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Ernst Busch, *1929

eingewiesen in die "Heilanstalt" Erlangen
tot 4.10.1941


Luisental 5/ neben Einfahrt Seniorenresidenz
Bremen-Horn-Lehe


Luisental 5/ neben Einfahrt Seniorenresidenz - Weitere Stolpersteine:


Ernst Busch

Ernst Busch

Ernst Busch wurde am 9.6.1929 im Bremer Stadtteil Gröpelingen als erstes von drei Kindern eines Schneiders und seiner Ehefrau geboren. Weil der Junge auf Grund seiner körperlichen Einschränkungen „sehr starke Rücksichtnahme“ erfordere, „enorm viel Arbeit“ mache und seine Anwesenheit „das normale anwesende Kind“ geistig hindere und zurückstelle, beantragte der Leiter der Bremer Kinderklinik im Sommer 1933 seine Unterbringung in einer Anstalt.

Anfang 1939 teilte der Vorsteher Hermann Geerken dem Jugendamt mit, dass es dem „Jungen gesundheitlich gut“ gehe. „Er wird in unserer Bewahrungsabteilung versorgt, da er wegen seiner Blindheit, seiner großen Schwerhörigkeit und Sprachlosigkeit nicht am Unterricht in unserer Anstaltsschule teilnehmen kann. Trotz dieser schweren Sinnesdefekte scheint sein geistiges Vermögen nicht ganz schlecht zu sein. Er vermag sich tastend in seiner Umwelt zurecht zu finden, erkennt die Personen seiner Umgebung am Geruch und durch Tasten wieder, zeigt dann lebhafte Freude und besonders Vergnügen an Spiel und Bewegung. Seine Gemütslage ist meistens heiter, manchmal auch übermütig. Unangenehm ist seine Zerstörungslust. Er muss deswegen dauernd überwacht werden. Alles Erreichbare versucht er zu zerpflücken und in seine Bestandteile zu zerlegen. Dabei entwickelt der kleine etwas verwachsene Junge erstaunliche Finger- und Armkräfte.“

Nach Auflösung des Hauses Reddersen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Ernst zunächst in die Bremer Nervenklinik und von hier aus in die Unterrichts- und Pflegeanstalt Gertrudenheim im Kloster Blankenburg bei Oldenburg gebracht. Über sein Leben in diesen Institutionen sind keine Informationen überliefert. In den wenigen Mitteilungen an das Jugendamt reduzierten die Ärzte die Persönlichkeit des Jungen allein auf seine „Defekte“. Wie das Haus Reddersen wurde auch das Gertrudenheim aufgelöst. Wieder mussten die Bewohner weichen, weil das Gebäudeensemble in ein Ausweichkrankenhaus für die Verletzten des Zweiten Weltkriegs umfunktioniert werden sollte – ein Plan, der allerdings niemals realisiert wurde.

Am 20. 9.1941 wurde Ernst Busch zusammen mit vierzig anderen Bewohnern in die Heil- und Pflegeanstalt Erlangen transportiert, wo er nur zwei Wochen später, am 4.10.1941, starb. Auf die schriftliche Anfrage des Vaters, woran denn sein Sohn „nach so kurzer Einlieferung“ gestorben sei, kam aus Erlangen folgende Antwort: Wir bedauern natürlich ebenso, dass Ihr Sohn so kurz nach seiner Verlegung hierher gestorben ist, waren uns aber von vorneherein darüber im Klaren, dass bei einer Verlegung und so ausgiebigen Ortsveränderung bei unseren an und für sich meist reduzierten Kranken mit Zwischenfällen gerechnet werden muss. So ist auch Ihr Sohn eines durchaus natürlichen Todes gestorben und zwar ist er einer Herzlähmung erlegen.

Gerda Engelbracht (2017)

Informationsquellen:
Engelbracht, Gerda: Das Haus Reddersen. Zur Geschichte der ersten bremischen Pflege- und Erziehungsanstalt für geistigund körperlich behinderte Kinder und Jugendliche, Bremen 1995, S. 73-79
Dieselbe: Medizinverbrechen an Bremer Kindern und Jugendlichen in der Zeit des Nationalsozialismus, Frankfurt (Main) 2014

Abbildungsnachweis: Privatbesitz

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Euthanasie" / Zwangssterilisation
Glossarbeitrag Haus Reddersen