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Frieda Ostro, geb. Mautner, *1881

deportiert 1942 nach Theresienstadt
ermordet in Treblinka


Feldstr. 27
Bremen-Östliche Vorstadt


Feldstr. 27 - Weitere Stolpersteine:


Frieda Ostro

geb. 30.3.1876

Frieda Helene Ostro, geborene Mautner, wurde als mittleres Kind von fünf Geschwistern - von denen vier das Erwachsenenalter erreichten - in Neddenaverbergen geboren. Ihr Großvater und Vater ihrer Mutter Rieke Grünstein hatte dort 1854 Landbesitz erwerben können.

Samuel Sally Ostro wurde am 30.3.1876 als jüngstes von vier Kindern in Sedziszow, einer kleinen Stadt in Westgalizien, geboren. Die Eltern blieben bis an ihr Lebensende in ihrer galizischen Heimat, während ihre vier Kinder in jungen Jahren im Zuge der Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden Migrationsswelle aus Osteuropa nach Norddeutschland auswanderten.

Samuel Ostro ließ sich in Oldenburg i. O. nieder. Am 4.12.1905 wurde er in Bremerhaven, wo er vorübergehend lebte, eingebürgert und heiratete im darauf folgenden Sommer in Neddenaverbergen (bei Verden) Frieda Mautner. Die Heirat fand am Heimatort der Braut statt, wo ihre jüdischen Vorfahren mütterlicherseits seit Generationen heimisch waren.

1914 eröffnete Samuel Ostro - in den Fußstapfen des älteren Bruders, dessen Berufser- fahrung und geschäftliche Verbindungen er wohl hat nutzen können – in der Oldenburger Innenstadt einen Laden für Weißwaren und Spitzen, zunächst in der Staustraße 20. Im selben Jahr ließ er seine Firma ins Oldenburger Handelsregister eintragen. 1919 erwarb er dann ein Hausgrundstück in der Staustraße 3-4 und zog mit seinem Geschäft dorthin um. Im Erdgeschoss des Hauses befanden sich der Verkaufsraum, das Kontor und Lagerräume, das erste Geschoss bewohnte das Ehepaar selbst. Angestellte sollen im Geschäft nicht tätig gewesen sein. Wahrscheinlich wird Frieda Ostro ihren Mann im Laden unterstützt haben. Es muss sich um ein eher kleineres Geschäft gehandelt haben, das Anfang der 1930er Jahre von den Turbulenzen der Weltwirtschaftskrise betroffen gewesen sein dürfte. Krisenverschärfend kam der wachsende Antisemitismus in der Bevölkerung hinzu, konnte doch die NSDAP im Land Oldenburg schon im Mai 1932 die absolute Mehrheit gewinnen und die Alleinregierung stellen. Vermutlich hat großer wirtschaftlicher, politischer und persönlicher Druck Samuel Ostro dazu bewogen, sein Geschäft aufzugeben und sich zur Ruhe zu setzen. Nach langwierigen Verhandlungen bezog schließlich die Firma Tengelmann zum 1.10.1932 die Geschäftsräume in der Staustraße 3-4. Das Ehepaar lebte fortan von seinen Ersparnissen und den Mieteinnahmen.

1938 sah sich Samuel Ostro gezwungen, das Grundstück in der Staustraße zu verkaufen, weil ihm ein Restdarlehen plötzlich gekündigt wurde, das durch eine auf dem Haus lastende Hypothek gesichert war, und er ein neues Darlehen nicht erlangen konnte. Der Verkauf im Dezember 1938 wurde zwischen den Parteien ausgehandelt, was schon einen Monat später nicht mehr möglich gewesen wäre. Die Ostros konnten jedoch über den Erlös aus dem Hausverkauf nicht frei verfügen, da sie ein „beschränkt verfügbares Sicherungskonto“ einrichten mussten, also ein „Sperrkonto“. Das bedeutete, dass für jede über einen geringen monatlichen Freibetrag hinausgehende Belastung des eigenen Kontos die Genehmigung der Oberfinanzdirektion Weser-Ems erbeten werden musste, die willkürlich erteilt oder versagt werden konnte. Wie erniedrigend für die Betroffenen dieses Verfahren war, mag der nebenstehende Antrag illustrieren.

Das nun wohnungslos gewordene Ehepaar kam in Oldenburg in der Staulinie 17 in einem Haus unter, das Frieda Ostros Geschwistern gehörte. Dort wohnte noch eine fünfköpfige jüdische Familie, die - mit Ausnahme einer Tochter - den Holocaust nicht überleben sollte wie auch die noch verbliebenen 12 Schüler und die beiden Lehrer der Jüdischen Volksschule des Landes Oldenburg, die von Anfang 1939 bis April 1940 im selben Gebäude untergebracht war. Samuel Ostro hatte für seine Schwägerin und den Schwager, dessen Vormund er war, schon in den 1930er Jahren die Verwaltung des Hauses übernommen.

Samuel und Frieda Ostro verließen Oldenburg zwangsweise am 23.5.1940. Sie kamen nach einem kurzen Zwischenaufenthalt bei den Verwandten in Neddenaverbergen nach Bremen, wo sie am 22.5.1940 in das„Judenhaus“ in der Feldstraße 27 eingewiesen wurden. Sie wohnten dort bei der der Kaufmannswitwe Hedwig Weinberg zur Untermiete.

Vom großen Bremer Familienzweig der Ostros lebten damals nur noch die Schwägerin Adele und der Neffe Emil mit seiner Frau Ruth in ihrer Heimatstadt. Diese drei wurden im Sommer 1941 aus der gemeinsamen Wohnung in der Faulenstraße 11 vertrieben und mussten bis zu ihrer Deportation in das Ghetto Minsk noch im „Judenhaus“ Parkstraße 1 leben. Alle anderen hatten es geschafft, rechtzeitig auszuwandern. Am 23.7.1942 wurden Samuel und Frieda Ostro ins Ghetto Theresienstadt verbracht. Im selben Transport befand sich ihre Schwägerin Adele. Auch sie gehört zu den Überlebenden aus der Familie Ostro, denn sie hatte das große Glück, Anfang 1945 von Theresienstadt aus in die Schweiz evakuiert zu werden.

Samuel und Frieda Ostro hatten dieses Glück nicht: sie wurden schon bald nach ihrer Ankunft in Theresienstadt (am 26.9.1942) in das Vernichtungslager Treblinka deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Von den fast 2000 Menschen dieses Transports hat niemand überlebt.

Frieda Ostros Geschwister Amalie (geb. 1879) und Adolf (geb. 1886) wurden 1941 gemeinsam von Neddenaverbergen aus in das Ghetto Minsk deportiert und ermordet.

Verfasserin:
Christine Nitsche-Gleim 2016)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E11063, 4,54-E4864, 4,54-E 9409, 4,54-E9411, 4,54-E4868, 4,54-E4866,
4,54-E11295, 4,42/3-70, 4,42/3-71, Einwohnermeldekarten
Meyer, Enno: Die im Jahre 1933 in der Stadt Oldenburg i. O. ansässigen jüdischen Familien. Herkunft, berufliche Gliede- rung, späteres Schicksal. In: Oldenburger Jahrbuch Bd. 71 ,1971, S. 31-78
Paulsen, Jörg: Erinnerungsbuch. Ein Verzeichnis der von der nationalsozialistischen Judenverfolgung betroffenen Ein- wohner der Stadt Oldenburg, Bremen 2001
Tietje, Klaus (Hrsg.): Ortsfamilienbuch Neddenaverbergen und Lehringen 1858-1930
unter: www.neddenaverbergen.de

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Judenvertreibung Ostfriesland / Oldenburg
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag "Judenhäuser"
Glossarbeitrag Theresienstadt