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Harry Wolff, *1900

deportiert 28.5.1943 nach Auschwitz
ermordet


Paschenburgstr. 44
Bremen-Schwachhausen

Harry Wolff

geb. 20.8.1900 in Vegesack

Harry Berthold Wolff war zwischen 1920 und 1930 einer der erfolg- und einflussreichsten Männer der niederdeutschen Heimatbewegung: Literat, Autor, Redakteur und Verleger. Er war ein jüdischer Autor, der aus Liebe zu seiner Heimatsprache auf Plattdeutsch schrieb, in der tiefen Überzeugung, dass ihr besondere Kräfte und Werte innewohnen. Er war in Vegesack am 20.8.1900 geboren worden. Seine Eltern, der Kaufmann Siegmund Wolff und seine Ehefrau Selma, besaßen zwei Häuser in der Hafenstraße. Sein Vater war langjähriges Mitglied im Stadtrat Vegesack, dessen Vetter der letzte Vorsteher der Synagogengemeinde Aumund-Blumenthal-Vegesack. Harry Wolff hatte einen Bruder Bernhard, der l903 und eine Schwester Fränzchen, die 1904 geboren wurde.

Mit 17 Jahren brachte Harry Wolff sein erstes Buch „Wandervogels Fahrtenschatz“ heraus. Mit 18 Jahren, nach Ende des Ersten Weltkrieges, begann er eine dreijährige Lehre bei der renommierten Buchhandlung Ludwig Ey in Hannover. Während dieser Zeit veröffentlichte er auch sein zweites Buch „Von Sonne und Leben“ sowie heimatkundliche Texte. Er war Gründer und Herausgeber der Halbmonatsschrift „Unterm Strohdach“ und als Schriftleiter der „Niederdeutschen Heimatblätter“ mit dem Aufbau eines Buchverlags beschäftigt.

Im Jahr 1922 hatte Harry Wolff Mathilde Kaftan geheiratet (geb. 23.4.1896), eine Hannoveranerin aus betont evangelisch-christlicher Familie. Anfang 1926 wurde die Tochter Ruth Gisela geboren. Am 25.10.1926 zog die Familie von Hannover-Ahlem nach Bremen; zunächst wohnten sie wieder in Vegesack, Tecklenborgstaße 1, ab 1931 in Schwachhausen, Paschenburgstraße 44. Der Wechsel des Wohnorts war bedingt durch Harry Wolffs neue Stellung als Verlagsdirektor bei Ludwig Roselius im Friesenverlag in der Böttcherstraße.

In dieser Rolle führte er die „Niederdeutschen Heimatblätter“ weiter und versuchte die Buchabteilung wiederzubeleben. Die Zusammenarbeit mit Roselius bestand bis Ende 1927; Anfang 1928 gründete er die Zeitschrift „Niederdeutsche Welt“. Im März 1933 wurde seine Tätigkeit als Schriftleiter zwangsweise beendet.

Seinen Lebensunterhalt verdiente er nun mit einer Firma für Kaffee-Handel. Sie wurde bis zum 9.8.1938 beim Finanzamt unter seinem Namen geführt, danach auf seine Frau Mathilde überschrieben, da Juden inzwischen massiv aus dem Gewerbeleben ausgeschlossen wurden. Bis 1943 lebte die Familie in der Paschenburgstraße.

Im Februar 1943 verhaftete die Gestapo Harry Wolff und seine Frau. Die Ehe wurde kurz darauf im März aufgehoben, und man deportierte ihn am 28. Mai nach Auschwitz. Die Ursache seines Todes im Vernichtungslager – datiert auf den 13.9.1943 um 13.13 Uhr - soll „Herzschwäche bei septischer Angina“ gewesen sein, so die Umschreibung seiner Ermordung.

Seine nichtjüdische Ehefrau Mathilde wurde im Juni 1943 in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert. Seine Tochter Ruth Gisela musste am 15.3.1943 ins „Judenhaus“ Legion-Condor-Straße 1 (vor 1939 Parkstraße 1, heute Schwachhauser Heerstraße 18/Ecke Parkstraße) umziehen. Sie wurde Anfang Mai 1943 in dem Hamburger Transport VI/6 zusammen mit 50 anderen Personen in das Ghetto Theresienstadt deportiert.

Sie und ihre Mutter überlebten. Harry Wolffs Vater verstarb am 8.2. 1940 in Vegesack. Seine Mutter Selma wurde am 23.7.1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie wurde am 5.2.1945 aus Theresienstadt in die Schweiz entlassen und wanderte zu ihrem Sohn Bernhard nach Chile aus. Dort ist sie am 28.6.1953 gestorben. Das Schicksal von Harry Wolffs Schwester Fränzchen ist unbekannt.

Franz Dwertmann (2017)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,42/3-40, 4,54-Ra 836
Sterbezweitbuch Standesamt Auschwitz, 1.1.2.1 / 628690, ITS Digital Archive Bad Arolsen
Schuppenhauer, Claus: Harry Wolff – Verbleib unbekannt. Name und Werk vergessen. Radio Bremen, 28.7.1984

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Auschwitz
Glossarbeitrag Ravensbrück
Glossarbeitrag Theresienstadt