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Franziska van der Veen, geb. Hermann, *1874

1938 Flucht nach Holland, 1942 interniert Westerbork,
1942 deportiert Auschwitz, tot 5.11.1942


Aschenburg/Ecke Faulenstraße
Bremen-Mitte
ehemalige Straßenbezeichnung: Geeren 7

Verlegedatum: 07.06.2012


Aschenburg/Ecke Faulenstraße - Weitere Stolpersteine:


Franziska van der Veen

Franziska van der Veen

Familienbiografie
Philipp van der Veen
Franziska van der Veen geb. Hermann
Goldine van der Veen
Harry van der Veen

Zahlreiche jüdische Bürger, die familiäre Wurzeln in den Niederlanden hatten, gingen nach Beginn der Diskriminierungen in ihre ursprüngliche Heimat zurück. Nach der Be­satzung am 10.5.1940 begann aber auch dort ihre Verfolgung. Nahezu dreiviertel der jüdischen Bevölkerung in den Niederlanden wurde in den Vernichtungslagern des Os­tens umgebracht.

Die Eltern Philipp van der Veens stammten aus Nieuwolda (Provinz Groningen). Sein Va­ter war Levi van der Veen (1852-1934) und seine Mutter Gijltje van der Hak (1856-1899). Das jüdische Ehepaar hatte 15 Kinder. Ihr Sohn Philipp wurde am 2.1.1881 in Nieuwolda geboren. Nach seiner Einwanderung in Deutschland – der Zeitpunkt ist nicht bekannt – behielt er die niederländische Staatsangehörigkeit bei.

Er heiratete am 1906 in Duisburg Franziska Hermann, geb. 37.7.1874 in Tholey/Saarland. Sie war die Tochter von Fey (?) Hermann und seiner Ehefrau Johanna Beer. Das Ehe­paar hatte zwei Kinder: Goldine (geb. 2.1.1908 in Homberg) und Harry (geb. 23.3.1909 in Homberg). Die Familie zog 1918 von Hamborn nach Hemelingen, Kastanienstraße 28. Von 1927 bis 1933 wohnten sie in der Frankenstraße 20 (heute Helenenstraße) und ab 1934 in Geeren 7.

Von Beruf war er Händler. Der Gegenstand seiner Geschäftstätigkeit ist nicht bekannt. Nachdem er seine ursprüngliche Tätigkeit aufgrund der einsetzenden Repressionsmaß­nahmen aufgeben musste, meldete am 23.4.1934 einen Straßenhandel mit Obst und Gemüse an. Die Tochter Goldine hatte Kontoristin gelernt, ihr Bruder Harry war zunächst Verkäufer, später kaufmännischer Angestellter. Von November 1931 bis Oktober 1934 betrieb er eine Lebensmittelhandlung in der Kleine Fuhrleutestraße 9/10 (Faulenquar­tier). Nachdem ihm dies nicht mehr erlaubt war, meldete auch er im August 1935 einen Straßenhandel mit Obst und Gemüse an.

Der Entzug ihrer Existenzgrundlage veranlasste die Familie, in die Niederlande zu emigrieren. Harry zog am 13.2.1937 nach Amsterdam, seine Eltern folgten am 1.11.1938 und als Letzte verließ Goldine einen Monat später Bremen. Sie fand als Dienstbotin Ar­beit, Harry hatte in der Ceintuurban 31 möglicherweise ein Lampengeschäft gehabt oder darin mitgearbeitet.

Anfang Oktober 1942 wurden sowohl Philipp van der Veen als auch seine Ehefrau und Harry verhaftet und in das Sammellager Westerbork verbracht. Eine genaue Registrie­rung erfolgte nicht, da das Lager aufgrund von Massenverhaftungen zu jenem Zeit­punkt völlig überfüllt war. Im November 1942 wurden Philipp und Franziska van der Veen nach Auschwitz deportiert, wo sie vermutlich am 5.11.1942 ermordet wurden. Gol­dine van der Veen wurde am 17.4.1943 in Westerbork interniert, eine Woche später in das Vernichtungslager Sobibór deportiert und am 30.4.1943 ermordet.

Harry wurde am 12.10.1942 von Westerbork nach Auschwitz deportiert. Der Transport bestand aus 1711 Personen. Von ihnen wurden 351 Männer und 69 Frauen in das Lager eingewiesen, unter ihnen auch Harry van der Veen. Niederländische Quellen weisen aus, dass er am 28.2.1943 in Monowitz ermordet wurde, wo er Zwangsarbeit leisten musste.

Das Konzentrationslager Monowitz (auch Auschwitz III) war Standort verschiedener In­dustriebetriebe im besetzten Südpolen. Es lag etwa sechs Kilometer östlich vom Stamm­lager Auschwitz I auf dem Gelände der Buna-Werke der IG Farben AG. Buna war das erste von einem privaten Industrieunternehmen geplante und finanzierte Konzentrationsla­ger, das ausschließlich für die Zwangsarbeit von Häftlingen errichtet war. Der Alltag der Häftlinge war bestimmt von körperlicher Schwerstarbeit bei unzureichender Klei­dung, Ernährung und Unterbringung sowie ständigen Übergriffen von Kapos und Wachmannschaften. Von knapp 4.000 Häftlingen, die um die Jahreswen­de 1942/1943 im Lager waren, lebten im Februar 1943 nur noch 2.000.

Die Stolpersteinverlegung für die Fa­milie van der Veen fand 2012 in Anwe­senheit von Polizeipräsident Lutz Müller und weiteren Kollegen statt. Sie wollten damit an die Verstrickung der Bremer Polizei in die Judendeportationen aus den Niederlanden erinnern. Das Polizei­bataillon 105 aus Bremen war an Razzien und Verhaftungen beteiligt und beglei­tete die Transportzüge von Westerbork in die Vernichtungslager.

Peter Christoffersen (20015)

Informationsquellen:
StA Bremen Einwohnermeldekartei
www.joodsmonument.nl; members
home.nl/j.de.bruijne/familiedelevie.htm
Archiv Kamp Westerbork
Senator für Inneres und Sport der Freien Hansestadt Bremen (Hrsg.): Polizei. Gewalt., Bremen 2011
Czech, Danuta: Kalendarium der Ereignisse in Auschwitz-Birkenau , Reinbek b. Hamburg 1989

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Westerbork
Glossarbeitrag Auschwitz