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Adolf Bothmann, *1892

"SCHUTZHAFT" 1933, GEFÄNGNIS OSTERTOR, 1939 SACHSENHAUSEN, 1945 MAUTHAUSEN
ERMORDET 5.5.1945


Bürgermeister-Deichmann-Straße 65
Bremen-Walle
ehemalige Straßenbezeichnung: Wartburgstraße 31/33

Verlegedatum: 20.09.2018


Bürgermeister-Deichmann-Straße 65 - Weitere Stolpersteine:


Adolf Bothmann


Adolf Bothmann wurde am 18.7.1892 in Husum geboren. Sein vollständiger Taufname lautete „Adolf Hans Ingwer“; einer friesischen Tradition folgend stand Ingwer für den Mädchennamen seiner Mutter (Anna, geb. Ingwersen, verh. mit Andreas Bothmann). Er heiratete die 19-jährige Henny Clausen. Die Hochzeit fand 1920 in Nordstrand statt, dem Geburtsort der Braut. Das Paar lebte zunächst in Husum, dort kamen die Söhne Gerhard (geb. 1921) und Artur (geb. 1922) zur Welt. In Albersdorf (Süderdithmarschen) besaß Adolf Bothmann später einen kleinen Friseursalon.

Adolf Bothmann war Ende der 1920er Jahre Anhänger der Nationalsozialisten. Im Februar 1929 wurde er Mitglied der NSDAP, aber bereits im Oktober 1930 wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Er wandte sich – damals noch in Albersdorf lebend – den Kommunisten zu. Während einer politischen Versammlung stürmte die SA den Saal. Adolf Bothmann wurde so schwer am Bein verletzt, dass es verkürzt blieb und er Zeit seines Lebens eine Gehhilfe benutzen musste. 1931 wurde er Mitglied der Roten Hilfe, einer KPD-nahen Organisation.

Im Herbst 1932 zog die Familie nach Bremen in die Zweigstraße 12. Hier eröffnete Adolf Bothmann einen Herrenfriseursalon. Nach dem Umzug am 1.5.1934 in die Wartburgstraße 31/33 (heute Bürgermeister-Deichmann-Straße 65) wurde das Geschäft um einen Damensalon erweitert. Es lief so gut, dass 1939 fünf Friseure und zusätzlich drei weibliche Aushilfskräfte für die Wochenenden angestellt waren.

Im Entschädigungsverfahren erklärte ein Zeuge, im Salon hätten ausschließlich Arbeiter und Angestellte der sozialistischen Arbeiterbewegung verkehrt. Bothmanns politische Gesinnung zeigte sich auch in den ausgelegten Tageszeitungen von SPD und KPD. Das alles weckte die Aufmerksamkeit von Polizei und Gestapo. Die Familie erlebte mehrere Hausdurchsuchungen, die Gestapo stellte zeitweilig einen „Horchposten“ vor das Geschäft.

Zwischen 1933 und 1939 wurde Adolf Bothmann zweimal in Haft genommen und kam jeweils ohne Gerichtsverhandlung für mehrere Monate zunächst ins Gefängnis (Juli bis Dezember 1933 und 1936 -1938), später in die Konzentrationslager Esterwegen und Sachsenhausen. Die Freilassungen erfolgten ohne Angabe von Gründen oder mit der Erklärung, „die Verhaftung sei ein Irrtum gewesen“. Überdies lief 1934 in Hamburg ein Verfahren gegen ihn wegen „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg vom 22.8.1934 wurde er „mangels Beweises außer Verfolgung gesetzt“. Während der Haftzeiten führte seine Frau den Friseursalon weiter.

Am 1.9.1939 wurde er erneut in „Schutzhaft“ genommen und ins KZ Sachsenhausen überstellt. Als politischer Häftling trug er den roten Winkel an der Kleidung und die Nr. 12165. Seine Gehbehinderung bewahrte ihn in den Folgejahren vor Schwerstarbeit. Ein Zeuge, der zusammen mit Adolf Bothmann im KZ Sachsenhausen war, erinnerte sich in den 1950er Jahren, dass dieser wegen seines verkürzten Beines als „Blockfriseur“ arbeitete.

Die Lagerordnung gestattete den Häftlingen „im Monat zwei Briefe oder Postkarten zu empfangen oder abzusenden“. Insgesamt sind vier Briefe von Adolf Bothmann aus dem KZ an seine Familie erhalten, insbesondere an seine Frau Henny und den Sohn Arthur. Er schrieb ihnen 1941 zwei Briefe auf Vordrucken des KZ, 1944 auf weißem, unliniertem Papier. Die Briefe seiner Familie erreichten ihn nicht regelmäßig, ab 1944 rechnete er nicht mehr mit weiterer Post. Durch den Briefwechsel war er über die Entwicklung des Salons informiert und erfuhr von der totalen Zerstörung des Hauses in der Wartburgstraße nach einem Bombenangriff. Er begrüßte den Umzug der Ehefrau nach Brake, weil dieser Ort mehr Sicherheit vor den „zerstörerischen Folgen“ des Krieges böte. Er erhielt auch Pakete, mit denen er „nicht gerechnet“ hatte und die ihm „unverhoffte Freude“ bereiteten, sowie eine Geldanweisung, so dass er im Lagerladen einkaufen konnte.

Adolf Bothmann versuchte seine Frau aufzumuntern: „Noch Geduld und Ruhe, es kommt ja auch mal das Ende [des Krieges] […] .“ Trotz seines Aufenthaltes im Lager schrieb er an seine Frau Henny: „[…] Aber was sollen wir dagegen machen. Es ist Krieg […] erbärmlich und erbarmungslos.“ Zwar seien ihre Besitztümer im Krieg verloren, dennoch „[…] leben noch beide Jungs [die Söhne] […] auch wenn sie an der Front stehen […] .“ Er hoffte auf das Ende des Krieges, malte seiner Frau aus, wie es weitergehen könne, ihm „sei nicht bange vor der Zukunft“. In jedem der Briefe versicherte er seiner Familie, dass es „ihm gut gehe“, er „gesund und munter“ sei.

Als die Rote Armee die Oder erreicht hatte, befahl der Lagerkommandant am 1.2.1945, Vorbereitungen zur Räumung des KZ zu treffen. In den folgenden Wochen verlegte die SS Tausende von Häftlingen in westlich gelegene Lager, unter anderem Mauthausen in Österreich. Bereits am 13.2.1945 betraf die Verlegung Adolf Bothmann. Am 16.2.1945 wurde er im KZ Mauthausen in Österreich als Zugang erfasst.

Helmut Rose, ein ehemaliger Angestellter von Bothmann, wurde ebenfalls aus politischen Gründen verhaftet. Bei Holzlieferungen in die Küche und in das Krankenlager traf er Bothmann wieder. Bothmann erzählte ihm, dass er wegen seiner politischen Gespräche denunziert worden sei, das habe zu seiner Verhaftung geführt. Rose sprach noch zwei oder drei Tage vor dessen Tod mit ihm. Er berichtete, Bothmann sei im Krankenlager an Hungerödemen gestorben. Sein Todesdatum wurde vom Roten Kreuz auf den 5.5.1945 festgelegt, den Tag der Befreiung des Lagers durch die US-Armee.

Adolf Bothmanns Ehefrau Henny starb Anfang 1945 in Brake. Die Söhne überlebten den Krieg.

Kornelia Renemann (2019)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E11051, Einwohnermeldekartei