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Benno Schustermann, *1885

deportiert 1942 nach Theresienstadt
ermordet in Auschwitz


Vor dem Steintor 45
Bremen-Östliche Vorstadt


Vor dem Steintor 45 - Weitere Stolpersteine:


Benno Schustermann

Benno Schustermann

Benno Schustermann wurde am 19.10.1885 in Altdorf, Kreis Pless/Oberschlesien geboren. Sein Beruf war Kaufmann. Ab 1906 war er mit Unterbrechungen in Bremen gemeldet.

Offenbar war er Soldat im Ersten Weltkrieg, denn nach einem Zeitzeugenbericht hatte er in der Nacht des Novemberpogroms 1938 in einem der Schaufenster seines Geschäftes ein Kissen mit seinen Orden aus dem Ersten Weltkrieg ausgelegt.

Am 11.6.1921 heiratete er Johanna Deckert (geb. 21.6.1886 in Delmenhorst). Seine Frau galt bei der Eheschließung als katholische „Arierin“. Das Ehepaar hatte keine eigenen Kinder, aber sie adoptierten (vermutlich 1927) einen Jungen, Lothar (geb. 29.6.1925 in Marburg).

Die Familie wohnte zunächst in der Falkenstraße 36, und Benno Schustermann arbeitete als Schuhvertreter. Johanna Schustermann gehörte das Haus Heidelberger Straße 18, welches sie 1929 für das Haus Vor dem Steintor 45 tauschte. Dort wohnte die Familie und eröffnete ein Geschäft für „Wäsche-, Woll- und Strumpfwaren, Herren- und Damenmode“. Das Geschäftskapital trugen beide Ehepartner je zur Hälfte, als Geschäftsinhaber war Benno Schustermann eingetragen.

In der Broschüre der Kreisleitung der NSDAP von 1935 "... auch dich geht es an" wurde zum Boykott ihres Geschäftes aufgerufen. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurde die Ware ohne Entschädigung an die Firma Wührmann am Brill übereignet. Die Koordination der "Arisierung" wurde anscheinend von der Handelskammer in Teilen übernommen, da sie in einem Schreiben vom 8.12.1938 beim Bürgermeister anfragte, wie die bei ihr lagernden beschlagnahmten Geschäftsbücher zu den bestellten Abwicklern gelangen sollten. Das Geschäft wurde im Dezember 1938 im Handelsregister gelöscht. Die Familie Schustermann musste von den Mieteinnahmen leben.

Benno Schustermann wurde in der Pogromnacht 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, doch kam er – eventuell aufgrund der Intervention seiner "arischen Ehefrau" – Anfang Dezember wieder frei. In den KZ-Aufzeichnungen wird er unter dem 10.11.1938 als "zu beurlauben" und am 2.12.1938 als "vom Urlaub entlassen" aufgeführt. Am 23.11.1938 hatte er erklärt, auswandern zu wollen, was aber nicht zustande kam. Er arbeitete von 1939 bis 1942 als Helfer in dem Rüstungsbetrieb (Schlosserei) Theodor Eickemeyer, wo sein Sohn Lothar ab Dezember 1941 ebenfalls Zwangsarbeit leisten musste.

Für die leibliche Mutter von Lothar Schustermann wurde am 19.3.1942 vom Reichssippenamt ein Gutachten erstellt, in dem ihre jüdische Herkunft nachgewiesen wurde. Danach galt Lothar als „halbjüdisch“. Die Gestapo erklärte ihn dann im selben Jahr zum "Geltungsjuden" (mit dem Status eines "Volljuden"), da er nach einem Schulwechsel ab April 1937 in Ahlem/Hannover die dortige jüdische Schule besucht und abgeschlossen hatte.

Am 9.3.1942 erhob Johanna Schustermann eine Scheidungsklage gegen Benno; die Ehe wurde am 2.2.1943 rechtskräftig geschieden. Die Scheidung wurde damit begründet, dass die Eheleute länger als drei Jahre getrennt gelebt hätten. Benno Schustermann hatte die gemeinsame Wohnung im September 1939 verlassen und war (für ein Jahr) bei dem jüdischen Dentisten Ludwig Fürstenthal in die Ostertorstraße 39 eingezogen. Nach dessen Deportation am 18.11.941 in das Ghetto Minsk zog er zwangsweise ab 1.12.1941 in das "Judenhaus", Keplerstraße 36, wo aufgrund einer Anordnung der Gestapo sein Sohn Lothar ab 14.4.1942 ebenfalls leben musste. Das geschiedene Ehepaar hatte weiterhin Kontakt.

Die von Johanna initiierte Scheidung hatte zur Folge, dass für Benno und Lothar Schustermann der Schutz einer "privilegierten Mischehe" entfiel. Beide wurden am 23.7.1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Benno wurde am 28.10.1944, mit dem letzten Transport, in das Konzentrationslager Auschwitz überstellt und dort ermordet.

Sein Sohn überlebte im Ghetto Theresienstadt und kehrte am 15.6.1945 nach Bremen zurück. Er baute das kriegszerstörte Haus Vor dem Steintor 45 wieder auf und eröffnete das Geschäft „Firma Benno Schustermann“, zunächst gemeinsam mit seiner Mutter, erneut. Er wanderte 1947 in die USA aus, kam jedoch auf Besuch mehrfach nach Bremen zurück. Er verstarb 2005 in den USA.

Johanna Schustermann gelang es, das Scheidungsurteil 1956 aufheben zu lassen. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit entschied letztendlich der Bundesgerichtshof, dass sie einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der Verfolgung ihres früheren Ehemannes verwirkt habe. Sie verstarb 1965 in Delmenhorst.

Dr. Arnold Schustermann, ein Bruder von Benno Schustermann, konnte 1933 nach England emigrieren.

Peter Christoffersen, Barbara Ebeling (2025)

Informationsquellen:
StA Bremen, 4,54-E2402, E613, 4,56-Ra864, Rü5856, 4,75/5 2721, Einwohnermeldekartei
www.ushmm.org (Holocaust Survivor & Victim Database Washington)
www.holocaust.cz/de/victims

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Novemberpogrom
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag Auschwitz