Dr. Adolph Goldberg, *1860
Pogromopfer
erschossen 10.11.1938
Bremerhavener Heerstr. 18
Bremen-Burglesum
ehemalige Straßenbezeichnung: Bahnhofstr. 144
Bremerhavener Heerstr. 18 - Weitere Stolpersteine:
Adolph Goldberg

Familienbiografie
Dr. Adolph Goldberg
Martha Goldberg, geb.Sussmann
Am 13. 2. 1860 in Soltau geboren, lebte Adolph Goldberg schon in seiner Jugend in der damals preußischen Gemeinde Burgdamm. Sein Vater, der Kaufmann David Goldberg, ermöglichte ihm eine höhere Schulbildung in Vegesack, die zum Abitur und zum Universitätsstudium führte. 1883 war Adolph Goldberg Student der Naturwissenschaften in Göttingen. Seine medizinische Ausbildung konnte er 1888 abschließen und in Burgdamm das Haus Bahnhofstraße 144 (heute Bremerhavener Heerstraße 18) erwerben, in dem er seine Praxis betrieb.
Am 5.6.1895 heiratete er die aus wohlhabender Schweriner Familie stammende, am 4.8.1873 geborene Martha Sussmann, die zu seinen ärztlichen Erfolgen wesentlich beitragen konnte. Die moderne, allem Neuen aufgeschlossene Frau vermochte Haushalt, Familienleben und tatkräftige Mithilfe in der Arztpraxis geschickt zu koordinieren, wobei sie noch rege gesellschaftliche Kontakte pflegte. Oft begleitete sie ihren Mann bei seinen Krankenbesuchen und führte ihm in seinem Hause die Bücher. Vor allem aber unterstützte sie sein soziales Engagement als Arzt. Bereits um die Jahrhundertwende halfen die Goldbergs aus persönlicher Initiative und aus eigenen Mitteln notleidenden Menschen, verarmten kinderreichen Familien, deren Ernährer vorwiegend in der nahegelegenen Bremer Wollkämmerei arbeiteten. Für sie „wurde bei Doktors gekocht“. Belegt ist diese private Sozialfürsorge auch für die Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg und besonders für die von Massenarbeitslosigkeit gekennzeichneten Jahre am Ende der Weimarer Republik, als Adolph Goldberg nicht nur für unterernährte Menschen kochen ließ, sondern „ausgesteuerte“ Patienten auch kostenlos behandelte.
Dr. Goldbergs ärztliche Kunst wurde 1918 mit dem ihm verliehenen Titel „Sanitätsrat“ besonders gewürdigt. Er galt als „ausgezeichneter Geburtshelfer“, und selbst Krankenhäuser nahmen seine Hilfe auf diesem Gebiet in Anspruch. Allgemein bekannt war die Sicherheit seiner Diagnosen. Zum Arbeitsalltag des Arztes gehörten auch Fahrten zu Patienten in der ländlichen Umgebung seines Heimatortes, für die ein Fuhrunternehmer eine Droschke für ihn bereithielt. Selbst spätabends oder nachts konnte man mit seiner Hilfe rechnen, auch in seinem Hause. „Privat“ war dieses Haus ein Treffpunkt für viele Menschen aus nah und fern. Das Ehepaar hatte drei Kinder, deren zahlreiche Freunde bei ihnen ein- und ausgingen. Nach Gertrud waren die Zwillinge Käthe und Kurt am 2.1.1899 geboren worden. Martha Goldberg wurde seitdem von einem Kindermädchen entlastet, während eine Hausgehilfin den größten Teil der Haus- und Küchenarbeit besorgte. Die Anhänglichkeit ihrer Hausangestellten beglückte die Goldbergs, und auch fast die gesamte Nachbarschaft stand in ständigem herzlichen Kontakt mit ihnen; ihr gesellschaftlicher Umgang beschränkte sich nicht auf einen „gehobenen“ Freundeskreis, Honoratioren des Ortes, zu denen sie sich selbst zählen durften. Ihre Meidung in der Nazizeit musste umso bitterer von ihnen empfunden werden.
Adolph Goldberg betrachtete den politischen „Umbruch“ in Deutschland von der Weimarer Republik zum Naziregime mit Sorge, fühlte sich aber „zu sesshaft“, um eine unmittelbare Gefahr für sich und seine Frau erkennen zu können. Die Möglichkeit einer Emigration, auf die ihn seine Tochter Käthe ansprach, wies er deshalb weit von sich. Die junge Frau, die das soziale Engagement ihrer Mutter schon früh unterstützt hatte und in Hamburg zur Krankenschwester ausgebildet worden war, reiste am 11.9.1937 schweren Herzens allein nach Südafrika aus, von wo sie erst nach dem Ende des NS-Regimes nach Europa zurückkehrte. Ihre Schwester Gertrud, seit dem 4.6.1922 mit dem Nienburger Textilkaufmann Hans Friedheim verheiratet, war schon zuvor mit ihrem Mann nach Montevideo/Uruguay emigriert. Der Sohn Kurt Goldberg hatte 1930 seinem Leben ein Ende gesetzt. Das vereinsamte alte Ehepaar hätte nun viel Hilfe und Zuspruch gebraucht, doch nur wenige Freunde besuchten sie noch in ihrem Haus. Viele andere vertraute Menschen gingen ihnen aus dem Weg, manche von Martha Goldberg sogar dazu aufgefordert, um ihnen „Schwierigkeiten zu ersparen“. Die „Selbstisolierung“ wurde „akzeptiert“. Bekanntlich lebten die Goldbergs zunehmend auch in finanzieller Not, denn die allgemeine Diffamierung der Juden hatte schon 1934 zu einem spürbaren Rückgang der Arztpraxis geführt. Seit dem 25.7.1938 war Adolph Goldbergs Approbation als Arzt vollends erloschen. Er hätte jetzt nur noch jüdische Patienten als „Krankenbehandler“ betreuen können.
Als in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 stürmisch an seiner Haustür geklingelt wurde, standen hier nicht – wie so oft – Notfallpatienten, sondern seine Mörder, Angehörige einer Lesumer SA-Einheit. Adolph und Martha Goldberg, 78 und 65 Jahre alt, wurden von dem „Scharführer“ August Frühling erschossen, ihre Leichen bei Dunkelheit auf den jüdischen Friedhof in Ritterhude verbracht. Die Trauerbekundungen vor dem Hause der Goldbergs verstummten bald, als die Täterschaft des Naziregimes offenbar wurde. Bis zum Ende der NS-Zeit konnte sich niemand um ihr Grab kümmern.
Die Erinnerung an das jüdische Ehepaar Goldberg ist in der Region Bremen-Nord besonders lebendig geblieben. Fast ein halbes Jahrhundert lang hatte Dr. Goldberg als praktizierender Arzt in seinem Heimatort gewirkt, gemeinsam mit seiner Frau hochangesehen. 1985 wurde hier ein öffentlicher Platz an der Bremerhavener Heerstraße/Ecke Kellerstraße in Burgdamm in Goldbergplatz umbenannt. Ein Gedenkstein erinnert an die Ermordung des Ehepaares.
Rolf Rübsam (2013)
Informationsquellen:
Rübsam, Rolf: Lebensbilder der Pogromopfer Martha und Adolph Goldberg (1985) und Leopold Sinasohn (1987) mitzahlreichen Dokumenten und Bildmaterial als Beiträge zur Ausstellung des Staatsarchivs Bremen „…sofort über den Haufen schießen …“ (1988)
ders.: Sie lebten unter uns. Zum Gedenken an die Opfer der „Reichskristallnacht“ 1938 in Bremen und Umgebung, Bremen 1988
Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen (Hrsg.): Die „Reichskristallnacht“ in Bremen, Bremen 1988
Abbildungsnachweis: Staatsarchiv Bremen
Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Novemberpogrom