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Zilla Lundner, *1926

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Hastedter Heerstr. 202/204
Bremen-Hemelingen
ehemalige Straßenbezeichnung: Hastedter Heerstr. 334


Hastedter Heerstr. 202/204 - Weitere Stolpersteine:


Zilla Lundner

Zilla Lundner

Familienbiografie
Isaak Lundner
Frieda Lundner, geb. Kraismann
Julius Lundner
Zilla Lundner
Berta Lundner
Salomon Lundner
Ruth Lundner

Isaak Aron Lundner (geb. 22.8.1898 in Chrzanow) war der Sohn von Juda und Sara Lundner, geb. Kühnreich (siehe Biografie in diesem Band), und das zweite von zehn Kindern. Seine Eltern waren 1904 aus Chrzanow/Westgalizien nach Sebaldsbrück gekommen, wo bereits andere polnische Zuwandererfamilien lebten. Er besuchte die Volksschule und anschließend die Handelsschule. Im Ersten Weltkrieg diente er aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im österreichischen Heer und kam verwundet zurück.

Am 11.6.1923 heiratete er in Bremen Frieda Laja Kraismann/Krajzmann (geb. 6.11. oder 18.11.1899 in Lodz), Tochter von Jechiel und Debora (Dvora) Krajzmann, geb. Dieckmann. Im Anschluss an die Heirat lebte das Ehepaar bis 1930 in Halberstadt, wo Geschwister des Ehepaares wohnten. Dort kamen ihre ersten Kinder zur Welt: Julius (geb. 20.6.1924), Zilla (geb. 5.2.1926), Berta (geb. 16.10.1927), Salomon (Sally, geb. 9.11.1928) sowie in Bremen Ruth (geb. 9.3.1935). Die Familie war als staatenlos registriert.

In Halberstadt hatte sich Isaak Lundner als Handelsmann selbstständig gemacht. 1930
zog er mit seiner Familie nach Bremen, wo er bereits 1928 ein Sackgeschäft angemeldet
hatte. Nahezu zeitgleich meldeten er, sein Vater und sein Bruder Salomon 1931 zusätz-
lich einen Wäscheversand an. Im Januar 1934 zog die Familie von der Zeppelinstraße in
die Hastedter Heerstraße 334 (heute Nr. 202/204) um.

Isaak Lundner galt als sehr fleißig und rührend besorgt um seine Familie. Im Frühjahr 1935 musste er seine Gewerbebetriebe abmelden, wurde arbeitslos und war auf Arbeitslosen- und Fürsorgeunterstützung angewiesen. Die jüdische Gemeinde zahlte ihm einen geringen Mietzuschuss, wofür er Arbeitsstunden ableisten musste.

Die Kinder Julius, Zilla, Berta und Salomon besuchten die Volksschule am Alten Postweg, bis sie diese im November 1938 („Polenaktion“) verlassen mussten. Bei Salomon (Sally) gibt es im Klassenbuch einen Eintrag hinter seinem Namen: „Auf Anordnung der Behörde am 15.11.1938 aus d. Schule entfernt.“ Bertas Name ist rot durchgestrichen mit dem Vermerk „jüdisch“; bei Zilla steht „Jüdin (kommt nicht mehr zur Schule)“. Die Kinder blieben jedoch weiterhin schulpflichtig und gingen ab Mai 1939 in die neu eingerichtete jüdische Gemeindeschule in der Kohlhökerstraße 6.

In der Reichspogromnacht am 9./10.1938 wurde Isaak Lundner verhaftet und nach kurzem Aufenthalt im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen in das KZ Sachsenhausen deportiert. Am 13.12.1938 wurde er mit der Auflage entlassen, umgehend zu emigrieren. Im Februar 1939 meldete er sich nach Brüssel ab und zog zunächst in die Rue Emile Feron 55 im Stadtteil Saint-Gilles. Etwas später fand er bei seiner Schwester Regina Unterkunft, die mit ihrer Familie aus Frankfurt/M. nach Brüssel emigriert war.

Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien im Jahr 1940 wurde er im Dezember desselben Jahres aufgefordert, sich im Judenregister eintragen zu lassen. Ende Juli/Anfang August 1942 erhielt er, zugestellt durch die Judenvereinigung, den Arbeitseinsatzbefehl Nr. 1984. Darin forderte man ihn auf, sich im Sammellager Kazerne Dossin in Mechelen zu melden und Verpflegung für 14 Tage sowie Ausrüstungsgegenstände mitzubringen. Falls er dieser Anordnung nicht folgen sollte, „erfolgt Ihre Festnahme und Verbringung in ein Konzentrationslager nach Deutschland und die Einziehung Ihres gesamten Vermögens“. Wann er sich im Sammellager einfand, ist nicht bekannt. Sein Name befindet sich auf der Liste des ersten Transports unter der Nr. 795, der am 4.8.1942 Mechelen mit dem Ziel Auschwitz-Birkenau verließ. Der Zug erreichte am nächsten Tag das Vernichtungslager. Von den 999 Deportierten überlebten neun Personen. Das Schicksal von Isaak Lundner ist nicht bekannt.

Frieda Lundner blieb mit ihren fünf Kindern in Bremen. Ab 1939 lebte ihre Schwester Selda Jakubowicz bei ihr (siehe Biografie in diesem Band). Sie wurden am 18.11.1941 in das Ghetto Minsk deportiert. Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.

Peter Christoffersen (2023)

Informationsquellen:

StA Bremen 4,54-E11810; 4,54-Rü6193; 4,60/5-1224; Einwohnermeldekartei
Archiv Kazerne Dossin, Malines/Mechelen

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Novemberpogrom
Glossarbeitrag Sachsenhausen
Glossarbeitrag Malines / Mechelen
Glossarbeitrag Auschwitz
Glossarbeitrag Minsk