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Dora Bromberger, *1881

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Contrescarpe 93
Bremen-Mitte


Contrescarpe 93 - Weitere Stolpersteine:


Dora Bromberger

Dora Bromberger

Familienbiografie
Dora Bromberger
Henriette Bromberger

Zu den jüdischen Frauen, Männern und Kindern, die am 18.11.1941 von Bremen nach Minsk deportiert wurden, gehörten die Künstlerinnen Dora und Henny Bromber­ger. Sie waren Töchter von Professor David Bromberger, der bis zu seinem Tode im Jahre 1930 eine überragende Rolle im Bremer Musikleben gespielt hatte.

Am 11.2.1853 in Köln geboren, war David Bromberger bereits ein namhafter Musiker, als er mit 23 Jahren 1876 seine Heimat in Bremen fand. Hier heiratete er 1878 Franziska, die Tochter des Bankiers Julius Steinberger. Das Paar bezog ein eigenes Haus in der Contrescarpe 93. 1879 wurde Siegfried, der einzige Sohn, geboren, ihm folgten seine Schwestern Dora (16.5. 1881) und Henriette (24.8.1882). Die drei Kinder wurden gemeinsam am 26.3.1888 im Bremer Dom getauft, wäh­rend die Eltern an ihrem Judentum festhielten – aller­dings offen für alle Glaubensfragen.

In Bremen wurde man auf Brombergers musikalische Aktivität und Bedeutung rasch aufmerksam. Er war der Komponist des Gesangs „Tempelweihe“ für gemischten Chor, Basssolo und Harmonium, mit dem die erste Bre­mer Synagoge am 13.9.1876 feierlich eröffnet wurde. Im Mittelpunkt seines Interesses aber stand die Kammer­musik, und er setzte sich das Ziel, ihr in Bremen neue Impulse zu geben. Dabei wirkte er, der Pianist, mit dem berühmten Geiger Ernst Skalitzky zusammen. Bald ging der Ruf der beiden Männer über Bremen weit hinaus. Se­nator Friedrich Nebelthau würdigte David Bromberger, seinen Klavierlehrer, im Senat, der dem sehr bescheide­nen Musiker 1905 den Titel eines Professors verlieh. Erst im Nachruf für den allseits verehrten Künstler erfuhr die Bremer Öffentlichkeit, dass er auch ein freundschaftli­ches Verhältnis zu Johannes Brahms gepflegt hatte.

Brombergers Genugtuung über beruflichen Erfolg und Ehrung war vom frühen Tod sei­ner Frau überschattet. Er fand Trost bei seinen Kindern, zumindest eine seiner Töchter wohnte ständig bei ihm, in späterer Zeit beide. Am 7.9.1930 ist David Bromberger im Alter von 77 Jahren gestorben. Er musste die Bar­barei des Naziregimes nicht miterleben, der Dora und Henriette zum Opfer fielen; nur ihr Bruder Siegfried überlebte als Emigrant in Kuba.

Wie ihr Vater besaß Henriette (Henny), geboren am 24.8.1882, schon früh das pädagogi­sche Talent, hochbegabte Musiker heranzubilden. 1917 wurde sie zu einer Lehrtätigkeit ans Stern’sche Konservatorium in Berlin berufen, zahlreiche Meisterschülerinnen und Meisterschüler in Bremen verdankten ihr Training und Anregungen für ihre Konzer­te. Doch nicht nur als Klavierlehrerin, sondern auch als Konzertpianistin erwarb Hen­ny Bromberger sich in der Hansestadt einen außerordentlich hohen Ruf. Es entsprach ihrem Können, dass man sie in der Ortsgruppe der „Gemeinschaft deutscher und ös­terreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen“ (Gedok) mit der Vertretung der „Kunstgattung Musik“ betraute. In dieser Stellung fand sie eine ideale Basis für ihre weitere Karriere. Häufig wurde sie in die musikinteressierten Häuser einiger „Gedok-Kol­leginnen“ eingeladen, wo man ihre Mitwirkung bei Hauskonzerten schätzte. Besonders häufig musizierte sie im „Haus zum Grünen Winkel“ in der Kirchbachstraße bei Trude und Emil Kuhlmann, bei denen sie mit Vater und Schwester geradezu Familienanschluss fand. Als das Naziregime sie aus der Öffentlichkeit verbannte, verblieben ihr und Dora Solidarität und materielle Hilfe aus mehreren anderen Familien; Dr. Otto Leist und seine Frau Elizabeth und der Architekt Klaus Lüning zum Beispiel sahen darin ihre besondere Pflicht.

Im Großen Saal der „Glocke“ trat Henny Bromberger letztmalig am 17.1.1933 mit einem Beethoven-Konzert auf, mit dem sie noch einmal „lebhafteste und dankbarste Aner­kennung“ in der Bremer Öffentlichkeit fand. Bis zum Beginn der NS-Zeit galt auch ihre Schwester als anerkannte Persönlichkeit in ihrer Heimatstadt.

Dora Bromberger, geboren am 16.5.1881, zählte zu den bekanntesten Bremer Malerin­nen der zwanziger und frühen dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Nach einem Studi­enaufenthalt in Paris lebte die Künstlerin von 1915 bis 1929 in München, wo sie schon 1912/13 zu Studien geweilt hatte. Hier wurde sie, die gern in Gemeinschaft mit anderen Künstlern arbeitete, heimisch.

Die „Moderne Galerie“ von Heinrich Thannhauser, in der sie einen Teil ihrer Bilder zeig­te, besaß ein außerordentlich hohes Renommee, war sie doch Ausstellungsort für so bedeutende Gruppen wie die „Neue Künstlervereinigung München“ und den Kreis des „Blauen Reiter“ um Franz Marc und Wassily Kandinsky. Nach ihrer Rückkehr nach Bre­men wurde die Malerin Mitglied des Bremer Künstlerbundes und war seit 1924 fast stän­dig an dessen jährlichen Ausstellungen in der Kunsthalle beteiligt. Dora Bromberger neigte zu einer eigenwilligen Natur- und Landschaftsdarstellung. Sie galt als Meisterin der Aquarellkunst. Noch zweimal wurde sie nach dem Machtantritt der Nazis in der Presse erwähnt, am 19.11.1933 und – letztmalig – am 13.6.1934. Zu den Bremern, die ihr danach materiell unter großem persönlichen Risiko halfen, gehörte der zum Kreis um Heinrich Vogeler zählende Friedrich („Fidi“) Harjes, der eine Metallwerkstatt für kunst­handwerkliche Gegenstände im heutigen Bremen-Nord betrieb. Geld verdiente Dora auch mit Porzellanmalerei bei Ilse Wehe, einer unerschrockenen jungen Unternehmerin, die bewusst jüdischen Frauen Arbeit gab.

Trotz ihrer zunehmenden Vereinsamung in der NS-Zeit konnten die Schwestern Brom­berger sich nicht wie ihr Bruder zur Emigration entschließen. Sie suchten zuletzt Halt bei den verbliebenen Freunden und in ihrem christlichen Glauben. Als sie sich auf ihre De­portation vorbereiten mussten, waren Doras Malerkolleginnen Elisabeth Noltenius und Isa Hasse täglich bei ihnen. Ihr kleines Haus mussten sich die beiden zuletzt mit sieben Personen jüdischer Herkunft teilen – eine „Schicksalsgemeinschaft“, denn alle starben in Minsk. Dort wurden Dora und Henny Bromberger ermordet: sofern sie nicht den un­menschlichen Lebensbedingungen erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.

Rolf Rübsam (2015)

Informationsquellen:
Erinnerungen zahlreicher Schülerinnen und Schüler von David und Henny Bromberger, Presseberichte über Bromber­ger-Konzerte und Ausstellungen von Dora Bromberger: Grundlagen einer Bromberger-Biographie von Rübsam, Rolf: „Die Brombergers – Schicksal einer Künstlerfamilie“, Bremen 1992.
Zur künstlerischen Bedeutung Dora Brombergers s. a. Willy Menz: „Das Werk einer Bremer Malerin“, Weser-Kurier vom 10.07.1947

Abbildungsnachweis: Staatsarchiv Bremen

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag Christen jüdischer Herkunft
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag "Judenhäuser"