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Martha Speier, geb. Simon, *1887

Flucht 1937 Holland, interniert Westerbork, deportiert 1943, Auschwitz
ermordert 17.9.1943


Bismarckstraße 77
Bremen-Östliche Vorstadt

Verlegedatum: 03.12.2015


Bismarckstraße 77 - Weitere Stolpersteine:


Martha Speier


Familienbiografie
Max Speier
Martha Speier, geb. Simon
Merry Speier
Kurt Speier

Max Speier zog mit seiner Familie 1929 von Verden (Ostertorstraße 10) nach Bremen, Bismarckstraße 77. Er war am 21.12.1883 in Burghaun (Osthessen) als Sohn von Isaak Speier und Lina Stern geboren worden. Die Eltern zogen 1895 nach Lehrte. Seine Ehefrau Martha wurde am 7.9.1887 als Tochter von William Simon und seiner Frau Augusta, geb. Jacobsohn, in Burgwedel geboren. Martha Simon und Max Speier heirateten am 4.9.1906 in Lehrte. Ihre Tochter Merry wurde am 13.7.1907 in Lehrte und ihr Sohn Kurt am 10.4.1910 in Verden geboren. In Verden wurde Max Speier 1914 das Bürgerrecht verliehen (es beinhaltete u.a. das Wahlrecht zum Stadtrat und war an besondere Voraussetzungen geknüpft).

Im Jahre 1909 gründete Max Speier in Verden ein „Spezialgeschäft“ für Betten und Wäsche mit angeschlossener „Reinigungsanstalt“ für Bettfedern. Sein Schwiegervater William Simon war Mitgesellschafter; er schied 1912 aus der Firma aus. 1920 erhielt Martha Speier Prokura. 1929 wurde der Betrieb im Rahmen eines Vergleichsverfahrens geschlossen.

Am 25.3.1929 gründete Max Speier noch in Verden die Firma Deutsche Ma-Spe-Co GmbH. Mitgesellschafterin war seine Ehefrau. Gegenstand des Unternehmens waren Herstellung und Vertrieb eines verschließbaren Kontrollstempels in Verbindung mit Karten- und Rabattbüchersystemen. Für diesen Kontrollstempel wurde ihm unter der Nummer DE520163C am 24.9.1929 ein Patent erteilt. Seine Firma vertrieb diese Stempel sowie Strumpfsparkarten und Rabattsparbücher, weiter wurden Reklame-Maschinen und „Kleider-Vorführungsapparate“ verliehen oder verkauft. 1933 betrug der Umsatz ca. 75.000 RM. Max Speier hatte internationale Geschäftsbeziehungen in Europa aufgebaut.

Beispielsweise lieferte er 1930 an eine Firma in Lausanne 6.000 „Ma-Spe-Co-Strumpf- sparkarten“, 1000 Ersatz-Quittungen und verlieh einen „Ma-Spe-Co-Kontrollstempel A“. Als jährlicher Mietpreis für den Stempel waren 280 Schweizer Franken zu entrichten. Sinn und Funktion dieser Strumpfsparkarten konnten bisher nicht ermittelt werden. Offenbar waren sie verbreitet und hatten ihren Platz in einer Damenhandtasche: „Sie öffnete das keine Außenfach der blauen Stofftasche. Eine, zwei. Strumpfsparkarte, Taxikarte. In Ordnung. Alles an seinem Platz.“ (Litfass 62).

Am 16.6.1936 verstarb Max Speier in London. Was hatte ihn nach London geführt? In der erhalten gebliebenen Handelsregisterakte sind keine Hinweise auf ein Geschäftsverbot zu finden. Vielmehr konnte Martha Speier noch am 16.10.1936 eine „Vertretung in Reklamemaschinen und Apparaten“ anmelden. Max Speier könnte sich auf einer Geschäftsreise befunden haben, da er Kontakte zu Firmen in England unterhielt. Nicht auszuschließen ist, dass er eine Flucht aus Deutschland vorbereitete.

Der Sohn Kurt hatte sich bereits am 28.10.1935 nach Amsterdam abgemeldet. Martha Speier verließ zusammen mit ihrer Tochter Merry am 15.3.1937 Bremen mit dem Ziel Amsterdam. Sie lebte in Amsterdam in der Waalstraat 117 bei ihrem Sohn.

Merry Speier wurde 1914 in die Höhere Töchterschule in Verden eingeschult, die sie vermutlich bis 1924 besucht hat. Anschließend war sie Buchhalterin von Beruf. In Amsterdam heiratete sie am 23.7.1942 Aron Salomon (geb. 1.2.1867 in Eschweiler). Merry Speier war 1941 unter seiner Wohnadresse als unverheiratete Dienstbotin registriert. Er kam aus Stolberg (Synagogengemeinde Aachen) und betrieb eine Schirmfabrik sowie Schirmgeschäfte. Seine erste Ehefrau Johanna Nussbaum war 1935 verstorben. In die Niederlande floh er am 15.6.1938. Das Ehepaar war ab dem 6.3.1943 im Sammellager Westerbork interniert. Aron Salomon kam zunächst in das dortige Krankenhaus. Am 1.2.1944 wurden beide in das KZ Bergen-Belsen deportiert und von dort am 24.5.1944 in das Vernichtungslager Auschwitz, wo sie ermordet wurden.

Kurt Speier, Verkäufer von Beruf, heiratete am 18.9.1940 Hendrina Gobits (geb. 25.1.1917 in Amsterdam). Beide kamen am 20.5.1943 in das Sammellager Westerbork und wurden noch am selben Tag in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort am 28.5.1943 ermordet.

Martha Speier wurde um den 10./12.9.1942 in Westerbork interniert, von dort am 14.9.1943 nach Auschwitz deportiert und vermutlich am 17.9.1943 ermordet.

Der Grabstein von Max Speier ist noch heute auf dem Jüdischen Friedhof in Bremen-Hastedt erhalten. In Verden, Ostertorstraße 10, wurden Stolpersteine für Martha, Merry und Kurt Speier verlegt.

Peter Christoffersen (2016)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,75/5-2794, 4,75/5-3222, 4,75/5-3299, Einwohnermeldekartei www.communityjoodsmonument.nl Archiv Kamp Westerbork www.grabsteine.genealogy.net www.aachener-zeitung.de/lokales/stolberg/im-wortlaut-tag-des-gedenkens-an-die-opfer-des-nationalsozialismus-1.86679, Adressbuch Verden 1927 Bloch, Walter: Milch, in: Litfass 62, Jahrgang 1995, S.7ff

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Westerbork
Glossarbeitrag Auschwitz