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David Traum , *1923

ausgewiesen 1938 nach Polen
Schicksal unbekannt


Sebaldsbrücker Heerstr. 55
Bremen-Hemelingen


Sebaldsbrücker Heerstr. 55 - Weitere Stolpersteine:


David Traum


Familienbiografie
Moses Traum
Rachel Traum, geb. Stark
Pinkus Traum
Isaak Traum
Markus Traum
David Traum

Moses Benzion Traum wurde am 23.11.1877 in Lesko/Lisko (Galizien/Ostpolen) als Sohn von Abraham und Hany Traum, geb. Pfeffer, geboren. Er besuchte in seiner Heimat die jüdische Volksschule und erlernte danach den Talmud in einem Beth Hamidrasch (Lehrhaus). 1913 heiratete er Rachel (Rechel) Stark, geb. 6.12.1886 in Lesko, 1914 kam dort ihr erster Sohn Samuel (Siegmund) zur Welt. Die Familie übersiedelte 1914 nach Deutschland und ließ sich in Sebaldsbrück in der Vahrer Straße 182 nieder. Rachel Traums Schwester, Golda Nadel (gen. Treff ), lebte bereits mit ihrer Familie in Sebaldsbrück. Nach ihrem ersten Sohn bekam das Ehepaar noch vier weitere Söhne, die alle in Bremen geboren wurden: Pinkus (geb. 12.10.1916), Isaak (geb. 14.2.1919), Markus (geb. 25.3.1921) und David (geb. 1.10.1923). Die beiden ältesten Söhne besuchten eine weiterführende Schule.

Moses Traum gründete in der Sebaldsbrücker Chaussee 109 (heute Sebaldsbrücker Heerstraße) eine Hemden- und Schürzenhandlung. Seine Waren vertrieb er als Händler von Haus zu Haus. Nach dem Ersten Weltkrieg, den er in der österreichischen Armee verbracht hatte, nahm er seine wirtschaftliche Tätigkeit wieder auf und begann 1919 mit einem Produktenhandel (ohne Lager) für Knochen, Lumpen und altes Eisen. 1920 gründete er ein Manufakturwarengeschäft, mit dem er 1931 in Konkurs ging. 1933 meldete er einen Handel mit Kaffee, Tee und Kakao an.

Seit 1913 lebte die Familie in der Sebaldsbrücker Heerstraße 55, einer Ansammlung von mehreren Gebäuden: Wohnhäusern, Schuppen und Ställen. Darin befanden sich eine Schuhreparaturwerkstatt, eine Tabak- und Zigarrenfabrik und eine Gastwirtschaft. In einem der Wohnhäuser hatten die Sebaldsbrücker Ostjuden ein Bethaus eingerichtet. Es wurde von der hier gegründeten ostjüdischen Gemeinde „Beth Hamidrasch Schomre Schabbos“ (Haus der Schabbath-Hüter) geführt.

Die Polizeidirektion versuchte 1920 Moses Traum als polnischen Staatsangehörigen auszuweisen, da er „keine produktive Arbeit leiste, sondern nur Händler sei“. In einer Verhandlung wies er jedoch nach, dass er als ehemals österreichischer Staatsangehöriger im Ersten Weltkrieg gedient hatte (Juni bis November 1915), dass nichts Nachteiliges über ihn bekannt sei und er sein Auskommen habe. Daraufhin wurde auf die Ausweisung verzichtet. 1931 leistete er einen Offenbarungseid und musste mehrere Monate
in Untersuchungshaft verbringen, da er Außenstände verschwiegen habe. Er wurde letztendlich freigesprochen, sein Geschäft war indes ruiniert, und er lebte seit 1932 von Fürsorgeunterstützung. Diese betrug für die gesamte Familie wöchentlich 14,70 RM, für die Wohnungsmiete waren monatlich 30,00 RM aufzubringen. Moses Traum musste in den Arbeitsstätten der Fürsorge am Buntentorsteinweg arbeiten.

Im Juli 1933 wurde die Familie Traum von dem Gastwirt Reinhard Carstens denunziert, der eine Schankwirtschaft im Erdgeschoss betrieb. Die Traums seien sehr schmutzig, lebten mit sieben Personen in einem Zimmer. Jeden Sonnabend werde in der Wohnung offenbar „Synagoge abgehalten“. Seine Gäste hätten Anstoß daran genommen, was sich schädlich auf sein Geschäft auswirke. Er bat um Prüfung, ob die Familie nicht ausgewiesen werden könne. In einem späteren Polizeibericht von 1937 hieß es: „Nachteiliges ist über die Familie Traum nicht bekannt geworden.“ Auch 1938 stellte die Polizei erneut
fest: „Zu beanstanden war an der Wohnung nichts.“

Pinkus Traum, der nach der Volksschule eine Handelsschule besucht hatte, arbeitete von 1933 bis Dezember 1937 bei der Fa. Grünberg in der Duckwitzstraße als Kontorist. Er verdiente wöchentlich 10,00 RM und konnte damit zum Familienunterhalt beitragen. Isaak ging ab 1935 beim Rohproduktenhändler Grünberg in die Lehre und ab einem unbekannten Zeitpunkt beim Bäcker Gröger am Ostertorsteinweg. Dort soll auch Markus, der bis 1935 die Volksschule in Sebaldsbrück besucht hatte, als Lehrling gearbeitet haben. David ging bis zu seiner Ausweisung noch in die Schule.

Der ältere Sohn Samuel (Siegmund, später Schmuel) arbeitete ab 1928 als Sackhändler, davon ca. ein Jahr bei der Firma Lipschütz (siehe Biografie in diesem Band). 1934 wollte er sich zum Lehrer für Judaica in Frankfurt ausbilden lassen. Das Vorhaben gab er nach einem Jahr auf und fing 1935 in der Hachschara-Ausbildungsstätte in Hamburg-Blankenese eine landwirtschaftliche Ausbildung an. Die Kosten für die „Alijah“ übernahm die Israelitische Gemeinde Bremen. Er wanderte am 16.12.1935 nach Palästina aus.

Die Familie Traum hatte die polnische Staatsangehörigkeit beibehalten und war deshalb von den Ausweisungen am 27./28.10.1938 im Zuge der „Polenaktion“ betroffen. Sie wurde „mitten in der Nacht von zwei Polizisten abgeholt“ und in einer Gruppe von über 80 Deportierten in Fraustadt/Oberschlesien über die Grenze nach Polen abgeschoben. Nach ihrer Ausweisung habe der Hauseigentümer und Zigarrenhändler Adolph Coorssen deren Wohnung und das Mobiliar in Obhut genommen, bis es später „abgeholt“ worden sei.

Samuel hatte von seinem Bruder Pinkus aus Lesko und Warschau Briefe erhalten. Dort hielt dieser sich mit seinem Bruder Isaak auf, beide waren bemüht, Einreisevisa für Palästina zu bekommen. Der Kontakt riss im Herbst 1939 ab. Ab diesem Zeitpunkt verliert sich die Lebensspur der Familie Traum. Nach Ende des Krieges berichtete ein Freund der Familie den Überlebenden in Israel, dass er als Augenzeuge mitbekommen habe, dass Moses Traum, seine Ehefrau Rachel und deren Kinder in einer Vernichtungsaktion allesamt an einer Grube erschossen worden seien. Der Ort wurde nicht überliefert.

Samuels Sohn Yaakov legte 1999 für Moses Traum und Familie in Yad Vashem Gedenkblätter an.

Peter Christoffersen (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E4857; 4,54-E10921; 4,54-E10922; 4,54-E10923; 4,54-E12027; 4,54-E12208; 4,54-E12041; 4,54-Rü5883
Auskunft der Familie (2022)
Geschichtskreis Sebaldsbrück: Juden in Bremen-Sebaldsbrück, Bremen 2018
Yad Vashem,The World Holocaust Remembrance Center

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Polenaktion"
Glossarbeitrag Ostjüdische Gemeinde