Sie befinden sich hier | Kapitelüberschrift  Stolpersteine Biografie
Schriftgroesse verkleinern Schriftgroesse normal Schriftgroesse vergrössern
Diese Seite ausdrucken

Martha Ginsberg, geb. Nachmann, *1879

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Contrescarpe 93
Bremen-Mitte


Contrescarpe 93 - Weitere Stolpersteine:


Martha Ginsberg


Martha Ginsberg war die Witwe des Viehhändlers Sally Ginsberg (geb. 8.7.1873). Aus ihrer am 27.7.1904 geschlossenen Ehe gingen drei Kinder hervor: Anna, auch Änne ge­nannt (geb. 1905), Hermann (geb. 1907) und Walter (geb. 1911).

Sally Ginsberg starb 1938 in Bassum. Er soll ein vermögender Mann gewesen sein. Ne­ben Haus und Garten in der Bahnhofstraße in Bassum habe er etliche Viehweiden be­sessen, und der Haushalt der Ginsbergs sei recht ansehnlich gewesen, was sich an dem guten Silber- und Wäschebestand habe ablesen lassen. Wie Zeugen berichteten, war Sally ein „grundehrlicher Großviehkaufmann“.

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges verließ Martha Ginsberg am 19.10.1939 Bassum und zog nach Bremen in die Kreuzstraße 43a. Sie hatte geplant, mit ihrem Sohn Walter in die USA auszuwandern, was einem Hinweis ihrer Tochter Anna zu entnehmen ist. Sie schrieb 1939 ihrer Tochter in den USA in Briefen vom Frühjahr 1939 bis zum April 1941 wie sie ihren umfangreichen Hausstand aufzuteilen gedenke. Was verkauft werden soll, was in die USA "mitgebracht" werden solle und was mit nach Bremen kommt. Noch am 10.10.1939 fragt sie an: "Soll ich meine Wäsche wohl jetzt packen u. nach dort schicken?" Im April 1941 berichtet sie: "Unsere Möbel sind fast alle verkauft." Eine Flucht aus Deutschland misslang aus nicht bekannten Gründen.

Am 2.10.1941 musste sie die Wohnung in der Kreuzstraße aufgeben und wurde in das "Judenhaus" Contrescarpe 93 eingewiesen, das den Geschwistern Bromberger gehörte. Dort bewohnte sie ein Zimmer. Sie schrieb ihrer Tochter am 11.10.1941: "In meinem neuen Zimmer mit dem guten Teppich, Chaiselongue m. Decke, 4 Polsterstühle von selg. Oma, Vertiko, hübsche Gardinen von vorn, (vom Hause) runder Rauchtisch, Schreibtischsessel, Blumenkrippe m. grünen Gewächsen, weiße Kommode w. Kleiderschrank, braune Kommode, Nachtisch (mit Maschine) runder Tisch."

Am 18.11.1941 wurde sie in das Ghetto Minsk deportiert. Dort wurde sie ermordet: Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbe­dingungen im Ghetto erlag, fiel sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die einen Höhepunkt in der Vernichtung des überwiegenden Teils der Bewohner des Sonderghet­tos am 28./29.7.1942 fanden.

Ihren Kindern Anna (1938) und Hermann gelang die Auswanderung in die USA

Der Sohn Walter war im Zusam­menhang des Novemberpogroms von 1938 verhaftet und vom 11.11.1938 bis zum 5.12.1938 im KZ Buchenwald in „Schutzhaft“ genommen worden. Mit seiner Rückkehr aus dem Konzentrationslager verliert sich seine Spur. Möglicherweise lebte er noch bis Anfang 1939 mit seiner Mutter in Bassum zusammen, da diese in ihren Briefen immer mit "wir" berichtet. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zog er nach Köln. Seine letzte bekannte Adresse dort war Lübecker Str. 22. Er besuchte seine Mutter für einige Tage zweimal in Bremen vor ihrer Deportation, im März 1940 und im Januar 1941. Sein Schicksal konnte bislang nicht aufgeklärt werden.

Klaus Eissing/Günter Kleinen/Peter Christoffersen (2025)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E2298, 4,54-Rü 5263, Einwohnermeldekartei
Gemeindeliste über jüdische Residenten, 1.2.5.1/12852255, ITS Digital Archive, Bad Arolsen
www.juedische-geschichte-diepholz

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag Novemberpogrom
Glossarbeitrag "Schutzhaft"
Glossarbeitrag "Judenhäuser"