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Günter Plessner, *1921

VORBEREITUNG FLUCHT PALÄSTINA, AUSBILDUNG 1939 LEHRGUT ELLGUTH-STEINAU,
SCHICKSAL UNBEKANNT


Contrescarpe 93
Bremen-Mitte

Verlegedatum: 22.10.2024


Contrescarpe 93 - Weitere Stolpersteine:


Günter Plessner

Günter Plessner

Günter Plessner wurde am 4.12.1921 in Bremen als Sohn von Isidor Plessner (geb. 1881 in Beuthen) und seiner ersten Ehefrau Ella, geb. Steinhardt (geb. 1887 in Chemnitz, gest. 1937 in Bremen) geboren. Der Grabstein seiner Eltern ist auf dem jüdischen Friedhof in Bremen-Hastedt erhalten. Er war das einzige Kind aus dieser Ehe. Sein Vater war Kaufmann und Inhaber der Firma Strumpfhaus Isidor Plessner, Schüsselkorb 14, bis er dieses am 6.10.1938 zwangsweise abmelden musste.

Günter Plessner feierte seine Bar Mitzwa am 17.11.1934 nach einer Notiz im jüdischen Gemeindeblatt. Das Ende seiner Schulzeit fällt mit den Maßnahmen der "Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben" zusammen, die den Schulabgängern die sonst übliche Berufsausbildung verwehrten. Auf seiner Einwohnermeldekarte war zunächst "Lehrling" eingetragen, dann aber durchgestrichen und durch "Hilfsschlosser" ersetzt. Auch dieser Eintrag ist wieder durchgestrichen worden und mit dem Datum vom 5.12.1939 durch "Landw. Praktikant" ersetzt. Am 31.12.1938 wurde ihm zwangsweise der Vorname Israel zugeschrieben.

Am 14.3.1939 musste er mit seinen Eltern die jahrelange Wohnung in der Bergstraße 36 in Bremen-Nord verlassen. Die Familie kam für sechs Monate in der Waller Heerstraße unter. Günther Plessner plante seine Auswanderung nach Palästina. Am 16.9.1939 meldete er sich nach Jessen (Mühle) bei Sommerfeld in der Niederlausitz ab. Dort gab es eine Ausbildungsstätte der Jüdischen Jugendhilfe mit 40 bis 60 Plätzen, in der Jugendliche auf die Auswanderung vorbereitet wurden. Seine Eltern hatten für Verpflegung und Ausbildung monatlich 45 RM an die Reichsvereinigung der Juden dafür zu zahlen. Vom 4. bis 9.12.1939 besuchte er nochmals seine Familie in Bremen, wobei er nicht ahnen konnte, dass es das letzte Wiedersehen sein sollte. Bei seiner Abreise gab er nun die Adresse Ellguth/Steinau an.

Das Gut Ellguth/Steinau liegt in Oberschlesien und war seit 1914 im Besitz der Familie Fränkel, die eine Damast- und Leinenweberei betrieb. Ab 1937 wurde es als Hachscharah-Ausbildungsstätte für die Erstausbildung in Landwirtschaft und Gärtnerei zur Verfügung gestellt und bot ca. 100 Personen Platz. Obwohl noch 1940 Gruppen Ellguth mit Einwanderungserlaubnissen für Palästina verließen, war Günter Plessner nicht in einer dieser Gruppen.

Bereits im Laufe des Jahres 1939 wurde Ellguth in ein Arbeitslager umgewandelt und verlor mehr und mehr seine Eigenschaft als Ausbildungsstätte. Im Mai 1941 entschied das Reichssicherheitshauptamt, Ellguth zu schließen. Die Bewohner wurden auf andere Lager verteilt. Im Zuge der "Endlösung" wurden auch die in den Ausbildungsstätten noch verbliebenen Jugendlichen und ihre Ausbilder in die Vernichtungslager im Osten deportiert.

Mit der Abmeldung nach Ellguth-Steinau verliert sich die Lebensspur von Günter Plessner, sein Schicksal ist nicht mehr aufzuklären. Als Indiz, dass er die Verfolgungszeit nicht überlebt hat kann zusätzlich gelten, dass es keinen Antrag auf Entschädigung von ihm nach 1945 gibt und er auch nicht als Erbe im Entschädigungsverfahren zu seinen Eltern aufgeführt wird.

Sein Vater Isidor Plessner und dessen zweite Ehefrau Margarethe wurden am 18.11.1941 in das Ghetto Minsk deportiert und dort ermordet.

Peter Christoffersen (2024)

Informationsquellen:
Staatsarchiv Bremen, Einwohnermeldekartei, 4,42/3-36
Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Bremen Nr. 11/1934
Adler-Rudel, Jüdische Selbsthilfe unter dem Naziregime 1933-1939, Tübingen 1974
Schlette/Frank, Eine Spurensuche zwischen Beuel, Ellguth und Warschau, in: Bonner Geschichtsblätter, Band 57/58, Bonn 2008
Fischer, Hubertus: Das Lehrgut Ellguth bei Steinau (1937–1941) und die Hachschara in Oberschlesien, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, vol. 64, no. 1, 2018, pp. 61-110.

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Auswanderung