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Ruth Meyer, geb. Ginsberg, *1905

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Nordstr./in Höhe der Haltestelle Grenzstr.
Bremen-Walle
ehemalige Straßenbezeichnung: Nordstr. 210


Nordstr./in Höhe der Haltestelle Grenzstr. - Weitere Stolpersteine:


Ruth Meyer


Familienbiografie
Adolf Ginsberg
Emma Ginsberg, geb.Löbenberg
Ruth Meyer, geb. Ginsberg
Werner Meyer

Adolf Ginsberg wurde am 18. 2. 1874 in Varrel im Kreis Diepholz als Sohn des Viehhändlers Meier Ginsberg und seiner Frau Rosette, geb. Neublum, als jüngstes von vier Geschwistern geboren. Im Jahre 1900 wurde er als Lehrer und Kantor an die Jüdische Gemeinde in Dierdorf, eine Kleinstadt im Westerwald, berufen. 1902 heiratete er die am 1.1.1873 in Fulda geborene Emma Löbenberg, die älteste Tochter von Hermann Löbenberg und seiner Frau Emma, geb. Stern. Emma Ginsberg war Schneiderin von Beruf. In ihrem neuen Heimatort kamen bald darauf die beiden Töchter zur Welt: Lucie (geb. 1903) und Ruth (geb. 1905).

Wie schon ihre ältere Schwester absolvierte auch Ruth nach Beendigung ihrer Schulzeit 1922/23 ein Jahr in einem Mädchenpensionat im nahegelegenen Limburg. Im Mai 1923 kehrte sie nach Dierdorf zurück, wo sie bis zu ihrer Eheschließung in der Wohnung der Eltern im Ortsteil Giershofen lebte. Im Jahre 1925 versuchte sie offenbar, sich eine eigene Existenz in Bochum aufzubauen – sie war dort für einen Monat gemeldet und ließ auf ihrer Einwohnermeldekarte als Beruf Kontoristin eintragen.

1929 gestaltete Adolf Ginsberg den Weiheakt bei der Einweihung der neuen Synagoge in Dierdorf. In der einklassigen Israelitischen Volksschule unterrichtete er im Schuljahr 1930/31 neun Schulkinder in sechs Klassenstufen. Darüber hinaus leitete er seit 1924 den Jüdischen Jugendverein Dierdorf.

Am 30.6.1933 heiratete Ruth Ginsberg den aus Vollmerdingsen bei Minden stammenden Pferdehändler Carl Meyer (geb. 1897) und zog nach der Hochzeit zu ihm nach Minden. Zur Entbindung kam sie noch einmal in ihre Heimatstadt zurück. Am 1.7.1934 brachte sie dort ihren Sohn Werner in der Wohnung der Eltern zur Welt.

1937 geriet Carl Meyer ins Visier der Justiz: Er war der versuchten Erpressung bei der Ausübung eines Handelsgeschäftes bezichtigt worden und wurde vom Landgericht Bielefeld im Juni 1937 zu einer einmonatigen Haftstrafe verurteilt. Im Juli 1937 floh er daraufhin in die Niederlande. Ruth Meyer stand nun mittellos da und kehrte einen Monat später mit ihrem kleinen Sohn ins Elternhaus zurück.

In der Reichspogromnacht 9./10.11.1938 wurde die Wohnung der Ginsbergs, in der nun drei Generationen zusammenlebten, von SA-Männern verwüstet.

1936 musste die Israelitische Volksschule schließen, da es in dem Ort aufgrund der hohen jüdischen Abwanderung keine schulpflichtigen Kinder mehr gab. 1938 verlor Adolf Ginsberg seine Anstellung bei der Gemeinde. Am 18.8.1939 meldeten sich die Ginsbergs und Ruth Meyer mit Werner in Dierdorf ab und zogen - nach einem Zwischenaufenthalt in Köln – am 20.10.1939 nach Bremen, wo sie Verwandte als Anlaufstelle hatten: 1936 war die älteste Tochter und Schwester Lucie Harf mit ihrer Familie in die Neustadt gezogen, außerdem lebten in Schwachhausen ebenfalls seit 1936 auch Adolf Ginsbergs Schwester Ida und seine Schwägerin Sophie in einer gemeinsamen Wohnung. Dort konnte das Ehepaar Ginsberg zunächst für zwei Monate unterkommen; Ruth Meyer verzog mit Werner nach Findorff in die Admiralstraße 23. Am 29.11.1939 zogen alle weiter nach Walle in das „Judenhaus“ in der Nordstraße 210. Dort mussten Emma und Adolf Ginsberg miterleben, wie ihre Tochter und ihr siebenjähriges Enkelkind am 18.11.1941 ins Ghetto Minsk deportiert wurden. Auch alle übrigen in Bremen lebenden Verwandten traf dieses Schicksal. Emma und Adolf Ginsberg blieben allein in Bremen zurück. Sie wurden am 23.7.1942 ins Ghetto Theresienstadt verschleppt.

In Minsk erlagen Ruth Meyer und ihr Sohn Werner entweder den Entbehrungen im Ghetto oder fielen einer der Massenmordaktionen zum Opfer, die Ende Juli 1942 begannen. In Theresienstadt endete der Lebensweg von Emma Ginsberg am 10.10.1942, der ihres Mannes am 2.4.1944.

Christine Nitsche-Gleim (2019)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10934, 4,54-E109,35, Einwohnermeldekartei
Meyer, Michael: Lebenswege deutscher Juden. Familien und Persönlichkeiten aus Dierdorf und vielen weiteren Orten
im In-und Ausland, Books on Demand 2016
www.juden-in-fulda.de
www.jüdische-gemeinden.de/Dierdorf
Jungbluth, Uli: Juden in Dierdorf, www.alemannia-judaica.de
Synagoge in Dierdorf/www.alemannia-judaica

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Judenhäuser"
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag Theresienstadt