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Lotte Benjamin, geb. Werner, *1908

verzogen 1938 nach Berlin deportiert nach Theresienstadt
ermordet 1944 in Auschwitz


Slevogtstr. 23
Bremen-Schwachhausen
ehemalige Straßenbezeichnung: König-Albert-Str. 23


Slevogtstr. 23 - Weitere Stolpersteine:


Lotte Benjamin


Familienbiografie
Erich Benjamin
Lotte Benjamin, geb. Werner
Werner Benjamin

Erich Benjamin, später Benz, wurde am 18.1.1894 in Horn/Lippstadt geboren. Die Eltern von Erich waren der Kaufmann Benjamin Benjamin und dessen Ehefrau Johanna, geb. Isaakson, beide jüdischer Herkunft. Vater Benjamin war Sohn der Eheleute Seligmann Benjamin, Kaufmann in Horn, und Dora, geb. Bendix. Ab 1932 führte Erich Benjamin den Namen Benz. Der Reichsminister des Innern widerrief diese Namensänderung am 5.10.1938. Da war Erich Benz, nun wieder Benjamin, bereits sechs Wochen tot.

Erich Benjamin war verheiratet mit Lotte Benjamin, geb. Werner, die am 17.2.1908 in Berlin geboren wurde. Lotte war die Tochter des Berliner Syndikus Dr. Ludwig Werner, geb. 1873 in Breslau, und dessen Ehefrau Margarete Werner, geborene Sonnenthal, geb. 1883 in Köthen. Ihr gemeinsamer Sohn Werner René wurde am 31.8.1935 in Berlin geboren.

Die Familie Benjamin lebte in Bremen in der König-Albert-Straße 23 (heute: Slevogtstraße). Erich Benz war geschäftsführender Inhaber der Firma Trinkhalmindustrie GmbH, die er zusammen mit zwei Kommanditisten, Eduard und Fritz Goldschmidt, 1921 gegründet hatte. In den 1930er Jahren produzierte und vertrieb diese Firma – mit Export ins europäische Ausland und in die USA – in der Obernstraße 38 Strohtrinkhalme und Ähnliches wie Milchflaschenverschlüsse, Strohmundstücke, Zahnstocher, Sektquirle, Papierwaren und Luxuskartonagen.

Dem zunehmenden Druck der "Arisierung" nachgebend, gliederten Benz und seine Gesellschafter das Unternehmen in zwei Firmen auf. Während Benz das Exportgeschäft unter der Firma Benz und Co. weiterführte, wurde der Produktionsbetrieb verkauft. Er befand sich 1938 unter der Firma Trinkhalm Industrie Pauer und Co. GmbH. im Eigentum von Scipio und Co. (Gustav Scipio, Fruchthof). Im Februar 1939, nach dem Tod von Erich Benz, wurde auch seine Exportfirma „arisiert“. Der Direktor Carl Pauer übernahm die Firma von den Eigentümern Goldschmidt, die inzwischen in Prag und London lebten, und der Witwe Lotte Benjamin. Auch diese Firma wurde anschließend von Scipio & Co. übernommen.

Der genaue Todestag von Erich Benz und die Umstände, die zu seinem Tod führten, sind nicht bekannt. Als zeitnaheste Quelle geben jedoch die Aufzeichnungen des damaligen Vorstehers der Israelitischen Gemeinde Bremen, Max Markreich, Auskunft darüber: Im Zusammenhang mit wiederholten Reisen nach Belgien verdächtigte die Gestapo den Inhaber einer Strohhalmfabrik, Erich Benz, Devisen verschoben zu haben. Nach mehrfachen Vernehmungen, in denen er seine Unschuld beteuerte, wurde er Ende August 1938 verhaftet und machte seinem Leben durch Erhängen ein Ende. Die Vermutung Markreichs, er sei von Gestapobeamten erhängt worden, ist nicht belegt.

Als Erich Benz in der Gestapohaft gestorben war, ging Lotte mit ihrem dreijährigen Sohn nach Berlin zurück, wo ihre Eltern lebten, und wohnte dort ab Dezember 1938 in der Spichernstraße 17 im Stadtteil Wilmersdorf. In diesem Haus waren in den 1930er und 1940er Jahren über 20 jüdische Menschen gemeldet. Einige von ihnen konnten auswandern, andere wurden deportiert. Aus den Entschädigungsakten zu Lotte Benjamin werden vor allem deren systematische Ausplünderung ersichtlich sowie die bürokratische Abwicklung von Deportation und Mord.

Vermutlich 1941 heiratete Lotte in zweiter Ehe Kurt Rosenberg, geb. 2.1.1894 in Berlin. Das Ehepaar lebte mit Lottes Sohn aus erster Ehe in der Spichernstraße in einer gut ausgestatteten 3-Zimmer-Wohnung. Die Möbel und der Hausrat stammten wohl aus der Wohnung in der Slevogtstraße in Bremen, denn sie sind in einer „Vermögenserklärung“ kurz vor der Deportation unter Lottes Namen eingetragen, während Kurt Rosenberg angibt, lediglich 100,- RM als Bankguthaben zu besitzen. Zu Lottes Eigentum gehörten außer den Einrichtungsgegenständen Guthaben über fast 20.000 Reichsmark bei verschiedenen Banken, zu denen sie jedoch keinen Zugang hatte. Am 1.10.1942 teilte die Gestapo Berlin ihr mit, dass „[...] das gesamte Vermögen der Lotte Sara Rosenberg, geborene Werner, geboren am 17.2.1908 [...] zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen“ wird. Die ursprünglich gut situierte Frau war bis zu ihrer Deportation zusammen mit ihrem Sohn und ihrem Mann als Arbeiterin bei einer Firma Grefer beschäftigt, später in der Charlottenburger Firma „Motoren- und Gerätebau H.W. Paul“ in der Abteilung „Rüstungsspezialbetrieb“.

In einem Schreiben des Vermieters Götzl vom 1.6.1943 an den Oberfinanzpräsidenten von Berlin Brandenburg, in dem er die noch ausstehende Miete für Februar, März und April 1943 anmahnt – Lotte wurde schon drei Monate zuvor nach Theresienstadt „überführt“ – heißt es: „Die Möbel sind von dem eingewiesenen Mieter R. – total Bombengeschädigter – übernommen.“ Bereits am 2. März 1943 hatte der Vermieter angemahnt: „In dem Hause Spichernstrasse 17/18, dessen Verwalterin wir sind ...[ist]... von dem Mieter Rosenberg, der im Januar 1943 evakuiert wurde, eine Mietschuld von RM 83,30 [...] offen. Wir bitten um Überweisung auf unser Postscheckkonto „Heil Hitler!“. Auch die Bewag (Berliner Kraft- und Licht- Aktiengesellschaft) teilte in einer „Meldung über evakuierte Juden“ (so der Vordruck) am 16.Juni 1943 dem Oberfinanzpräsidenten mit, dass „unser früherer Abnehmer Lotte Irene Benz-Benjamin noch eine Schuld für Stromverbrauch lt. Rechnung vom 27.5.1943 von RM 24,16 hat.“

Aus der Vermögenserklärung vom 8.1.1943 im Namen von Werner Benjamin ausgefüllt, eine knappe Woche vor seiner Deportation, war unter Wertpapiere angegeben, dass der achtjährige Junge 28.000 Reichsmark bei der Preußischen Staatsbank besaß, offenbar ein Erbe des Vaters. Einen Tag danach hatte der Stiefvater Kurt Rosenberg, – „anläßlich meiner Wohnsitzverlegung nach Theresienstadt“ – einen „Heimeinkaufsvertrag H“ für das Ghetto Theresienstadt für Werner unterschrieben. Diese Verträge, die unter der Mitwirkung der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zustande kamen, sollten einerseits den Charakter des Ghettos Theresienstadt und andererseits den Vermögensraub an den Juden verschleiern. Die „Kosten für die Gemeinschaftsunterbringung“ wurden mit 27.900 RM angegeben und entsprachen damit dem Vermögen des Jungen. Das Geld des Kindes wurde nach seiner Deportation zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen.

Am 13.1.1943 wurde Werner Benjamin mit seiner Mutter und seinem Stiefvater nach Theresienstadt deportiert. Von dort wurden Lotte und Werner am 4.10.1944 nach Auschwitz deportiert, wie bereits eine Woche zuvor Lottes Mann Kurt Rosenberg. Von den 1.500 Menschen, die am 4.10.1944 Theresienstadt verließen, haben 128 überlebt – Lotte und Werner gehörten nicht zu ihnen.

Die Mutter von Lotte nahm sich am 3.9.1942 in Berlin das Leben. Sie ist auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee begraben. Der Vater wurde zwei Monate später, am 19.11.1942, von Berlin aus in das Ghetto Theresienstadt deportiert und nahm sich dort wenig später, am 5.12.1942, ebenfalls das Leben.

Anning Lehmensiek/Conrad Thyssen (2017)

Informationsquellen:
StA Bremen 3-J, 3-P.1.d, 4,54-Ra 337
Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam Rep. 36 A II Nr. 31604 und Rep.36 A II Nr. 39742
Handelskammer Bremen Archiv G I 30 c, GIII 4 c Bd 1
Landesarchiv Berlin B Rep. 025-04 Nr. 2670/55 und B Rep. 025-04 Nr. 960/57
Stadtarchiv Erwitte
Karny, Miroslav: Die Theresienstädter Herbsttransporte 1944, in: Theresienstädter Studien und Dokumente, Prag und Berlin 1995, S. 7 – 37
Markreich, Max: Geschichte der Juden in Bremen und Umgegend. Bremen 2009 (2. Auflage)
Auskunft der stellvertretenden Direktorin des Centrum Judaicum Berlin, Dr. Chana Schütz

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag Theresienstadt
Glossarbeitrag Auschwitz