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Albert Seligmann, *1869

deportiert 1942 nach Theresienstadt
ermordet in Treblinka


Nordstr./in Höhe der Haltestelle Grenzstr.
Bremen-Walle
ehemalige Straßenbezeichnung: Nordstr. 210


Nordstr./in Höhe der Haltestelle Grenzstr. - Weitere Stolpersteine:


Albert Seligmann


Familienbiografie
Albert Seligmann
Jenny Seligmann, geb. Alexander

Albert Seligmann wurde als Sohn von Philipp Seligmann (geb. 1841 in Ronnenberg) und seiner Ehefrau Henriette (geb. Heine, geb. in Eldagsen) am 9.5.1869 in Ronnenberg geboren. Am 12.9.1894 heiratete er Jenny (genannt Nanny) Alexander (geb. 10.9.1868 in Achim). Das Ehepaar hatte zwei Söhne: Hugo (geb. 1895, gest. 1915) und Wilhelm (geb. 1902 in Achim).

In Achim übernahm Albert Seligmann die Schlachterei seines Schwiegervaters Süßkind Jacob Alexander, in der auch der jüngere Sohn Wilhelm später tätig war. Von 1913 bis 1932 war er Obermeister der Fleischerinnung Achim. Er hatte als Soldat im Ersten Weltkrieg gedient und war mit zahlreichen Orden ausgezeichnet worden, die er voller Stolz bei den Umzügen des örtlichen Schützenvereins anlegte. Nach dem Krieg trat er der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei bei, wo er bald in den Vorstand der Ortsgruppe Achim aufrückte.

Offenbar versuchte er immer wieder, den Diskriminierungen der Nationalsozialisten couragiert entgegenzutreten. Der Hemelinger Anzeiger berichtete in seiner Ausgabe vom 2.8.1933:

"In Schutzhaft genommen. Gestern Mittag wurde der jüdische Schlachtermeister Albert Seligmann (Achim), der sich der Verächtlichmachung der Reichsregierung und des Reichskanzlers schuldig gemacht hat, in Schutzhaft genommen. Die Inhaftierung geschah, weil deutsch empfindende Männer, die von den Äußerungen des S. Kenntnis erhielten, sich in großer Erregung vor dem Hause des Juden angesammelt hatten und der Jude vor der Volkserregung geschützt werden musste. Seligmann ist nach Verden abtransportiert worden."

Unter dem Boykott jüdischer Geschäfte und Betriebe litt die Firma Seligmann sehr, da ihr kein Vieh mehr zur Schlachtung zugeteilt wurde. Im März 1937 wurde der Betrieb nach einer Denunziation wegen angeblicher Steuerhinterziehung polizeilich geschlossen. Albert Seligmann wurde zu einer Geldstrafe von 1.800 RM verurteilt. Wegen „Fehlens der erforderlichen Zuverlässigkeit“ wurde ihm der Handel mit Fleisch- und Wurstwaren untersagt. Er beschwerte sich beim Landrat, schrieb ans Reichsinnenministerium und versuchte schließlich, seinen Sohn in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, um das Geschäft auf diesen zu übertragen. Ein entsprechender Antrag wurde von der Handwerkskammer unter Rückgriff auf eine weitere Denunziation „wegen der notorischen Unzuverlässigkeit des Wilhelm Seligmann“ abgelehnt.

Aufgrund eines Formfehlers konnte er Klage einreichen, doch kurz vor dem Verhandlungstermin zog er diese zurück. Wahrscheinlich, weil er kurz vor der Auswanderung stand.

In diese Zeit fiel auch ein Vorkommnis, das seine Enkelin Johanna betraf. Sie wurde mit Steinen beworfen und als „Judensau“ beschimpft. Jenny Seligmann unternahm daraufhin einen Selbstmordversuch, wurde aber von einem Nachbarn – einem Nationalsozialisten – gerettet.

Im Morgengrauen des 10.11.1938 holte die Achimer SA im Zuge der Reichspogromnacht alle jüdischen Männer aus ihren Häusern und brachte sie in Mahndorf in einen Zug Richtung Konzentrationslager Sachsenhausen, unter ihnen war auch Albert Seligmann.
Albert und Jenny Seligmann mussten am 27.3.1942 als letzte jüdische Familie Achim verlassen und zogen nach Bremen in das „Judenhaus“ in der Nordstraße 210.

Am 23.7.1942 wurden sie in das Ghetto Theresienstadt deportiert und von dort aus am 29.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka, wo sie ermordet wurden.

Der Sohn Wilhelm emigrierte am 23.3.1938 mit Ehefrau Selma und Tochter Johanna in die USA nach New York, wo er sich als Hersteller von Blusen eine neue Existenz aufbauen konnte.

In Achim wurden Stolpersteine für Albert und Jenny Seligmann in der Obernstraße 22 verlegt.

Kirsten-Constance Gosau/Manfred Runge (2019)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E10159, Einwohnermeldekartei
Achimer Geschichtshefte, Heft 1/1988
Beermann, G. u.a.: Jüdisches Leben in Achim, Achim 1994
Familiendatenbank Juden im Deutschen Reich

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Judenhäuser"
Glossarbeitrag Theresienstadt
Glossarbeitrag Treblinka