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Christine Fortriede, geb. Ostendorf, *1898

Eingewiesen 1938 Bremer Nervenklinik, "verlegt" 9.12.1943 Heilanstalt Meseritz
Ermordet 27.1.1944


Marterburg 29a
Bremen-Mitte

Verlegedatum: 30.09.2014

Christine Fortriede


Christine Ostendorf wurde am 2.5.1898 in Blumenthal in eine kinderreiche Familie (10 Geschwister) geboren. 1927 heiratete sie Wilhelm Hinrich Fortriede. Die kinderlos ge­bliebene Ehe wurde 1939 geschieden. 1935 war Christine Fortriede erstmals für drei Wochen Patientin der Bremischen Heil- und Pflegeanstalt gewesen – die Ärzte konnten damals nicht entscheiden, ob bei ihr eine Psychose vorlag. Drei Jahre später, im Janu­ar 1938, wurde sie wieder aufgenommen, nachdem ein Unterbringungsbeschluss vom Amtsarzt ausgestellt worden war.

In ihrer Phantasie hatte sie bereits ein abwechslungsreiches Leben hinter sich. Als Kin­derstar bei der UFA habe sie ebenso Karriere gemacht wie als Kostümbildnerin am The­ater. Dann aber sei sie, auf Veranlassung der Polizei, Ärztin geworden - den Stationsarzt redete sie deshalb konsequent mit „Herr Kollege“ an. Nebenbei betreibe sie noch das Restaurant „Bürgerstuben“ am Markt. Auch von zahlreichen Reisen innerhalb Europas, nach Afrika und nach Amerika konnte sie lebhaft berichten. Sie war freundlich, sang gern und arbeitete fleißig im Haus. Sie wurde nur dann „etwas schwierig“, wenn die Mit­patientinnen, die sie als ihre Angestellten betrachtete, ihren Anordnungen nicht nach­kommen wollten. Einer Sterilisationsoperation zur „Verhütung erbkranken Nachwuch­ses“ entkam die Patientin aus medizinischen Gründen.

Ende November 1943 wurde die Bremer Nervenklinik durch Bomben schwer beschädigt. Christine Fortriede gehörte zu den mehr als dreihundert Patienten, die am 9.12.1943 in einem Sonderzug (Dritte-Klasse-Wagen der Reichsbahn, z. T. ohne Heizung) von Bre­men in die „Heil- und Pflegeanstalt“ Meseritz-Obrawalde verbracht wurden. An diesem Ort, etwa 60 km östlich von Frankfurt/Oder gelegen, wurden seit den 1940er Jahren Patienten aus dem ganzen Reichsgebiet gebracht und ermordet: mit Spritzen und/oder durch Nahrungsentzug und ausbleibende Pflege. Von den Bremer Patienten überlebten 266 diesen Aufenthalt nicht.

Auch Christine Fortriede gehörte zu ihnen. Am 27. Januar 1944 war sie tot. „Herzschwä­che bei Grippe“ lautete die pro-forma-Todesursache. Sie wurde 45 Jahre alt.

Wolfgang Smitmans (2015)

Quellen :
Archiv Klinikum Bremen-Ost, Kranken-Geschichte Christine Fortriede
Engelbracht, Gerda: Der tödliche Schatten der Psychiatrie, Bremen 1997
Klee, Ernst: „Euthanasie“ im Dritten Reich, Frankfurt a. M.

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Euthanasie" / Zwangssterilisation
Glossarbeitrag "Heilanstalten"