeige:
"Voranzeige! Am 1. Nov. cr. eröffnet die Einkaufszentrale J. Schocken Söhne, Zwickau i. S. unter der Firma Kaufhaus Ludwig Weiss im Meinenschen Hause, Schloßstr. 8 (vormals Detmold Tasse) ihr zwanzigstes modernes Zweiggeschäft.“

Angeboten wurden u. a.: Kurzwaren, Bänder, Besätze, Futterstoffe, Strümpfe, Handschuhe, H. u. D. Artikel, Schreibwaren, Seifen, Bürsten, Lederwaren.

Ludwig Weiss nahm am Ersten Weltkrieg teil. Nach seiner Rückkehr erweiterte er das Warensortiment des Geschäftes und nahm Umbau- und Erweiterungsbaumaßnahmen vor. Ein (undatiertes) Foto zeigt das Kaufhaus, das an einer Vareler Straßenkreuzung (Eckhaus Schloßstraße/ Hindenburgstraße 3) lag und sechs große Schaufenster hatte. Wegen seiner preisgünstigen Angebote wurde das Kaufhaus schon nach wenigen Jahren eine begehrte Einkaufsquelle für Menschen mit mittlerem und geringerem Einkommen.

Ludwigs Frau Rosa arbeitete ganztägig im Geschäft; sie betreute die Gardinen-, Lederwaren- und Spielzeugabteilung. Insgesamt sollen 15 VerkäuferInnen fest angestellt gewesen sein, und in Stoßzeiten kamen Aushilfskräfte hinzu.

Im ersten Stock bewohnte die Familie eine 6-Zimmer-Wohnung. Für den Haushalt war eine Hilfe eingestellt worden. Das Ehepaar konnte sich Reisen, auch ins Ausland, leisten.

In Varel wurden die beiden Kinder geboren: Erich (Gideon), geb. 14.9.1912, und Ruth, geb. 31.7.1914. Ruth war bis zum 1.5.1934 in Varel gemeldet; sie wanderte zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Israel aus. Erich (Gideon) gelang am 18.7.1936 die Auswanderung nach Israel, wo er am 6.7.1956 verstarb.

Mit Beginn des Boykotts jüdischer Firmen gingen die Geschäfte von Ludwig Weiss immer schlechter. Es gab Boykottposten vor dem Warenhaus und Kunden, die es betreten wollten, wurden daran gehindert. Am 15.2.1936 verpachtete er sein Geschäft, und seine Frau verkaufte es am 15.12.1938 an den bisherigen Pächter.

1933 lebten in Varel 19 jüdische Familien mit 39 Personen, von denen bis 1938 etwa 20 den Ort „freiwillig“ in Richtung deutsche Großstädte oder in das Ausland verließen. Ludwig und Rosa Weiss meldeten sich am 19.2.1936 in Varel ab und waren ab 6.3.1936 in Bremen, Brahmsstraße 3, gemeldet. Gleichzeitig betrieb das Paar seine Auswanderung aus Deutschland. Umzugsgut wurde bereits nach Triest/Italien abgeschickt. Die näheren Umstände bzw. die Gründe für das Scheitern des Vorhabens sind bisher nicht bekannt. Das Umzugsgut wurde beschlagnahmt.

In der Pogromnacht 1938 wurde Ludwig Weiss verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Ein Mithäftling erklärte an Eides statt, dass Ludwig Weiss am Morgen des 14.11.1938 tot auf seinem Schlafplatz gefunden und noch mit auf den Appellplatz geschleift worden war, damit beim Appell die Gesamtzahl der Häftlinge stimmte. Der genaue Zeitpunkt seines Todes bzw. die genaue Todesursache sind ungeklärt. Unzweifelhaft ist jedoch, dass Ludwig Weiss infolge der Deportation und der erlittenen Strapazen gestorben ist.

Seine Witwe Rosa Weiss musste noch in das "Judenhaus" General-Ludendorff-Straße 27 (heute Bürgermeister-Smidt-Straße) umziehen.

Am 18.11.1941 wurde sie von Bremen aus in das Ghetto Minsk deportiert. Dort wurde sie ermordet: sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlag, fiel sie einer der Massenmordaktionen, die Ende Juli 1942 begannen, zum Opfer.

Im Jahre 2009 wurde in der Stadt Varel diskutiert, eine Straße, die den Namen des einst führenden Vareler NSDAP-Repräsentanten Friedrich Wegener hatte, umzubenennen. Dieses wurde zwar vom Stadtrat einstimmig beschlossen, doch kam der unter anderen eingebrachte Vorschlag für eine Ludwig-Weiss-Straße nicht zum Zuge.


Verfasserin:
Barbara Ebeling (2013)

Informationsquellen:
Staatsarchiv Bremen, Akte 4,54-E4157
Stadtarchiv Varel, Auskunft v. 16.07.2013
www.buergerinfo.varel.de
Nordwestzeitung, Ausgaben vom 17.4.2009 und 16.5.2009
Obenaus, Herbert (Hrsg.): Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, 2 Bände, Göttingen 2005, S. 1500
Brahms, Rudolf,Geschichte einer ungeliebten Minderheit : die Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Varel von ihren Anfängen im 17. Jahrhundert bis zu ihrem Untergang in nationalsozialistischer Zeit, Oldenburg 2006

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Judenhäuser"
Glossarbeitrag Sachsenhausen
Glossarbeitrag Minsk