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Alfred Heinemann, *1886

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Scharnhorststr. 121
Bremen-Schwachhausen


Scharnhorststr. 121 - Weitere Stolpersteine:


Alfred Heinemann


Alfred Heinemann wurde am 24.7.1886 in Wildeshausen als Sohn von Julius (geb. 1847) und Bertha Meyer (geb. 1864) geboren. Er hatte drei Geschwister: namentlich bekannt sind seine Schwestern Else (geb. 1890) und Ida (geb. 1893). Seinem Vater Julius Heinemann gehörte ein alteingesessenes Manufakturwarengeschäft in der Huntestraße 26 in Wildeshausen.

Alfred Heinemann stammte aus einem vermögenden Elternhaus. Er besuchte die Oberrealschule in Oldenburg und legte Ostern 1906 sein Abitur am Goethe-Gymnasium in Frankfurt/Main ab. Nach einer Lehre als Bankkaufmann arbeitete er in dem Frankfurter Bankhaus Carlebach. Er ließ sich außerdem zum Hilfsrabbiner ausbilden. Für einige Zeit lebte er in Berlin, wo er bei der Dresdner Bank tätig war. Er blieb ledig.

Gleich zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde er als Soldat eingezogen; über sein Schicksal im Krieg ist nichts bekannt. Er kehrte zu einem unbekannten Zeitpunkt zurück nach Wildeshausen, um das väterliche Geschäft zu übernehmen. Als erfolgreicher Kaufmann passte er das Warensortiment (vom Continental-Gummimantel bis zu Linoleum) dem Markt an. Als orthodoxer Jude schloss Alfred Heinemann das Geschäft an hohen jüdischen Feiertagen. Bis zum Boykott jüdischer Geschäfte, am 1.4.1933, erzielte er gute Umsätze. Als Hilfe in seinem Geschäft und im Haushalt stand ihm Golda Herzberg (geb.13.10.1884) zur Seite.

Bereits ab 1924 hatte die antisemitische Agitation in Wildeshausen deutlich zugenommen. Schon 1930 stellten die Nationalsozialisten und deren politische Verbündete die Hälfte der Mitglieder des Stadtrates und beherrschten das öffentliche Leben der Stadt.

1933 lebten nur noch 20 jüdische Mitbürger in Wildeshausen. Die Umsätze des von Alfred Heinemann geführten Geschäftes sanken ab 1933 kontinuierlich und kamen 1938 „fast vollständig zum Erliegen“. Er lebte von dem „in besseren Zeiten“ erwirtschafteten Familienvermögen. Die Hoffnung auf eine Einreisegenehmigung in einen ausländischen Staat erfüllte sich für ihn nicht.

In der Reichspogromnacht 1938 verschafften sich SA-Männer Zugang zu seiner Wohnung und seinem Geschäft und „beschlagnahmten“ Bargeld und Wertgegenstände. Die noch in Wildeshausen lebenden fünf jüdischen Männer – so auch Alfred Heinemann – wurden verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Nach seiner Rückkehr Anfang 1939 wurde er gezwungen, das Warenlager zu einem Schleuderpreis zu verkaufen. Eine Möglichkeit, auch das Ladengeschäft zu verkaufen, wurde von ihm nicht gesucht und bestand offenbar auch nicht. Es wurde „abgewickelt“.

In der folgenden Zeit zog sich Alfred Heinemann noch mehr als in den vorangegangenen Jahren aus der Öffentlichkeit zurück und hatte große Mühe, seinen von Einschränkungen bestimmten Alltag zu bewältigen. Im Zuge der Vertreibung der Juden aus Wildeshausen mussten die letzten zehn Bewohner jüdischen Glaubens die Stadt verlassen, Alfred Heinemann und Golda Herzberg waren die beiden letzten. Sie zogen nach Bremen um, in das „Judenhaus“ Scharnhorstraße 121.

Den Verkauf seiner Grundstücke und seines Wohnhauses in Wildeshausen hatte Alfred Heinemann einem Grundstücksmakler überlassen müssen. Der Verkaufserlös von ca. 35.000 RM wurde ihm nicht ausgezahlt, sondern fiel an das Deutsche Reich.

Am 18.11.1941 wurden er und Golda Herzberg in das Ghetto Minsk deportiert. Sie wurden ermordet: Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.

Alfred Heinemanns Schwester Else, verheiratete Rosenbaum, war 1943 nach Warschau deportiert worden, wo auch sie den Tod fand. Ihr Sohn Werner (geb. 1914) lebte seit einem unbekannten Zeitpunkt in England. Die jüngere Schwester Ida, verheiratete Beermann, konnte 1938 in die USA emigrieren.

Barbara Ebeling (2017)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10421
Eckhardt, Albrecht: Wildeshausen. Geschichte der Stadt v. d. Anfängen bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert, Oldenburg 1999, S. 780 ff.
Meiners, Werner: Geschichte der Juden in Wildeshausen, Oldenburg 1988
Obenaus, Herbert (Hrsg.): Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Göttingen 2005 , S. 1548 ff.

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Sachsenhausen
Glossarbeitrag Judenvertreibung Ostfriesland / Oldenburg
Glossarbeitrag Minsk