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Ernst Friedemann, *1899

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Rembrandtstr. 25
Bremen-Schwachhausen


Rembrandtstr. 25 - Weitere Stolpersteine:


Ernst Friedemann


Familienbiografie
Louis Friedemann
Lina Friedemann, geb. Homberg
Ernst Friedemann

Louis Friedemann war der Sohn des Schlachtermeisters Friedmann Friedemann und seiner Ehefrau Fanny, geb. Meinrath, die 1860 geheiratet hatten. Louis wurde am 8.10.1871 im Dorf Steyerberg (heute Kreis Nienburg) geboren. Er wuchs im Haus Nr. 107 zusammen mit drei Geschwistern auf. Lina Homberg wurde am 9.10.1871 in Obermarsberg geboren.

Ihre Eltern waren Josef Homberg und Johanna („Hannchen“), geb. Goldschmidt. Diese hatten neben Lina noch die drei Jahre ältere Tochter Mina. Louis Friedemann und Lina Homberg heirateten am 8.4.1899 in Hamburg. Aus ihrer Ehe gingen zwei Kinder hervor, die beide in Rotenburg/Wümme geboren wurden: Ernst am 31.12.1899 und Ilse am 16.5.1904.

Louis Friedemann war von Beruf kaufmännischer Angestellter. Im Juni 1912 zog die Familie von Rotenburg nach Achim. Sie lebte dort 26 Jahre, zuletzt Am Schmiedeberg 10 (heute Langenstraße 46). Über diese Zeit teilt Günter Schnakenberg vom Stadtarchiv Achim mit: Vermutlich hatte er hier in Achim eine Anstellung im jüdischen Kaufhaus Heilbronn gefunden, denn als Siegfried Heilbronn 1913 sein neu erbautes Kaufhaus Obernstraße/Ecke Achimer Brückenstraße eröffnete, haben die Friedemanns dort eine Wohnung erhalten.

Ein Friedemann (ohne Vornamen), vermutlich der Vater Louis, engagierte sich in dem 1919 hier gegründeten „Volksbund zum Schutze der deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen“. Desgleichen war wohl auch der Vater in der 1919 gegründeten Sicherheitswehr aktiv tätig. Diese Sicherheitswehr wurde gegründet, um die zunehmende Zahl der Diebstähle im Ort und auf den Feldern und Weiden zu verhindern. Später erfolgte ein Wohnungswechsel in das Gebäude der Allgemeinen Ortskrankenkasse.

Nach der Machtübernahme der Nazis im Jahre 1933 mussten die Friedemanns hier wieder ausziehen, denn die Nazis duldeten es nicht, dass Juden in staatlichen Gebäuden wohnten. Aufnahme fanden sie im Hause der unverheirateten Schwestern Doris (Dora) und Luise (Lilly) Gerken in der Langenstraße.

Der Sohn Ernst war ledig und wie sein Vater kaufmännischer Angestellter. Im Achimer Kreisblatt findet man 1935 und 1936 Meldungen über den „Juden Friedemann“. In den Zeitungsberichten und auch sonst gibt es lt. Stadtarchivar Schnakenberg keinen Hinweis, ob es sich um den Vater Louis oder Sohn Ernst handelt. Mit großer Wahrscheinlichkeit könne man aber davon ausgehen, dass diese Berichte den Sohn Ernst betreffen, denn Louis Friedemann war zu diesem Zeitpunkt bereits im Rentenalter.

Mündliche Überlieferungen besagen, dass Ernst Friedemann bei der Achimer Zigarrenfabrik Beyer & Brockmann angestellt war. Als Reisender für diese Firma besuchte er Kunden im näheren Umkreis von Achim. Dabei kam es zu der am 17.8.1935 vom Achimer Kreisblatt gemeldeten „Züchtigung“ in Stuckenborstel. Friedemann bat die Polizei um Hilfe gegen einen tätlichen Angriff und wurde stattdessen festgenommen. Am 20.1.1936 wurde er erneut im Achimer Kreisblatt denunziert wegen angeblicher „Banderolensteuerhinterziehung“, was zur Folge hatte, dass sein Arbeitgeber sich zwei Tage später in einer Anzeige von ihm distanzierte. Das hinderte das Achimer Kreisblatt nicht, weitere zwei Tage später eine „Erklärung der Ortsgruppenleitung“ abzudrucken, in der die unbewiesenen Vorwürfe in eine suggestive Aufforderung zur Selbstjustiz übergingen. Aus diesem Bericht vom 24.1.1936 geht allerdings auch hervor, dass der beschuldigte Friedemann in Achim wohl sehr beliebt war. Die polizeilichen Ermittlungen blieben ohne Ergebnis, eine Verurteilung von Ernst Friedemann wegen Steuerhinterziehung ist nicht belegt.

Es ist nachgewiesen, dass er am 28.12.1938 aus dem KZ Sachsenhausen entlassen wurde. Der Einlieferungstag ist nicht bekannt und damit auch nicht, ob seine Verhaftung im Zuge der Reichspogromnacht erfolgte oder bereits zuvor. Nach 1933 waren auch die Achimer Nazis bestrebt, Achim zu „entjuden“. Vermutlich haben Anpöbeleien auf der Straße und Denunziationen die Friedemanns veranlasst, im Januar 1938 Achim zu verlassen. Die Eltern zogen mit dem Sohn Ernst nach Bremen in die Rückertstraße 26 und von dort am 1.11.1941 in das „Judenhaus“ Rembrandtstraße 25.

Die Tochter Ilse hatte 1927 den Produktenhändler Arnold Löwenthal geheiratet und mit ihm in Bremen-Vegesack gelebt. Sie waren am 2.1.1941 zu Ilses Eltern in die Rückertstraße 26 gezogen und dann mit ihnen in die Rembrandtstraße 25 umgezogen (siehe Biografien A-Z). Louis, Lina und Ernst Friedemann, Arnold und Ilse Löwenthal, geb. Friedemann, sowie alle anderen Bewohner des "Judenhauses" Rembrandtstraße 25 wurden am 18.11.1941 nach Minsk deportiert. Sie wurden ermordet: Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen.

Das Schicksal der ältesten Schwester von Louis Friedemann, Mathilde (geb.1861) ist unbekannt. Seine Schwester Bertha (geb. 1866, verheiratete Andresen) lebte in Hamburg und wurde von dort im Alter von 78 Jahren am 22.1.1944 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und erlag am 14.1.1945 den Entbehrungen. Louis’ Bruder Simon konnte zwar nach Belgien fliehen, wurde aber am 31.10.1942 vom Durchgangslager Mechelen (Malines) ins Vernichtungslager Auschwitz gebracht und dort ermordet. Über das Schicksal von Lina Friedemanns Schwester Mina ist nichts bekannt.

Für die Familie Friedemann wurden auch in Achim Stolpersteine verlegt, in der Langenstraße 46 (Rückseite des Wohnhauses Am Schmiedeberg 10).

Franz Dwertmann (2017)

Informationsquellen:
StABremen 4,54-E11874, Einwohnermeldekartei
Stadtarchiv Achim: Standorte der Stolpersteine/Brief Günter Schnakenberg vom 3.1.2017
Stadtarchiv Marsberg: Jüdische Familienregister Bestand B 1168, B 1169, B 1170
Stadtarchiv Rotenburg: Sterberegistereinträge StA/G 1/1900 und StA/G 48/1904
KrANi Amt Stolzenau Nr. 176: Amt Stolzenau: Geburtslisten, Trauungslisten, Sterbelisten der Synagogengemeinde Steyerberg- Liebenau (nicht vollzählig) 1853-1874
Kreisblatt Achim ITS Digital Archive Arolsen: Veränderungsmeldung Sachsenhausen, 1.1.38.1 /4094062
Groß, Gerd-Jürgen: Sie lebten nebenan. Erinnerungsbuch für die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
1933-1945 deportierten und ermordeten jüdischen Frauen, Männer und Kinder aus dem Landkreis Nienburg/Weser, 2013
Jüdisches Leben in Achim. Hrsg: AG Regionalgeschichte des Cato Bontjes van Beek-Gymnasiums. Achim 1995
www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer 3032
Achimer Kreisblatt 22.1.1936

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Judenhäuser"
Glossarbeitrag Minsk