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Isidor Plessner, *1881

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Contrescarpe 93
Bremen-Mitte


Contrescarpe 93 - Weitere Stolpersteine:


Isidor Plessner


Familienbiografie
Isidor Plessner
Margarethe Plessner, geb. Powidzer
Günter Plessner

Günter Plessner hoffte, wie viele junge Menschen, dem Verfolgungsdruck in Deutschland zu entkommen und auf eine neue Zukunft in Palästina. Es gelang ihm, in eine Vorbereitungs­stätte aufgenommen zu werden, die Auswanderung blieb ihm jedoch versagt.

Isidor Plessner, geb. 20.4.1881 in Beuthen, lebte ab 1920 in Bremen und wohnte in der Bergs­traße 36 (Doventor). Er hatte 1920 in Chemnitz Ella Steinhardt, geb. 11.2.1887 in Chemnitz, geheiratet. Das Ehepaar hatte einen Sohn: Günter, geb. 4.12.1921 in Bremen. Günter feierte seine Bar Mizwa am 17.11.1934. Seine Mutter verstarb am 3.12.1937 und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Bremen-Hastedt bestattet.

Der Raum Chemnitz war in der Vorkriegszeit das Zentrum der deutschen Strumpfindustrie. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass Isidor Plessner entsprechende Verbindungen zu dieser Branche hatte. Von 1924 bis 1928 führte er ein eigenes Geschäft, Strumpfhaus Pless­ner, zunächst im Schüsselkorb 14, dann in der Faulenstraße 33. Nach der Geschäftsaufga­be wird er in den Adressbüchern mit dem Zusatz „Vertretungen“ aufgeführt. Am 6.10.1938 musste er sein Gewerbe abmelden. Ab dem 7.9.1939 wohnte er im „Judenhaus“ Contrescar­pe 93, das den Geschwistern Bromberger gehörte.

Er verheiratete sich am 22.10.1940 erneut. Seine Ehefrau Margarethe Nasielski, geb. Podwid­zer, geb. 15.3.1891 in Hof, war nach dem Tod ihres Mannes von Königsberg nach Leipzig gezogen. Sie war als Krankenpflegerin und Arzthelferin tätig. Aus ihrer ersten Ehe war eine Tochter, Irma (geb. 1914 in Insterburg), hervorgegangen.

Am 18.11.1941 wurden alle jüdischen Bewohner des Hauses Contrescarpe 93, unter ihnen Isidor und Margarethe Plessner, in das Ghetto Minsk deportiert. Dort endete zu einem unbe­kannten Zeitpunkt ihr Lebensweg; spätestens bei einer der Massenmordaktionen, die einen Höhepunkt in der Vernichtung des überwiegenden Teils der Bewohner des Sonderghettos am 28./29.7.1942 fanden.

Günter Plessner plante seine Auswanderung nach Palästina. Im September 1939 meldete er sich nach Jessen bei Sommerfeld (Niederlausitz) ab. Dort gab es eine Ausbildungsstätte der Jüdischen Jugendhilfe mit 40 bis 60 Plätzen, in der Jugendliche auf die Auswanderung vorbereitet wurden. Vom 4. bis 9.12.1939 besuchte er nochmals seine Familie in Bremen, wobei er nicht ahnen konnte, dass es das letzte Wiedersehen sein sollte. Bei seiner Abreise gab er nun die Adresse Ellguth/Steinau (Oberschlesien) an. Auch dort gab es eine Hachscha­rah-Ausbildungsstätte für die Erstausbildung in Landwirtschaft und Gärtnerei, die ca. 100 jungen Leuten Platz bot. Bereits im Laufe des Jahres 1939 wurde Ellguth in ein Arbeitslager umgewandelt und verlor mehr und mehr seine Eigenschaft als Ausbildungsstätte. Im Mai 1941 entschied das Reichssicherheitshauptamt, Ellguth zu schließen. Die Bewohner wurden auf andere Lager verteilt. Im Zuge der „Endlösung“ wurden auch die in den Ausbildungsstät­ten noch verbliebenen Jugendlichen und ihre Ausbilder in die Vernichtungslager im Osten deportiert.

Obwohl noch bis 1940 Gruppen Ellguth mit Einwanderungserlaubnissen für Palästina ver­ließen, war Günter Plessner nicht darunter. Mit der Abmeldung nach Ellguth/Steinau verliert sich seine Lebensspur, sein Schicksal ist nicht mehr aufzuklären.

Margarethe Plessners Tochter aus erster Ehe, Irma Fränkel, geb. Nasielski, verließ Leipzig am 22.5.1940 und floh über Jugoslawien nach Italien, wo sie in das Durchgangslager Ferramon­ti-Tarsia verbracht wurde. Als Folge der Inhaftierung erkrankte sie an Tuberkulose (Tbc). Sie überlebte die schwere Erkrankung, war aber später nur noch vermindert erwerbsfähig. Sie lebte nach dem Krieg nahezu mittellos in Rom.

Peter Christoffersen (2015)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10587, Einwohnermeldekartei
Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Bremen vom 14.11.1934
Adler-Rudel, Salomon: Jüdische Selbsthilfe unter dem Naziregime 1933-1939, Tübingen 1974
Schlette/Frank: Eine Spurensuche zwischen Beuel, Ellguth und Warschau, in: Bonner Geschichtsblätter, Band 57/58, Bonn 2008

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag "Judenhäuser"