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Richard Griesbach, *1892

Flucht 1933 Holland, Interniert Westerbork, Deportiert 1944 Auschwitz
Ermordet 8.4.1944


Bürgermeister-Smidt-Straße 55/57
Bremen-Mitte
ehemalige Straßenbezeichnung: Georgstraße 18

Verlegedatum: 30.09.2014


Bürgermeister-Smidt-Straße 55/57 - Weitere Stolpersteine:


Richard Griesbach


Familienbiografie
Richard Max Griesbach
Elfriede Griesbach, geb. Bender

Amsterdam zählte 1933 rund 45.000 Arbeitslose. Trotzdem flüchteten allein in jenem ersten Halbjahr um 15.000 Deutsche in das Nachbarland. Es waren zu dem Zeitpunkt weder Visum noch Arbeitserlaubnis dafür erforderlich. Viele Flüchtlinge zogen jedoch weiter oder kamen nach kurzer Zeit wieder nach Deutschland zurück. In Amsterdam meldeten sich bis zum Jahresende offiziell 2.104 Deutsche an.

Richard und Elfriede Griesbach heirateten 1930 in Berlin- Schöneberg. Er war als Sohn von Sally (Salomon) und Mathilde Griesbach, geb. Hochfeld aus Beverungen, am 24.8.1892 in Hamburg geboren worden. Sie kam am 15.6.1900 in Hirschberg/Schlesien als Tochter von Josef und Serafine Bender, geb. Cohn, auf die Welt.

Am 22.9.1928 meldete sich Richard Griesbach, aus Hamburg kommend, in Bremen zunächst in der Kronprinzenstraße 51 (heute Richard-Dehmel-Straße) an. Ab Oktober 1931 wohnte er in der Georgstraße 55 (heute Bürgermeister-Smidt-Straße) und für eine kurze Zeit bis zur Ausreise nach Amsterdam im Haus Nr. 18.

Er betrieb seit dem 1.10.1928 eine Filiale der Auskunftei Bürgel. Die Centrale des Kartells der Auskunfteien Bürgel GmbH, Sitz in Aachen, hatte über 300 Büros in Deutschland und im Ausland. Im April 1933 verkaufte Richard Griesbach seine Auskunftei. Der Verkaufspreis, der den Einstandspreis überschritten haben soll, wurde ihm in Devisen ausgezahlt. Am 7.11.1933 emigrierte das jüdische Ehepaar nach Amsterdam. Die letzte bekannte Wohnadresse dort war Postjeskade 217.

Ein Zeitzeuge berichtete nach dem Krieg, dass Richard Griesbach in Amsterdam ein Filmtheater erwerben wollte. Ob er dies in die Tat umsetzen konnte oder es nur beim Zeugen so in Erinnerung geblieben ist, ist nicht bekannt. Dennoch könnte es der Wahrheit nahe kommen, da sein Bruder Walter in Amsterdam im Filmgeschäft tätig war. Dieser war Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Ambio NV (Amsterdam Cinema Company), die u. a. das Alhambra Bioscop (Kino) in der Weteringschans 134 führte. Dieses Kino wurde am 8.12.1933 gegründet und bestand bis 1996. Möglicherweise war sein Bruder Richard hieran beteiligt oder dort beschäftigt.

Das Ehepaar Griesbach tauchte im Laufe des Jahres 1941 in Amsterdam unter. Am 29.3.1944 wurden sie, vermutlich nach dem Verrat ihres Versteckes verhaftet, in das Sammellager Westerbork überführt und am 5.4.1944 nach Auschwitz deportiert. Der Transport mit 240 Juden erreichte am 7. April das Lager. 62 Männer und 67 Frauen wurden in das Lager eingewiesen, die übrigen 111 Menschen wurden in den Gaskammern ermordet, unter ihnen Richard Griesbach. Am selben Tag entflohen zwei Häftlinge aus dem KZ, die der Weltöffentlichkeit von den Verbrechen der Deutschen berichten und vor der geplanten Vernichtung der ungarischen Juden warnen wollten. Sie fanden kein nachhaltiges Gehör.

Elfriede Griesbach erhielt nach der Selektion die Häftlingsnummer 76558 und musste Zwangsarbeit leisten. Es wird angenommen, dass sie am 31.8.1944 verstarb. Eine Mitgefangene berichtete später, dass sie ermordet wurde, weil sie zu schwach für einen Transport nach Bergen-Belsen gewesen sei.

Walter Griesbach (geb. 1886 in Dortmund), sein Bruder, nahm sich mit seiner Ehefrau im Oktober 1942 das Leben. Beide sind auf dem jüdischen Friedhof in Diemen/NL begraben. Ein weiterer Bruder, Alfred (geb. 1884 in Hamburg), flüchtete nach Australien.

Peter Christoffersen ( 2015)

Informationsquellen:
StA Bremen Akte 4,54-E9868, Einwohnermeldekartei
www.buergel.de/de/ueber-uns/geschichte
Schiweck, Ingo: „[...] weil wir lieber im Kino sitzen als in Sack und Asche.“, Münster u. a. 2002
de Jong, Fransje Emma: Joodse ondernemers in het Nederlandse film- ein bioscoopbedrijf tot 1940, Enschede 2013
Beuys, Barbara: Leben mit dem Feind, München 2012
Czech, Danuta: Kalendarium der Ereignisse in Auschwitz-Birkenau , Hamburg 1989
www.communityjoodsmonument.nl; www.auschwitz.org

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Auswanderung
Glossarbeitrag Westerbork
Glossarbeitrag Auschwitz